Maximalkraft-Training fürs Klettern & Bouldern (+ 7 Übungen)

Stärker bouldern & klettern
Maximalkraft fürs Klettern & Bouldern trainieren

Inhalt von

Sie klingt schon herrlich stark: die Maximalkraft. Warum sie so wichtig ist und wie wir sie bekommen, vergrößern und erhalten.

Bouldertraining Maximalkraft Übungen
Foto: Christian Seitz

Was ist Maximalkraft?

Schon im Namen steckt der Kern: Maximalkraft beschreibt die Kraftleistung, zu der wir willentlich maximal fähig sind. "Willentlich" bezieht sich auf die Tatsache, dass wir in Ausnahmesituationen (etwa unter Todesangst) durchaus noch mehr Kraft mobilisieren können als im Normalzustand. Diese Sperre ist eine Art Schutzmechanismus: Im Körper wird unsere absolut verfübare Kraft gewissermaßen gedrosselt, damit wir nicht unbedacht oder zu oft an die tatsächliche Grenze unseres Körpers gehen ("autonome Reserve"). Beim Training geht es unter anderem darum, diese Sperre nach hinten zu verschieben.
Zur Abgrenzung: Bei Maximalkraft geht es nicht um die Dauer, für die wir diese Höchstleistung aufrecht erhalten können, sondern allein um die Intensität. Hohe Intensität (zum Beispiel ein für uns sehr schwerer Kletterzug) können wir nur wenige Male erbringen, bevor die dafür nötige Kraft erschöpft ist. Im Trainingszusammenhang spricht man von Bewegungen, die wir höchstens drei Mal, vielleicht auch nur ein einziges Mal leisten können. Schaffen wir mehr, spricht man gemeinhin von Kraftausdauer. Verfügen wir über mehr Maximalkraft, steigt auch die Kraftausdauer mit an, da diese von ersterer abhängt. Aufs Klettern und Bouldern bezogen meinen wir relative Maximalkraft, also Kraft im Verhältnis zu unserem Gewicht.

Bouldertraining Maximalkraft
Christian Seitz

Beim Maximalkrafttraining geht es um Belastungen, die so hoch sind, dass wir sie maximal drei mal ausführen können.

Mira bouldert im Steinbock Erlangen – wir vermuten aber, dass sie diesen Zug noch öfter hinbekommen hätte.

Wie entsteht Maximalkraft?

Maximalkraft entsteht aus verschiedenen Faktoren. Zum einen hängt sie von der Größe des Muskelquerschnitts ab. Dr. Guido Köstermeyer formulierte in seinem Standardwerk Peak Performance: "Je dickere Muskeln man besitzt, umso größere Kraft kann man entwickeln". Zum anderen hängt sie davon ab, wie gut Muskelfasern und Nervensystem zusammenarbeiten. Dafür gibt es den Fachbegriff Intramuskuläre Koordination (IK). Wenn wir IK trainieren, versuchen wir unter anderem, den eingangs erwähnten Schutzmechanismus des Gehirns zu beeinflussen (die "Sperre"). Entsprechend können Untrainierte nur 60 bis 70 Prozent ihrer eigentlich vorhandenen Kraft abrufen. Durch Training lässt sich dieses Verhältnis deutlich nach oben verschieben. Des weiteren hängt die Maximalkraft auch davon ab, wieviele weiße, kraftvolle, sogenannte schnellzuckende Muskelfasern vorhanden sind und wieviele rote, die besser Ausdauerleistungen erbringen. Die Verteilung dieser Fasertypen ist rund zur Hälfte genetisch bestimmt, lässt sich aber durch Training ebenfalls beeinflussen und optimieren. Auch das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Muskeln (Intermuskuläre Koordination) spielt bei der Kraftgenerierung eine Rolle.

Training fürs Bouldern & Klettern
Ralph Stöhr

Bei dynamischen und koordinativ schwierigen Bewegungen muss nicht nur die Gesamtmotorik, sondern auch das Zusammenspiel innerhalb der Muskulatur funktionieren.

Warum ist Maximalkraft so wichtig?

