Fair oder unfair? Neue Regeln im Wettkampfklettern

Wettkampfklettern
Fair oder unfair? Regeländerungen im Weltcup

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Neue Regeln sollen Kletterwettkämpfe fernsehtauglich und fair gestalten. Auch der neue Combined-Modus für Olympia wird anders.

Boulder-Weltcup Meiringen 2022
Foto: Jan Virt IFSC

Neue Regeln fürs neue Olympischen Combined Format

Für das neue olympische Combined-Format hat sich die IFSC neue Regeln überlegt. Wurden in Tokio 2021 die Plätze in Speed, Bouldern und Lead noch multipliziert, so wird in Paris eine neue Punktewertung zum Einsatz kommen, bei der in Bouldern und Lead jeweils maximal 100 Punkte geholt werden können. Der Punktestand der beiden Disziplinen wird dann addiert, wer die meisten Punkte hat gewinnt. So weit, so klar. Komplizierter wird es im Detail. Im Bouldern wird es zwei statt bisher einem Zonengriff plus das Top geben. 25 Punkte bekommt, wer das Top im ersten Versuch erreicht, den Boulder also flasht. Vier geflashte Boulder ergeben dann 100 Punkte. 3 Punkte gibt es fürs Erreichen der ersten Zone, 6 Punkte bei Erreichen der zweiten Zone (diese Punkte werden aber nicht addiert). Für jeden Sturz werden von den erreichten Punkten 0,1 Punkte abgezogen. Ein Beispiel: Athletin xy erreicht im dritten Versuch die zweite Zone, das Top aber nicht mehr. Dafür wird es 6 Punkte minus 0,2 Punkte (für zwei Stürze), ergo 5,8 Punkte geben.

Im Lead wird das Erreichen des Tops mit 100 Punkten gewertet. Dafür muss der Topgriff gehalten werden und der Umlenker geklippt worden sein. Die Griffe werden nun vom Top aus abwärts mit absteigenden Punktzahlen belegt. Einen Griff kontrollieren ergibt die entsprechenden Punkte, einen Griff benutzen (eine Aktion vom Griff starten, also zum Beispiel versuchen, weiterzugreifen) gibt einen Punktzuschlag von 0,1 Punkten.

Alles im Flux in der Wettkampfsaison 2022

Noch während der erste Weltcup der Saison in Meiringen im Gange war, veröffentlichte der deutsche Kletterer Alexander Megos ein Statement auf Instagram, in dem er den Widerstand der Wettkämpfer zu einer neuen Regel deutlich machte. Er äußerte sich klar und entschieden: Die Vorgehensweise des internationalen Wettkampfverbands IFSC, den Athleten vor der Qualifikationsrunde Fotos von den Bouldern vorzulegen, lehnt er rundherum ab. Dazu bemängelte er die Tatsache, dass nicht alle Athleten gleich viel Zeit hatten, diese Bilder zu betrachten, als äußerst unfair.

Nach Angaben der IFSC wurde die Regel indes in erster Linie für mehr Fairness eingeführt und war gemeinsam mit Athleten- und Trainervertretern beschlossen worden. So sollte sichergestellt werden, dass eventuell vor dem Event anwesende Teams (im Fall von Meiringen beispielsweise Schweizer Athleten vor Ort) keinen Vorteil haben sollten, da sie eventuell im Vorfeld des Weltcups schon die Gelegenheit hatten, die Boulder anzusehen.

Boulder-Weltcup Meiringen 2022
Jan Virt IFSC
Alexander Megos schiebt sich zum nächsten Griff beim Boulderweltcup in Meiringen.

Die für Serbien startende Weltcupboulderin Stasa Gejo teilte Megos' Meinung: "Ich will überrascht werden!" erklärte sie als Co-Kommentatorin des Halbfinales. Das Problemlösen im Onsight sei ein fundamentaler Teil im Wettkampf, "die Kreativität im Problemlösen" sei Teil dessen, was den Klettersport so einzigartig mache, bekräftigt Megos. Die Schweizer Boulderin Sofia Yokoyama hingegen empfand das Ansehen der Boulder-Bilder vor der Runde hingegen als nicht notwendigerweise schlecht, so habe sie sich schon im Aufwärmprozess besser auf die Anforderungen auf der Matte einstellen können.

Die Regelung mit den Bildern wurde dann im weiteren Verlauf des Meiringer Boulderweltcups auf Entscheidung des Technischen Beauftragten der IFSC für die Finalrunden nicht mehr beibehalten. Die IFSC teilte mit, dass die Regelung mit Absicht offen formuliert worden war, sodass es möglich ist, aber nicht zwingend, die Bilder zu zeigen. Ob die Regelung in Zukunft Akzeptanz finden wird, hängt vermutlich auch davon ab, ob die IFSC imstande ist, sie in fairer Weise durchzuführen, sodass alle Athleten vergleichbare Zeit haben, die Bilder zu studieren.

Ob der Onsightmodus bleibt?

In der Debatte auf Alex Megos' Insta-Kanal schaltete sich mit dem Österreicher Kilian Fischhuber ein hochdekorierter Wettkämpfer und mittlerweile Trainer ein: "Ich finde es ok, die Bilder zu zeigen (...) Du musst das Problem immer noch selbst klettern." Doch auch er warnte vor Regeln, die das Wettkampfklettern potenziell deutlich verändern können: "Ich glaube aber, dass in den nächsten Jahren größere Änderungen drohen. Dem sollte man sich präventiv widmen. Die Bilder-Regel ist seit Monaten publik. Im Finale gibt's Besichtigung seit Jahren und hat sich gut etabliert. Das mit den Bildern wird auch normal und hoffentlich besser werden. Wichtiger ist aber, dass (der) Onsight(modus) bleibt. Das wird die Challenge der nächsten Jahre!"

Boulder-Weltcup Meiringen 2022
Jan Virt IFSC
Chloe Caulier mit Siegesgeste am Top eines Halbfinalboulders in Meiringen.

Eine weitere Regeländerung bringt mit sich, dass nun zwischen den Kletterzeiten, also den jeweils fünf (Halbfinale) oder vier Minuten (Finale), in denen die Wettkämpfer angreifen dürfen, 15 Sekunden für den Wechsel eingeplant sind. Dies mag eine Änderung im Hinblick auf besseres Zeitmanagement fürs Fernsehen sein, doch können die Kletternden davon nur profitieren: So haben nun alle Wettkämpfer einer Runde genügend Zeit, über die Matte zu ihrem Problem zu gehen, ohne dass die Kletterer der am entferntesten vom Eingang liegenden Boulder Nachteile haben, weil sie noch 20 Meter über die Matten sprinten müssen.

Die größte Änderung für Zuschauer und Interessierte ist für diese Wettkampfsaison allerdings die Wandlung vom Klettern als Nischensport zum Mainstreamspektakel: So werden die Wettkämpfe in Europa in diesem Jahr nicht mehr frei auf Youtube zum Stream gezeigt, sondern im Bezahlfernsehen bei Discovery+ oder Eurosport Player. Im Nachhinein lassen sie sich noch frei auf dem Olympic Channel ansehen.

Janja Garnbret beendet ihre Wettkampfsaison

Die slowenische Überkletterin errang in Meiringen – wenig überraschend – den ersten Platz. Danach verkündete Janja, die weiteren Boulderweltcups der Saison 2022 auszusetzen und sich dafür auf den Fels zu konzentrieren.

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IFSC Eddie Fowke
Janja Garnbret gönnt sich 2022 mehr Fels als sonst.