In diesem Artikel:
Der sechste Grad + Der siebte Grad + Der achte Grad + Der neunte Grad + So werdet ihr noch stärker – 3 Übungen + Tipps für den Sprung in den nächsten Grad
Besser klettern – aber wie? Auf unterschiedlichen Niveaus braucht es dafür unterschiedliche Ansätze: Was einen Sechser-Kletterer weiterbringt, ist nicht zwangsläufig auch für den Sprung in den neunten Grad hilfreich. Dennoch gibt es einige Ansätze, die für jedes Level relevant sind (siehe unten).
Besser werden beim Klettern
Wichtig für alle Kletterer ist natürlich, viel zu klettern. Das klingt selbstverständlich, wird aber gerade von trainingserfahrenen Kletterern gern übersehen. Im Ergebnis sieht man sehr starke Kletterer, die ihre Kraft nur bedingt an die Wand bringen können. Sie sind sozusagen übermotorisiert. Es bleibt also wichtig, viel zu klettern und dabei auch auf Bewegungsqualität zu achten. Dies lässt sich ergänzen durch Technikdrills wie leises Antreten, flüssiges Bewegen oder sinnvolles Ruhen an Schüttelpunkten.
Auch die Rolle der Psyche ist nicht zu unterschätzen. Sich locker zu bewegen und kreative Lösungen zu finden, sind Schlüssel zum guten Klettern. Sturzangst oder hausgemachter Erfolgsdruck sind hier die großen Faktoren, an denen sich zu arbeiten lohnt. Versucht den Prozess zu genießen, an schwierigen Stellen zu basteln. Es empfiehlt sich, für den Sprung in den nächsten Grad ein "freundliches" Projekt zu wählen. Die Route sollte euch inspirieren, euch gefallen, und vor allem: euch liegen. Sucht euch ein Projekt, dass euren Stärken entgegenkommt. Ein garstiges Testpiece zur Überwindung eurer Schwächen könnt ihr immer noch in Angriff nehmen, wenn die erste Route im neuen Grad gefallen ist und das Zutrauen in eure Fähigkeiten damit gewachsen.
Der sechste Grad
Um im sechsten Grad zu klettern, braucht man eine solide Technik-Basis und grundlegende Fingerkraft. Mit etwas Bewegungsgefühl und Entschlossenheit lässt sich ebenfalls viel erreichen. Schwierige Züge tauchen eher vereinzelt auf und die Last des Körpergewichts liegt hauptsächlich auf den Füßen, nur selten muss man sich komplett auf die Arme verlassen. Die für Sechser erforderliche Kraft und Klettertechnik lässt sich üblicherweise mit regelmäßigem Klettern erreichen.
Tipps
- Schön klettern
Achte auf flüssige Bewegungen, entspannte Atmung, setze die Füße möglichst leise und präzise, suche Lösungen, die sich "richtig" anfühlen.
- Herausforderungen suchen
Zwar gilt es einerseits, viel zu klettern. Suche dir trotzdem gelegentlich eine Herausforderung, für die du dich anstrengen musst. Wenn sie geschafft ist, versuche, sie flüssiger zu klettern. Das kann auch beim nächsten Mal oder eine Woche später sein. Wiederhole die Route oder den Boulder so oft, bis die Bewegungen leicht und flüssig von der Hand gehen.
- Kletterfrequenz
Gehe zwei Mal pro Woche klettern, um dich zu verbessern.
