Boulder-Training: Stärker Bouldern (plus Übungen)

Stärker Bouldern
Bouldertraining (plus Übungen)

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Zum Bouldern braucht man Kraft. Hier erklären wir Bouldertraining sowie worauf man achten muss. Plus: die besten Boulder-Übungen.

Bouldertraining (plus Übungen)
Foto: Ralph Stöhr

Bouldertraining

Bouldern stellt den Körper vor komplexe Anforderungen – auch muskulär gesehen. Deshalb ist es wenig sinnvoll, isolierte Kraftübungen zu machen, wie zum Beispiel mit Hanteln den Bizeps zu trainieren. Daher gilt: Je ähnlicher das Training den konkreten Kletterbewegungen ist, desto besser wirkt es. Allerdings hat neben dem spezifischen Training auch allgemeines Krafttraining seinen Platz.

Beim Bouldern selbst trainieren wir schon sehr gut die Kraft, die wir brauchen. Vor allem Anfänger und Fortgeschrittene, die weniger als zwei Jahre dabei sind, profitieren am meisten vom Bouldern selbst. Dabei sollte man aber einige Dinge im Hinterkopf behalten: unter anderem, wie man erfolgreich Trainingsreize setzt, wie vernünftige Erholung aussieht und welche Aspekte beim Training mit einbezogen werden sollten, damit intensive Trainingsbelastungen vom Körper gut weggesteckt werden können.

Trainingsreize setzen und Superkompensation

Damit der Körper stärker wird und nicht stagniert, muss man regelmäßig einen Trainingsreiz setzen, der die derzeitigen Fähigkeiten übersteigt. Sonst hat die Muskulatur keinen Grund, stärker zu werden. Deshalb muss man regelmäßig "zu schwere" Boulder und Bewegungen versuchen, damit die Muskeln das Signal bekommen, dass sie mehr Power entwickeln müssen ("Trainingsreiz"). Wer immer im gleichen Schwierigkeitsbereich klettert, wird nicht stärker, im Gegenteil: Weil die meisten Kletterer auf Dauer technisch besser werden, wird die Kraft sogar zurückgehen, wenn man ausschließlich normal bouldern geht. Um stärker zu werden, ist es also notwendig, schwerere Züge zu probieren, als man eigentlich kann.

Eine weitere Art, sinnvolle Trainingsreize zu setzen, ist Abwechslung: andere Übungen, andere Boulderhalle, andere Trainingsvolumen und -intensitäten. Denn an das übliche Programm hat man sich schnell gewöhnt. Daher sollte man spätestens alle paar Wochen etwas anders machen oder zumindest etwas Neues ins Programm aufnehmen. Nach dem Setzen von Trainingsreizen braucht der Körper dann eine gewisse Zeit, sich an die Belastung anzupassen und die erforderliche Kraft aufzubauen – das geschieht in der Regenerationsphase nach der Belastung.

Regeneration und Pausenzeiten beim Bouldern

Um Kraftzuwachs zu ermöglichen, braucht der Körper genügend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und wenig Stress (auch in anderen Lebensbereichen), um möglichst viel Energie in die Anpassungsarbeiten stecken zu können. Zu Deutsch: In der Pause wird man stark!

Angemessene Pausen sehen aber für verschiedene Menschen unterschiedlich aus. Anfänger erholen sich von einer als hart empfundenen Trainingseinheit schneller als Fortgeschrittene, weil Fortgeschrittene stärkere Reize setzen können, deren Reparatur dann den Körper mehr kostet. Das heißt, dass die Anpassungsphase je nach Trainingszustand und Trainingserfahrung stark variieren kann.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Tatsache, dass die verschiedenen Kraft-Bereitstellungs-Systeme der Muskeln unterschiedlich lange zum Erholen benötigen. Glykogen, der hauptsächliche Treibstoff der Muskeln, wird innerhalb von 24 bis 48 Stunden wieder aufgefüllt. Zellschäden, die als Micro-Traumata beim harten Training entstehen, können allerdings bis zu einer Woche oder länger brauchen, um repariert zu werden.

Eine gute Faustregel ist daher, den eigenen Körper gut kennenzulernen und seine Signale zu respektieren. Fühle ich mich schon wieder ausgeruht nach der letzten Bouldersession? Ist noch Muskelkater zu spüren? Bin ich wieder fit und motiviert? Fortgeschrittene Kletterer und Trainings-Erfahrene können mit etwas Rest-Ermüdung schon wieder Bouldern gehen, doch gilt es dann regelmäßig auch leichte Einheiten oder nach einigen Trainingseinheiten auch wieder eine längere Pause einzulegen, damit der Körper sich gut erholen kann und die angesammelten Mikro-Schäden reparieren kann. Wer das nicht tut, riskiert Überlastungsschäden. Gut bewährt haben sich Deload-Wochen, in denen man deutlich weniger Umfang und Intensität fährt als sonst.

