Beton statt Fels, Abgase statt frischer Luft: Auf der Suche nach dem ultimativen Riss wurden die Briten Tom Randall und Pete Whittaker an einer knapp 800 Meter langen Autobahnbrücke im Südwesten Englands fündig. Im November schritten die als Wide Boyz bekannten Briten zur Tat und benötigten vier Tage sowie ihr gesamtes Risskletterkönnen, um The Great Rift (5.13, 800m) erstzubegehen.
Hier bringen wir die wichtigsten Sätze der beiden Asphalthelden aus dem Interview in KLETTERN 2-2022. Das volle Abenteuer kommt in der Reel Rock Tour im Bewegtbild.
Interview: Tom Randall und Pete Whittaker über The Great Rift, den ultimativen Autobahnriss
Du hast ein paar Versuche allein unternommen, Tom. Wann wurde dir klar: Das ist es, wonach wir gesucht haben?
Tom: Ganz klar, die Hände in den Riss zu klemmen, war dieser Moment. Allein dafür war ja schon einiger Einsatz nötig! Dann musste ich aber noch Pete überzeugen. Als er zugesagt hat, fiel eine Riesenlast von mir ab.
Pete: Es war wichtig, dass es kein Fingerriss ist, denn mit geschwollenen Knöcheln wäre das Spiel schnell vorbei gewesen. Ein Faustriss wäre viel zu schmerzhaft – bei dieser Länge musste es ein Handriss sein, sonst wäre es unmöglich gewesen.
Könnt ihr eure Strategie erklären, teils nur zehn Meter lange Seillängen zu klettern?
Pete: Ursprünglich dachten wir auch, die Seillängen würden länger sein. Aber die Kletterei war schwieriger als gedacht. Es gab Bewegung in der Brücke, und Beton ist anders als natürlicher Fels. Die Kletterei war nicht knifflig, aber sehr anhaltend – die Schwierigkeit erhöhte sich mit der Zeit und jedem Meter automatisch und kumulativ. Wenn du es mit dem Fels vergleichst: Wie viele Rotpunktversuche an deinem Limit hast du pro Tag? Drei, vier? Wir mussten den Schwierigkeitsgrad deutlich unter dieser Schwelle halten, damit wir den ganzen Tag klettern können. Dementsprechend haben wir die Seillängen zwischen 7b+ und 8a+ gehalten.
Ihr seid in Wechselführung geklettert, der Nachsteiger technisch, gesichert habt ihr in Hängesitzen. Das war vermutlich zermürbend?
Tom: Ja. Was vor dir liegt, ist ja vorhersehbar, aber du bist müde, machst dir Sorgen und kämpfst gegen deine Zweifel. Was vor dir liegt, ist bekannt und doch auch unbekannt. Am zweiten Tag bist du schon total kaputt und denkst, dass du das auf keinen Fall durchhältst.
Pete: Ich bin ein paar Seillängen mit den Füßen voraus geklettert, nur um etwas Abwechslung zu haben, aber im Grunde blieb es das Gleiche. Tag 2 war ziemlich hart, an Tag 3 und 4 mussten wir uns richtig abrackern. Tag 3 hatte den kniffligsten Abschnitt, da verengte sich der Riss. Es war anders als in einer großen Wand – es gibt keine Bänder, also keine wirklichen Pausen. Du hängst ununterbrochen in einem Volldach, was alles sehr anstrengend macht.
Beim ersten Versuch schritt die Polizei ein. Tom, wie konntest du sie überreden, es noch einmal versuchen zu dürfen? Die Aktion war ja wohl definitiv illegal ...
Tom: Indem ich den Dialog eröffnete. Wir konnten ihre Befürchtung zerstreuen, dass wir auf die Autobahn klettern könnten. Dann wollten sie wissen, wann wir loslegen – damit sie, sollten Passanten anrufen, sagen können, dass sie Bescheid wissen und nicht unnötig Beamte losschicken müssen.
Was waren eure persönlichen Tiefpunkte?
Tom: Vor allem die Fingerrisslängen. Die Veränderung der Rissgröße war wirklich hart, dann die Schwingungen der Brücke. Und am Ende von Tag 3 waren wir beide kaputt. Das ist normalerweise eine Stärke unserer Seilschaft: Wir wissen, dass wir nicht beide zur gleichen Zeit einen Tiefpunkt erreichen wollen, also gehen wir instinktiv nicht dorthin.
Wie war die physische Erfahrung des Verkehrs?
Tom: Sehen konnte ich nichts, aber man erkennt den Unterschied zwischen Auto und LKW am bloßen Geräusch.
Pete: Man kann definitiv den Unterschied hören: Das ist ein Lastwagen, das ein Auto, das ein Motorrad … und das eine Polizeisirene! Wenn etwas Großes kommt, macht man sich darauf gefasst, dass der Riss sich verändern wird. Du weißt, dass er deine Hand zusammendrücken wird, danach weitet er sich über die ursprüngliche Größe hinaus, bevor er zur "Normalgröße" zurückkehrt. Was den Lärm angeht: Nach ein paar Seillängen nimmt man den gar nicht mehr wahr, vielleicht ein- oder zweimal in der Nacht, aber schließlich gewöhnt man sich daran. Tom hat zum Schlafen nicht einmal Ohrstöpsel benutzt.
Älterer Beitrag: Pete Whittaker klettert Recovery Drink in Norwegen
Der britische Kletterer Pete Whittaker hat sich mit seinem Partner in Crime Tom Randall auf Risse spezialisiert. Beide haben den in Norwegen befindlichen Riss Recovery Drink (8c+) projektiert, Pete konnte ihn im August 2019 klettern. Vorher hatte noch der Deutsche Daniel Jung die Route wiederholen können. Nun gibt es das Video zur Begehung von Pete.
Älterer Beitrag:
Offwidth-Climbing de Luxe: Century Crack (5.14) Video
2011 hatten Pete Whittaker und Tom Randall den vermutlich schwersten Offwidth der Welt befreit. Hier gibt es nun das Video dazu.