Der siebte Grad
Im siebten Grad weisen Routen deutlich kleinere Griffe auf als Routen im sechsten Grad. Hinzu kommen öfter athletische und überhängende Passagen. Um diese zu meistern, ist es öfter nötig, die Körperhaltung von vorwiegend frontal (Körpervorderseite ist zur Wand gerichet) zu häufigerem Eindrehen zu ändern und sich mit den Füßen zwischen den Tritten zu verspannen, also mit Hilfe von Körperspannung möglichst viel Last auf die Füße zu bringen. Gelegentlich müssen weitere Griff-Abstände gemeistert werden, hierfür ist Blockierkraft nötig. Im technisch-taktischen Bereich kommt es nun häufiger darauf an, sich die richtige Griff- und Trittfolge zu merken. Meist taucht auch die Notwendigkeit auf, an der Sturzgrenze zu klettern und gegebenenfalls einen Sturz in Kauf zu nehmen. Daher sind neben Krafttraining auch das Einprägen von Bewegungsabfolgen und das Sturztraining wichtige Inhalte, um sich weiterzuentwickeln.
Tipps
- Bouldersessions einbauen
Beim Bouldern lässt sich prima Finger- und Körperkraft aufbauen. Eine Bouldersession pro Woche bringt schon viel. Die Bouldersession muss nicht zwangsläufig an der Boulderwand stattfinden. Auch in schweren Routen kann man an schwierigen Zügen feilen und damit Kraft und Technik verbessern. Der Vorteil über dem Mattenboden ohne Seil ist aber, dass man sich hier meistens etwas freier bewegen kann und dementsprechend kreativer ist.
- Ruhepunkte nutzen lernen
Bei anhaltender Belastung ist es um so wichtiger, sich erholen zu können. Das heißt, dass man in der Lage ist, an einem mittelguten Griff zu schütteln und sein Energielevel zu stabilisieren. Und das heißt auch, Ruhepunkte überhaupt zu finden. Beides lässt sich prima beim normalen Klettern üben. Übertreibe es am Anfang etwas, das vergrößert den Lern-Effekt. Das heißt: Nutze jeden Ruhepunkt für ein kurzes Verschnaufen, finde möglichst viele No-Hand-Rests, und schüttle die Arme auch an nicht optimalen Griffen, um diese Fähigkeit zu trainieren.
Der achte Grad
Der achte Grad unterscheidet sich vom siebten hauptsächlich darin, dass die Belastung für Arme, Finger und Körperspannung größer werden. Die schweren Passagen werden länger, die Ruhepunkte weniger, und auch die einzelnen Züge werden härter. Im achten Grad ist saubere Technik unverzichtbar, und gesunde Kraftreserven braucht man auch. Kletterstellen in Achtern erfordern häufiger eine gewisse Dynamik, um Griffe zu erreichen. Drei mal pro Woche sollte man eine Einheit in der Halle oder am Fels einplanen, damit die nötige Substanz aufgebaut werden kann.
Tipps
- Dynamisieren
Schwung kann Kraft ersetzen und ergänzen. Wenn Dynamik noch nicht zu deinem Repertoire gehört, wird es jetzt höchste Zeit. Dazu gehört, mit der Hüfte und/oder den Beinen Schwung aufzubauen, so dass die Greifhand im toten Punkt der Bewegung am nächsten Griff landen kann. Übe mindestens ein Mal pro Woche gezielt, aber am besten generell beim Klettern, mit Schwung zu arbeiten, ohne dabei an Präzision zu verlieren.
- Athletik ausbauen
Im achten Grad ist eine gesunde Körperspannung und Oberkörperkraft nötig. Diese lässt sich prima durch regelmäßig ergänzendes Training an harten Zügen (Bouldern oder Ausbouldern von harten Routen) oder auch mit Körperkraftübungen aufbauen. Beim Bouldern gilt nun: Wer nicht stürzt, verschwendet Zeit. Die Züge müssen ans Limit gehen, regelmäßiges Fallen sowie das Basteln an schwierigen Zügen gehören dazu.
Der neunte Grad
Im neunten Grad geht es zur Sache. Die Züge sind alle schwer, und schütteln oder ausruhen kann man nur selten unter glücklichen Umständen. Das heißt, Maximalkraft, Kraftausdauer und Erholungsfähigkeit werden noch wichtiger. Spätestens jetzt ist gezieltes Training sinnvoll.