Warum leichte Sessions wichtig sind

Zwar sind schwere Züge wichtig, doch auch leichte Einheiten haben ihren Platz. Zum Beispiel lässt sich flüssiger Kletterstil, Technik-Konsolidierung und Ausdauer am besten in längeren, leichteren Sessions trainieren. Auch für Boulderer ist Ausdauer wichtig. Denn wenn es um unsere lokale Ausdauer besser bestellt ist, verbessert sich auch die Erholungsfähigkeit der Unterarme zwischen den Bouldern. Des weiteren hat eine Messung der durchschnittlichen Boulderzeiten im Weltcup gezeigt, dass viele Begehungen eher eine Kraftausdauer- als eine reine Maximalkraft-Belastung darstellen, weil sie durchaus bis zu einer Minuten dauern. Es gibt also mehrere Gründe, gelegentlich Ausdauer-Sessions einzustreuen.

Gegen schmerzende Unterarme beim Bouldern

Für Anfänger und Fortgeschrittene mit weniger als zwei Jahren Klettererfahrung ist es wichtig, ausreichend Blutgefäße zur Versorgung der Fingermuskeln in den Unterarmen zu entwickeln. Viele und feine Blutgefäße, sogenannte Kapillaren, ermöglichen intensiven Stoffwechsel in der Muskulatur und verbessern damit ihre Leistungsfähigkeit. Ausreichende Kapillarisierung hilft, schmerzende Unterarme und Pump zu vermeiden, und trägt dazu bei, dass die Muskeln überhaupt in der Lage sind, mehr Kraft aufzubauen. Um die Kapillarisierung zu verbessern, eignen sich längere, 20- bis 40-minütige Kletterzeiten mit niedriger Intensität (also unterhalb der Pumpgrenze). Dies zumindest einmal im Jahr über einige Wochen einzubauen, ist auch für sehr fortgeschrittene Boulderer sinnvoll, damit der muskuläre Stoffwechsel nicht in Schieflage gerät.

Wenn es nicht mehr weitergeht – Leistungsplateau

Weil der Körper ein Gewohnheitstier ist, reicht es manchmal schon, einfach etwas Ungewohntes zu machen, um sich zu verbessern. Probiere andere Boulder, andere Hallen, andere Kletterpartner und sonstige Änderungen aus. Mache einen Ausflug ins Seilklettern, um deine Fähigkeiten abzurunden. Die Anforderungen an Kopf und Körper zu verändern und erweitern, sollte die erste Handlung sein. Wenn nach diesen Maßnahmen immer noch keine Verbesserung festzustellen ist, kann gezieltes Training ins Spiel kommen.

Wie Bouldertraining aussehen sollte

Trainiere bevorzugt deine Fertigkeiten. Trainiere rund 70 Prozent der Zeit mit Kletterschuhen, also beim Bouldern selbst, mit Bouldern am Board (kurze, steile Wände) oder mit Bewegungsdrills. Nur rund 30 Prozent der Zeit solltest du ohne Kletterschuhe (am Fingerboard, im Trainingsraum oder mit Workouts) verbringen. Achte auf Qualität vor Quantität, erlaube immer genug Ruhetage zur Erholung, da der Körper in dieser Zeit die Kraft aufbaut.

Kletterer wollen hauptsächlich ihre relative Kraft im Verhältnis zum Körpergewicht verbessern. Daher ist absolutes Muskelwachstum, wie es in kraftbetonten Sportarten wie Gewichtheben sinnvoll ist, für Kletterer nicht geeignet. Ausnahme: Für die Fingerkraft ist gerade bei Anfängern und Fortgeschrittenen auch Hypertrophie-Training (Hypertrophie = Muskelwachstum) sinnvoll, da die Fingermuskulatur meist noch nicht sehr ausgeprägt ist und im Verhältnis wenig wiegt.

