Was ist eine Kraxeltour?
Kraxeln, im Englischen "Scrambling", beginnt dort, wo ein Weg oder das Gelände so steil werden, dass man die Hände zu Hilfe nehmen und sich, laut Duden, »mühsam aufwärts bewegen« muss. Wobei die Definition außer Acht lässt, dass man auch abwärts kraxeln kann. »Man bewegt sich in einer Zwischenwelt: Zum Wandern ist es zu steil, zum Klettern zu einfach«, definiert Bergsteiger und Profifotograf Ralf Gantzhorn. Wer in der Wegbeschreibung seines Wanderführers »gestuftes Gelände« oder »kurze, felsige Passagen« liest, muss mit Kraxelstellen rechnen. In den Alpen weist die Wegmarkierung darauf hin: blau-weiß- blau statt rot-weiß-rot. In der Schweiz gilt (zusätzlich) eine Schwierigkeitsbewertung von T1 bis T6, wobei T1 für normales Bergwandern steht, T6 hingehen schon Kletterei im zweiten Schwierigkeitsgrad bedeutet. Kraxeln beginnt bei den Eidgenossen bei T3, manchmal auch erst bei T4.
Wo man kraxelt
Im Alpenraum finden sich unzählige, meist zwischen 2000 und 4000 Meter hohe Kraxelgipfel. »Hier hat man eher seine Ruhe als auf Wanderbergen und oft ein viel schöneres Panorama«, sagt Ralf Gantzhorn. Auch einige der rund 280 schottischen »Munros«, also Hügel über 3000 Fuß (914 m), sowie manche skandinavischen Gipfel lassen sich im oberen Teil nur kraxelnd – und über weite Strecken weg- und markierungslos – erreichen.
Ausrüstung fürs Bergwandern
Essenziell sind gut und fest sitzende Schuhe mit relativ steifen Sohlen. Da auf manchen Kraxeltouren Drahtseile über die schwierigsten Stellen helfen, können auch Klettersteighandschuhe, die die Fingerkuppen freilassen, hilfreich sein. Muss man mit Schnee oder Eisfeldern rechnen, helfen ein Langpickel und Grödel weiter: Das sind vier- oder sechszackige Steigeisen, die mittels Riemen unter jeden Schuh passen. In vielen Fällen reichen aber Trekkingstöcke, um rutschige Passagen zu entschärfen.
Was muss man als Bergwanderer können?
Wer öfter in den Bergen wandert, ist in der Regel trittsicher und schwindelfrei genug, um auch zu kraxeln. Ein guter Gleichgewichtssinn hilft in jedem Fall – und der lässt sich trainieren. Etwa durch Balancieren auf einer Straßenmarkierung oder Bordsteinkante. Noch besser übt man mit einer Slackline (outdoor-magazin.com/ slackline). Ebenfalls wirksam: beim Zähneputzen mit geschlossenen Augen auf ein Bein stellen. Auch sollten Kraxelaspiranten eine gute Grundkondition mitbringen. Muskelschmalz wird hingegen oft überschätzt: Wer sich geschickt bewegt und ein paar grundlegende Techniken beherrscht, kommt auch mit wenig Kraft aus.
Was muss ich bei der Orientierung in den Bergen beachten?
Durchgängige Wegmarkierungen sind auf Kraxelbergen meistens Mangelware – selbst in den Alpen. Zumindest auf steileren Abschnitten fehlen sie oft ganz, im hohen Norden vielerorts sogar grundsätzlich, auch im Flachen. Dort muss man sich seine »Linie« suchen – abhängig von den Verhältnissen: Schnee- und Geröllfelder sehen jedes Jahr anders aus, ebenso Gletscher(moränen) und Schmelzwasserbäche. Verlass dich also nicht allein auf Karte und Führer, sondern bleib außerdem alle paar hundert Meter stehen und scanne das Terrain: Begehungsspuren der Vorgänger etwa zeigen sich durch abgetretene und dadurch hellere Bereiche im Fels. Findet man keine Spuren, sucht man nach einer möglichst flachen Aufstiegsmöglichkeit. Man sollte auch beachten, dass das Gelände von unten betrachtet weniger steil wirkt, als es in Wirklichkeit ist (und umgekehrt). Und dass der kürzeste oder naheliegende Weg selten der beste ist.
Wie sieht die Ideallinie durch felsiges Terrain aus?