Tipps
- Fingerkraft-Training
Für ausreichend Fingerkraft zu sorgen, hat in den höheren Schwierigkeitsgraden Priorität. Zum einen, um schlechte Griffe festhalten zu können, zum anderen wird angenommen, dass starke Finger weniger verletzungsanfällig sind. Neben dem Fingerboard, an dem sich Maximalkraft und Kraftausdauer der Finger steigern lassen, sind Finger Curls (s. Bild unten) eine geeignete Methode zum Fingerkrafttraining. Auch das Training am Campusboard kann die Kontaktkraft der Finger deutlich verbessern.
- Körperkrafttraining
Neben dem üblichen Körperkrafttraining wie Bauchmuskel-Übungen und kletterspezifischen Übungen wie Hangeln oder Campusboarden gibt es gute Gründe, auch das Ausgleichs-training zu forcieren. Das Stärken der stabilisierenden Muskulatur an instabilen Geräten wie Ringen oder dem Schlingentrainer sorgt für Kraftzuwachs. Handstand und Co bringen viel für die nötige Schulterpower.
So werdet ihr noch stärker – 3 Übungen
Für mehr Fingerpower und Körperkraft: drei Ansätze, die sich bewährt haben.
Finger Curls
Finger Curls bringen Kraftausdauer für die Fingermuskeln. Hantel fest umfassen, dann langsam und kontrolliert die Finger herabrollen lassen. Wieder hochnehmen, Handgelenk bis zum Anschlag einrollen; drei Sätze, 8 bis 10 Wiederholungen.
Handstand Vorübung
Ein starker Schultergürtel sorgt für mehr Stabilität und Oberkörperkraft. Der Handstand oder Vorübungen wie diese (Bild oben) an der Wand machen Spaß und versprechen bei regelmäßiger Übung mehr Power für athletische Züge.
Bouldern, Bouldern, Bouldern
Bouldern bringt auf jedem Level etwas. Es macht Spaß und fördert Kreativität, Fingerkraft und Körperkraft. Wenn die beim Bouldern gewonnene Maximalkraft stimmt, können Ausdauer und Kletterfluss am Seil ausgebaut werden.
Hilfreich für den Sprung in den nächsten Grad
Trainingsprinzipien beachten! In regelmäßigen Abständen muss ein Trainingsreiz gesetzt werden, damit der Körper sich zur Anpassung genötigt fühlt. Alle paar Wochen sollte man den Belastungsreiz ändern oder variieren, da sich der Körper daran gewöhnt. Trainingsreize müssen auf den einzelnen Menschen individuell abgestimmt sein.
Suche dir Verbündete! Zusammen mit einem Trainingspartner klappt sowohl das Trainieren als auch das Projektieren besser als allein!
Wähle ein Projekt, dass gut erreichbar ist. Wenn es ein Route in der Halle ist, wähle eine möglichst frisch geschraubte, so dass sichergestellt ist, dass sie noch eine Weile da ist.
Regelmäßig in den Zielgrad einsteigen! Damit der Körper lernt, was gefragt ist, hilft es, regelmäßig in eine Route des gewünschten Grades hineinzugehen und zu versuchen, möglichst lange Passagen am Stück zu klettern. Dabei gilt es, viel auszuprobieren – und ganz nebenbei findet sich vielleicht die Route, die sich zum Projekt eignet.
Lerne aus deinen Fehlern! Wenn etwas nicht funkioniert, probiere eine andere Methode. Beobachte andere (bessere) Kletterer, schau dir Tricks ab, experimentiere und spiele mit verschiedenen Lösungsmethoden an schwierigen Zügen.
Mach deinen Kopf fit! Stelle dich auf die jeweiligen Anforderungen ein. Sei angriffslustig und entspannt zugleich. Lerne, dein Tempo der jeweiligen Kletterstelle anzupassen.