Klettergebiete bei Bergamo

Klettern bei Bergamo
6 geniale Klettergebiete nördlich von Bergamo

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Norditalien Urlaubstipp fürs Klettern: Nördlich von Bergamo wartet eine felsige Gegend mit über 50 Sportkletter­gebieten. Hier gibt's besten Kalk, nette Leute und viel Dolce Vita. Die Topklettergebiete im Überblick.

Klettern Bergamo: Portiera, Cornalba, Valgua, Onore, Valle dei Mulini, Colere
Foto: Georg Pollinger

In diesem Artikel:

Infos zum Sportklettern bei Bergamo

Klettern

Die Berge oberhalb von Bergamo sind Ausläufer der südlichen Kalkalpen. Schmale, teils sehr steile Straßen mit vielen Serpentinen führen zu idyllisch gelegenen Dörfern inmitten einer Hügellandschaft. Die Felsen sind meist über Pfade zu erreichen, welche durch wunderschönen Laub- oder Mischwald führen. Die Gesteinsart ist meist Kalk, wobei die verschiedenen Gebiete unterschiedlicher nicht sein könnten: von Reibungsklettern über wasserzerfressene Strukturen, Leisten, Kanten und Schuppen bis zu Sintern gibt es alles. Das Klettern in Bergamo ist generell eher technisch, da die meisten Gebiete vertikal oder leicht überhängend sind. Ausnahmen bestätigen die Regel: in Onore wird an Konglomerat geklettert, in Roncobello und am Pinnacolo di Maslana an Vulkangestein, dem sogenannten „Verrucano Lombardo“.

Lage

Die Provinz Bergamo liegt in der norditalienischen Region Lombardei am Südrand der Alpen mittig zwischen Lago Maggiore und Lago d‘Iseo.

Klettern Bergamo: Portiera, Cornalba, Valgua, Onore, Valle dei Mulini, Colere
Georg Pollinger
1. Portiera, 2. Cornalba, 3. Valgua, 4. Onore, 5. Valle dei mulini, 6. Colere

Die Landschaft ist geprägt von urigen Mischwäldern, Bergen und offenen Feldfluren. Für Kletterer interessant sind die „Alpi Orobie“ (Bergamasker Alpen), die bis über 3000 Meter hinaufziehen. Die meisten Sportklettergebiete sind zwischen 600 und 2000 Metern angesiedelt.

Anreise

Mit dem Auto auf der Brenner- Autobahn über Bozen nach Verona. Hier auf die A4 in Richtung Mailand abbiegen und bis nach Bergamo. Alternativ mit dem Flugzeug: Bergamo besitzt einen Flughafen, der zum Beispiel von Ryanair angeflogen wird. Ein Mietauto ist allerdings sinnvoll, um in die Gebiete zu kommen.

Beste Zeit

Herbst und Frühjahr sind ideal zum Sportklettern bei Bergamo, für schwere Projekte bietet der Winter oft die besten Bedingungen.

Ausrüstung

Die Sportkletterrouten werden laufend saniert und sind gut abgesichert – falls nicht, sind die Routen im Kletterführer markiert. Als Ausrüstung für die Sportklettergebiete reichen in der Regel Klettergurt, 14 Expressen (ein paar verlängerbare sind von Vorteil) sowie mindestens ein 70-Meter-Einfachseil.

Unterkunft

Agriturismo Stalle Alte, Bed & Breakfast, Località Ronco Trinità 20, 24015 San Giovanni Bianco, Bergamo, Italien, Tel. +39 (0)345 61010, www.agriturismo.it; Campeggio Clusone Pineta, Via Val Flesch 14, 24023 Fiorine, Clusone, Tel. +39 (0)34622144, www.campingclusone.it

Führer, Infos, Kurse

Yuri Parimbelli, Maurizio Panseri: Valli Bergamasche – Klettergärten und moderne Routen, Versante Sud, 2016, 33 € (Kletterführer direkt hier im KLETTERN-Shop bestellen). Aktuelle Infos gibt‘s im Bergsportladen Sport Tiraboschi, Via Cesare Battisti 23, 24019 Zogno, Tel: +39 (0)345 91237. Wer einen persönlichen Führer möchte: Maurizio Tasca, A. Mountain Guide, Tel: +39 (0)3453411480, maury-dh@hotmail.it.

Klettern Bergamo: Portiera, Cornalba, Valgua, Onore, Valle dei Mulini, Colere
Georg Pollinger
Klettern in Cornalba

Topkletterin und Local Angelika Reiner zum Klettern in Bergamo

Angelika Reiner
Monika Mehlmauer

Wie hat es dich nach Bergamo verschlagen und was ist für dich das Besondere hier?