Im weglosen Berggelände wählen Wanderer ihre Route selbst – vorbei an Gefahrenstellen und so, dass sie möglichst flott vorankommen.
- Blockgelände: Hüft- bis mannshohe Felsblöcke umgeht man. Bei Regen findet sich hier jedoch oft ein trockenes Plätzchen.
- Hängegletscher: In Hochlagen klebt er oft an nordseitigen Steilhängen und wirft bei Plusgraden gerne Eisbrocken ins Tal. Weiträumig umgehen!
- Felsspalten: Hoch gelegene, altschneebedeckte Felsplatten sind oft vereist, nass oder glatt geschliffen – und häufig zu rutschig.
- Flussadern: Oft verzweigen sich Bergbäche dort, wo es flacher wird, bilden dabei kleine Sedimentinseln – die perfekte Stelle zum Queren.
- Steilwand: Sie lässt öfter Steine fallen, erfahrene Berggänger machen deshalb einen großen Bogen darum – oder passieren sie besonders zügig.
- Geröllfeld: Unter Wänden und neben Bächen liegt oft »frisches« Geröll, das sich noch nicht gesetzt hat und wieder in Bewegung geraten kann. Am besten meiden.
- Stromschnellen: Versuch nie, durch mehr als knietiefe, reißende Bergbäche zu waten. Die Flussbetten bestehen oft aus losem Geröll.
Wie komme ich runter vom Berg?
Vom Berg absteigen kann mühsam sein. So geht’s leicht:
- Die Beine ausspreizen spart Kraft. Du solltest daher den Fels unter dir nach Stufen absuchen, die ungefähr auf einer Höhe und 50 bis 120 Zentimeter auseinanderliegen. Darauf steht man im Gleichgewicht und muss sich mit den Händen nur noch so stark festhalten, dass man nicht nach hinten kippt. Nach hinten lehnen ist aber erwünscht: um einen Überblick über die nächsten Tritte zu bekommen.
- In etwas flacheren Abschnitten steigt man »taloffen« ab, also mit Blick ins Tal. Diese Technik bietet die beste Übersicht über das Gelände und ermöglicht Ihnen, sich seitlich mit den Händen auf- und abzustützen, was viel Kraft spart und den Körper im Gleichgewicht hält. Beim Abstieg platzierst du die Sohlen mittig (am besten direkt vor dem Stiefelabsatz) auf die nächsten Tritte.
- In steilerem Gelände empfiehlt es sich, statt taloffen seitlich abzuklettern. So erkennt man Tritt- und Griffmöglichkeiten besonders gut. Im Idealfall findest du einen schrägen Riss im Fels, in den du greifen kannst – und der dich sicher nach unten zum Wandfuß führt. Auch hier gilt: ab und zu ausspreizen, um innezuhalten und das unter Ihnen liegende Gelände zu scannen.
Welche Ausrüstung brauche ich beim Kraxeln und Bergsteigen in felsigem Terrain?
Dieses Equipment erleichtert das Kraxeln und bietet Sicherheit beim Bergwandern:
- Feste Bergstiefel: Entscheidend ist nicht die Schaft-, sondern die Sohlenstabilität. Je fester und steifer, desto besser der Halt auf Felskäntchen.
- Trekkingstöcke: Beim Kraxeln schnallt man sie an den Rucksack, um die Hände frei zu haben. Man braucht sie aber zum Queren von Bächen sowie auf Eis- und Schneefeldern.
- Sonnenbrille: Sie schützt vor UV-Strahlen und Schneeblindheit.
- Erste-Hilfe-Set: Mit müssen: Signalpfeife, Verbandpäckchen, (Klammer-) Pflaster, Desinfektionsmittel, Tape, Wundauflagen und Rettungsdecke.
- Stirnlampe: Sie ist in Notfällen auch als Signalgeber nützlich. Akku vor der Tour laden!
- Biwaksack: Schaffst du es nicht im Hellen zurück oder kommt dir ein Wettersturz in die Quere, schützt er dich vor Nässe und Auskühlung.
- Wanderseil: Das kurze Seil (20–30 m) nimmt, als Geländer gespannt, heiklen Abschnitten den Schrecken. Auch zum Sichern von Kindern.
- Berghelm: Helme wie der Petzl Sirocco sind leicht (170 g), tragen sich bequem und schützen bei Steinschlag und Stürzen – auch im Geröll.
- Langpickel: Rutscht man auf einem Schnee- oder Eisfeld aus, stoppt er die »Talfahrt«.