Maximalkraft ist gewissermaßen die Mutter aller Kräfte: Ohne Maximalkraft können Schnellkraft und Kraftausdauer nur begrenzt wachsen. Der Sportwissenschaftler Marvin Winkler erklärt: Wenn Maximalkraft mein Topf voller Körner ist, dann kann ich mit Schnellkrafttraining daran arbeiten, schneller die Körner herausholen zu können, ich vergrößere sozusagen den Löffel, mit dem ich die Körner befördere. Mit Kraftausdauertraining lernt der Körper, die entnommenen Körner wieder aufzufüllen. Doch wenn ich wenig Körner insgesamt habe, dann kann ich weder mit Schnellkrafttraining noch mit Ausdauertraining den Topf füllen. Deshalb bewirkt Maximalkrafttraining einen Zuwachs an Schnellkraft und Kraftausdauer, aber nicht umgekehrt.

Bouldertraining Maximalkraft Übungen
Christian Seitz

Maximalkrafttraining für die Finger lässt sich am Hangboard sicher und kontrolliert durchführen.

Was umfasst Maximalkrafttraining?

Umgangssprachlich wird oft das IK-Training als Maximalkrafttraining bezeichnet, während streng genommen auch Hypertrophietraining zu mehr Maximalkraft führt. Doch der Reihe nach.

Beim IK-Training geht es hauptsächlich um eine verbesserte Ansteuerung der Muskelteile. Einmal wird versucht, die Anzahl der Muskelfasern zu vergrößern, die an der Kraftentwicklung beteiligt sind (Rekrutierung). Hier geht es darum, einen Kraftsparmechanismus zu überschreiben, der erst einmal nur weniger kräftige Muskelfasern arbeiten lässt, um die kraftvollen zu schonen. Als nächstes geht es darum, die neuronalen Übertragungsraten innerhalb der Muskelteile zu verbessern. Schnellere Kommunikation zwischen Nerven und Muskelanteilen sorgt für eine verbesserte Kraftbereitstellungsrate, was als Schnellkraft übersetzbar ist. Und zuletzt geht es darum, die motorischen Einheiten zu synchronisieren, was ebenfalls dazu führen soll, dass mehr Kraft generiert werden kann.
Ziel des IK- und Schnellkrafttrainings ist es, über ein entsprechendes Impulsmuster vor allem die sogenannten schnellen Muskelfasern anzusprechen. Dies beeinflusst die Muskelfaserverhältnisse: Es stärkt die schnellen und kräftigen, weißen Muskelfasern. Beim IK-Training trainiert man in hoher Intensität von 1 bis 3 Wiederholungen von 2 bis 4 Sätzen. Wegen der hohen Intensität ist es nur im ausgeruhten Zustand sinnvoll. Zu hohe Ausdauerbelastungen ("Pump") können Maximalkraftanpassungen stören, deshalb sollte man diese Einheiten nicht kombinieren, sondern auseinanderlegen. IK-Kraftgewinne können binnen weniger Tagen und Wochen eintreten.

Bouldertraining Maximalkraft
Christian Seitz

Auch Bouldern zählt als Maximalkrafttraining, wenn die Züge schwer genug sind.

Beim Hypertrophie-Training geht es hauptsächlich darum, den Muskelquerschnitt zu vergrößern. Diese Anpassung erfordert einen strukturellen Umbau im Muskel und dauert entsprechend lang. Während dieser Zeit muss eine ausreichende Nährstoffzufuhr gesichert sein, damit der Körper ausreichend Energie und Bausteine zur Verfügung hat, um die Muskelfasern zu vergrößern. Aufbautraining braucht üblicherweise mindestens 12 Einheiten, besser mehr, damit das erwünschte Muskelwachstum eintreten kann. Beim Hypertrophie-Training bewegt man sich in einem Wiederholungsbereich von 6 bis 12 Wiederholungen und mindestens 3 bis 4 Sätzen und versucht, muskuläre Erschöpfung zu erreichen. Das heißt einerseits, dass die Intensität nicht ganz so hoch ist wie beim IK-Training, andererseits aber, dass sich das Training deutlich anstrengender anfühlt als IK-Training. Ein Beispiel für kletterspezifisches Hypertrophietraining wären 12 Zug lange Boulder an einer Boulderwand oder Fingerkrafttraining mit vielen Wiederholungen wie zum Beispiel Repeater (aka IntHangs).

Warum sollten wir Maximalkraft trainieren?