Sinnvolle Trainingsreize setzen

Der Fokus sollte beim Bouldertraining auf Maximalkraft liegen. Das heißt die Intensität einer Übung sollte relativ hoch sein, dafür dürfen Volumen und Frequenz weniger hoch sein. Gib dem Körper immer eine Phase zur Eingewöhnung an neue Belastungen, steigere Belastungen in kleinen Schritten und lege regelmäßig eine Deloadwoche ein. Denk daran: Sehnen mögen keine Überraschungen! Der Trainingsreiz sollte so klein wie möglich (=wenig Belastung für den Körper) und so groß wie nötig (=um die Anpassungsreaktion auszulösen) sein. Größere Reize erzielen nicht unbedingt größere Anpassung. Vielmehr geht es darum, die richtige Dosierung und das richtige Timing zu finden, damit der Körper nicht unter- und nicht überfordert wird. Weil sich nicht nur Muskeln, sondern auch Sehnen und Gelenke an Belastungen anpassen müssen, gelten für Kletter-Anfänger und auch Freizeitkletterer, die noch nie zielgerichtet trainiert haben (Trainingsanfänger), andere Maßstäbe als für Boulderer, die bereits ein gewisses Pensum gewöhnt sind.

Wer sollte was trainieren?

Eine Schwierigkeit besteht darin, dass wir am liebsten das trainieren, was wir eh schon gut können. Hier besteht also das größte Fehlerpotenzial. Denn es spricht zwar nichts dagegen, unsere Stärken auszubauen, aber meist ist mit dem Arbeiten an unseren Schwächen mehr erreicht. Daher sollten hauptsächlich verhältnismäßig schwache Menschen gezielt Kraft trainieren und bereits fitte Menschen lieber andere wichtige Fertigkeiten fürs Bouldern trainieren (siehe auch: Bouldertechnik / Mentale Fähigkeiten beim Bouldern).

Physisch stärker werden beim Bouldern

Im Fokus stehen beim Bouldertraining die Punkte Fingerkraft, Oberkörperkraft und Körperspannung. Fingerkraft hält uns an der Wand – aber nur, wenn der restliche Körper die Spannung hält. Daher sind diese Aspekte miteinander verbunden und lassen sich auch zusammen beim Bouldern trainieren. Allerdings nur so lange, wie nicht ein Glied der Kette nachgibt, zum Beispiel die Fingerkraft. Dann kann man sich nicht mehr festhalten, obwohl die Schulter- und Rumpfmuskulatur vielleicht noch nicht übermäßig beansprucht wurde und von einem effektiven Trainingsreiz noch entfernt ist. Dies spricht dafür, die unterschiedlichen Bereiche einzeln zu trainieren. Außerdem lassen sich abseits der Wand spezifischer und sicherer Reize setzen als beim Bouldern.

Fingerkraft-Training fürs Bouldern

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Ralph Stöhr
Fingerpower bekommt man vom Bouldern an kleinen Griffen, oder vom Intervall-Hängen am Griffbrett. Dabei gilt: Keine Bewegung, reines Hängen – aber bitte mit aktivierten Schultern und Core. Die Finger sollten maximal halb aufgestellt sein (Bild) oder offen hängen. Nur im erholten Zustand machen!

Fingerkraft ist aus offensichtlichen Gründen wichtig: Wenn ich einen Griff nicht festhalten kann, hilft mir ein starker Bizeps nicht weiter. Auch um Verletzungen an den Fingern vorzubeugen, ist es sinnvoll, sie stark zu machen. Fingertraining unter kontrollierten Bedingungen ermöglicht großen Kraftzuwachs, ohne den Band- und Sehnenapparat der Finger so stark zu belasten, wie ein ähnlicher Trainingsreiz beim reinen Bouldern es würde. Anfänger trainieren ihre Fingerkraft hauptsächlich beim Bouldern selbst und sollten nur mit wenig Intensität und viel Umfang ans Trainingsboard. In der Praxis heißt das: Entlastung durch Einsatz der Füße oder eines Flaschenzugsystems am Board.

Fortgeschrittene Anfänger können mit Hypertrophie-Training (mittlere bis schwere Intensität, viele Wiederholungen) am Board arbeiten, fortgeschrittene Boulderer und Trainings-Erfahrene erreichen am meisten mit Maximalkrafttraining, das auf die Intramuskuläre Koordination (IK) abzielt. Verbesserte IK bedeutet, dass die vorhandenen Muskelfasern besser angesteuert und dadurch effizienter werden. Das heißt mehr Kraft für die vorhandene Muskelmasse. Schon einmal pro Woche eine kurze Session am Board kann die Fingerkraft deutlich verbessern. (Details zum Fingerkrafttraining gibt es hier, plus Trainingsplan fürs Einsteigen am Fingerboard)

Körperkraft-Training fürs Bouldern

Ralph Stöhr
'Füße kommen lassen' nennt sich die Übung, bei der man an einer überhängenden Boulderwand die Füße löst, sie herauspendeln lässt und sie dann mithilfe der Körperkraft (nicht mit Schwung!) wieder auf den Tritten platziert. Arme möglichst wenig beugen, und das Ellbogengelenk möglichst nicht mehr als 90 Grad.

Je überhängender und schwerer das Gelände, desto wichtiger werden Oberkörperkraft und Körperspannung. Beide entstehen aus dem komplexen Zusammenspiel der Muskeln des Rückens und des Rumpfs. Im Überhang hilft Arm- und Oberkörperkraft, uns an der Wand zu halten, während Körperspannung dafür sorgt, dass wir genügend Spannung zwischen Griff und Tritt aufbauen können, um an der Wand zu bleiben.

Für die Beine ist die einbeinige Kniebeuge (auch Pistol-Squat) ein gutes Mittel zur Stärkung. Sinnvolle Übungen zur Stärkung von Armen und Oberkörper sind zum Beispiel Klimmzüge in verschiedenen Variationen. Bauch-Aufzüge und Vorübungen zur Hangwaage trainieren alle fürs Bouldern wichtigen Muskeln. Liegestütze verbessern die Körperspannung, allerdings sollte man nicht nur die klassische Variante machen: Beim Klettern ziehen unsere Arme ja in unterschiedlichsten Winkeln – ebenso können variierte Armpositionen bei Liegestütz diese Vielfalt abbilden; zum Beispiel Liegestütze mit versetzten Armen oder die Überkopf-Version ("V-Push-up"). Bauch-Aufzüge ("Leg Raises") sind als Vorstufe der Hangwaage eine sehr sinnvolle Übung fürs Bouldern, ebenso wie "Füße kommen lassen" im Überhang (s. Fotostrecke unten). Schwere Übungen wie Hangwaage wiederholt man so oft wie sauber möglich (ein bis drei mal), Kraftübungen wie Klimmzüge und Liegestütz in drei Sätzen je 5 Wiederholungen und Übungen mit weniger Intensität in drei Sätzen je 8-16 Wiederholungen.

Auch bei Kraftübungen hat die korrekte Ausführung oberste Priorität. Da beim Klettern hauptsächlich das Zugmuster der Arm-Muskulatur gestärkt wird, sollte man beim Krafttraining darauf achten, auch das Druckmuster ebenfalls zu trainieren. So vermeidet man muskuläre Dysbalancen und wird insgesamt stärker, da die Gegenspieler-Muskeln zu Stabilität und Gesamtkraft beitragen.

Beweglichkeit fürs Bouldern

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Ralph Stöhr
Die Schulter-Rückseite sowie die Muskeln zwischen den Schulterblättern lassen sich mit dieser Dehnung erreichen. Beim Dehnen keine Gewalt anwenden und entspannt atmen.

Je höher der Schwierigkeitsgrad, desto wichtiger wird Beweglichkeit beim Klettern, vor allem aktive Beweglichkeit. Gefragt ist in erster Linie Flexibilität der Hüfte. Diese lässt sich bereits beim Bouldern selbst trainieren, indem man hohes Antreten sowie nah an der Wand entlang traversieren inklusive Froschposition bewusst einbaut. Um deutlich mehr Bewegungsspielraum zu gewinnen, sollte man mindestens drei mal pro Woche dehnen, besser öfter.

Dabei ist aktives Dehnen zu bevorzugen. Dazu wird die gedehnte Muskulatur während der Dehnung angespannt und wieder entspannt. Beispiel: Im Bild oben während des Dehnvorgangs (circa 5 bis 8 Atemzüge lang) aktiv gegendrücken, jeweils einen Atemzug anfangs und zum Ende entspannen. Neben den Armen (inklusive Unterarmen!) ist das Dehnen der Schulter- und der Hüftregion fürs Bouldern am wichtigsten. Zusätzlich ist regelmäßiges Dehnen sinnvoll, um die Durchblutung der wichtigsten Muskelgruppen zu fördern und Muskelverkürzungen entgegenzuwirken. Je wärmer der Körper (durch Sport oder auch Duschen), desto dehnfähiger ist er. Vor dem Bouldern sollte man nicht intensiv dehnen. Längeres, passives Dehnen gehört zum Regenerationsprogramm und nicht zum Warm-up.

Buchtipp:

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Riva / TMMS
Boulder-Training