Gute Frage, denn Maximalkrafttraining allein wird uns nicht automatisch zu besseren Kletterern machen. US-Coach Steve Bechtel warnt: "Egal, wie gut du im Kraftraum wirst, du wirst nicht besser klettern, wenn das Krafttraining nicht von einer Menge Skilltraining begleitet wird." Auf deutsch: Viel Kletterpraxis ist nötig, um die Kraft auch sinnvoll an die Wand bringen zu können. Doch gibt es definitiv Vorteile:

  1. Krafttraining vergrößert unsere Gesamtkapazität. Je stärker wir sind, desto mehr können wir klettern und trainieren, und desto mehr können wir uns verbessern. Das wird besonders wichtig, je älter wir werden.
  2. Verbessern der Gesamtkörperkraft hilft auch in anderen Bereichen rund ums Klettern: Zustieg, Schleppen, Haulen und Gesamtbelastung von Klettertagen strengen uns weniger an und ermöglichen bessere Kletterleistung bei hoher Gesamtbelastung.
  3. Mehr Kraft bedeutet weniger Leistungsabbau im Alter. Je stärker wir sind, desto besser unsere Leistung auch bei fortgeschrittener Kletterkarriere.
  4. Stärker sein schützt vor Verletzungen. Starke Muskulatur schützt Bänder und Gelenke, und wir vermeiden einseitige Überlastung durch Muskeldisbalancen.
Bouldertraining Maximalkraft
Christian Seitz

Weil die Bewegungen an der Boulderwand so vielfältig sind, ist gezieltes Maximalkrafttraining anhand von Übungen meist effizienter und wirksamer, als "nur" zu bouldern.

Wie trainieren wir Maximalkraft?

Auf den nächsten Seiten zeigen wir Übungen, die geeignet sind, die Maximalkraft fürs Klettern und Bouldern zu trainieren. Allerdings müssen die Übungen auch von der Intensität her passen. Um im Maximalkraftbereich zu bleiben, muss dir die Übung sehr schwer fallen. Soll die intramuskuläre Koordiation (IK) trainiert werden, solltest du maximal 3 Wiederholungen schaffen und dann erst wieder nach einer längeren Pause weitere Wiederholungen. Schaffst du 4, ist die Übung zu leicht. Weil man mit maximaler Intensität trainiert, arbeitet man mit sehr kleinem Umfang. (Hypertrophietraining erfordert mehr Wiederholungen (3 bis 4 mal 6 bis 12) und fühlt sich anstrengender an.) Nach dem IK-Training solltest du dich kaum erschöpft fühlen.
Wenn deine Leistung sich verbessert, erschwere die Übung (etwa mit Zusatzgewicht) oder wähle eine schwerere Übungsvariante. Coach Marvin Winkler erklärt: "Es gilt die Faustregel, die Intensität zu erhöhen, wenn man zwei mal aufeinanderfolgend die gewünschte Wiederholungsanzahl erreicht. Schaffe ich meine angepeilten drei Klimmzüge mit zum Beispiel 20 Kilogramm Zusatzgewicht zum zweiten Mal, sollte ich bei der nächsten Einheit mit 25 Kilogramm arbeiten." Außerdem sollten die Pausen zwischen den Sätzen ausreichend sein, um die Intensität zu erhalten: ideal sind 3 bis 5 Minuten.

Bouldertraining Maximalkraft
Christian Seitz

Die besten Übungen zum Starkwerden abseits der Boulderwand zeigen wir in der Fotostrecke.

Und sonst?

Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die zusätzlich zum eigentlichen Klettern oder Bouldern noch Kraft trainieren, nicht nur stärker sind, sondern auch eine bessere Kletterleistung an den Tag legen. Da Kraft außerdem vor Verletzungen schützt, gibt es gute Gründe, das ganze Jahr durch regelmäßig etwas zu machen. Dabei hat Maximalkrafttraining den Vorteil, dass es relativ zügig zu absolvieren ist, weil man nicht bis zur kompletten Erschöpfung trainiert, sondern eben nur so lange, bis man keine hohe Intensität mehr erbringen kann. Der US-Trainer Steve Bechtel empfielt, in reinen Trainingsphasen den Schwerpunkt auf Kraft zu legen und selbst in der Klettersaison erhaltend zwei Einheiten pro Woche Kraft zu trainieren. Apropos das ganze Jahr durch: Auch fürs Training sind die Jahreszeiten relevant. Im Spätsommer und Herbst fallen Kraftzuwächse aus biologischen Gründen deutlich höher aus als im Winter und Frühjahr.