Mein Freund ist aus Bergamo. Wir haben uns vor Jahren bei einem Kletterwettbewerb kennengelernt, der in seinem Dorf ausgetragen wurde. Da ich in Meran in Südtirol aufgewachsen bin und die Berge liebe, könnte ich mir nie vorstellen, irgendwo im Flachland zu leben. Bergamo hat aber eine schöne Berg- und Hügellandschaft mit einer ziemlich großen Auswahl an Klettergebieten, die Liebe hätte also nicht besser fallen können.

Welches sind deine Lieblingsgebiete und Lieblingsrouten?

Die bekanntesten und meiner Meinung nach auch schönsten Gebiete sind Cornalba und Valle dei Mulini. In Cornalba kann ich Fotonica, eine wunderschöne, technisch anspruchsvolle 6c empfehlen. In den höheren Graden ist Apache (8a) der eindeutige Klassiker des Gebietes. Die Route hat mich einige Versuche gekostet, da der vertikale, kleingriffige Kletterstil nicht meine absolute Stärke ist. Die Freude über den Durchstieg war dann aber umso größer. Die Route wurde 1986, in meinem Geburtsjahr eingebohrt und im Jahr darauf erstbegangen und ich konnte sie 2016 knacken, als wir beide 30 wurden.

Was macht das Klettern in Bergamo aus?

Das Klettern in Bergamo ist generell eher technisch, da die meisten Gebiete vertikalen oder leicht überhängenden Kalkstein bieten. Eine willkommene Ausnahme ist Onore, da klettert man an Überhängen aus Konglomerat. Außerdem gibt es einzelne Gebiete mit Vulkangestein, dem sogenannten Verrucano Lombardo. Zu diesen gehören das Sportklettergebiet Roncobello und die Mehrseillängenrouten am Pinnacolo di Maslana.

Klettern zwischen Bergen und Seen: Cornalba und Co

Ruhige Felsen, tolle Gebietsauswahl und Kalk vom Feinsten? Jenseits von Arco und Finale warten nördlich von Bergamo reizvolle Klettergebiete. Ein Besuch in Cornalba und Co.

Wer den Gardasee rechts liegen lässt und noch zwei Auto-Stunden dranhängt, findet zwischen Mailand und Brescia eine wunderschöne Berglandschaft, die extrem abwechslungsreichen Kalk zu bieten hat. Dazu ist Ruhe am Fels fast garantiert. Einst in aller Kletterers Munde ist die Gegend rund um Bergamo in einen Dornröschenschlaf gefallen. Dabei ist in den zahlreichen Sportklettergebieten für jeden Geschmack etwas dabei: von Sinterzangen über mikroskopische Leisten und steile Platten bis hin zu wasserzerfressenem Plaisir an Löchern und Schuppen. Kalk ist eben nicht gleich Kalk.

Wie in einem Adlerhorst

Zunächst tauchen wir in den grünen Dschungel von Valgua ein, mit elf Sektoren eines der größten Klettergebiete bei Bergamo. Auf einem schmalen Pfad geht es durch dichten Laubwald in ein enges Tal mit steilen, felsdurchsetzten Flanken. Von überall her sucht sich das Wasser seinen Weg, die Steine sind mit Farnen und Moosen bewachsen. Wie mögen wohl die Felsen aussehen? Den Bach querend steigen wir immer tiefer ins dunkle Blätterdach, bis wir sonnige Grasflanken erreichen. Auf einem schmalen Steg queren wir einen kleinen Wasserfall und erreichen über einen schmalen, ausgesetzten Pfad den Sektor Valguasia. Kleine Plattformen sind zum Stehen und Sichern hergerichtet, der Blick fällt von hier oben richtig weit in die Tiefe, wie aus einem Adlerhorst.

Vor allem in den steilen, kleingriffigen Routen der linken Wand hat das Klettern dadurch ein bisschen alpines Ambiente. „Ich wage einen Rotpunktversuch von Line on Fire (7a+), der schönsten Linie von Valguasia“, erklärt Marta von der einzigen Seilschaft außer uns hier oben. Kurz darauf klippt sie den Umlenker. Jetzt sind wir an der Reihe, uns an der glatten, weißen Platte zu versuchen, bevor uns die Hitze in den Sektor Poppa hinabtreibt. Dort lassen wir den Klettertag mit schönen Linien wie Vento in Poppa (6b+) und Luce dei miei Occhi (6c) ausklingen, während nebenan noch hart trainiert wird. Die Locals sind ambitioniert, vor allem aber gut gelaunt und herzlich, sodass wir zu einer Verabredung für den nächsten Tag kommen.

Geschichte zum Anfassen

„Willkommen in Cornalba! Hier wurde italienische Klettergeschichte geschrieben.“ Schon von weitem sticht uns der wunderschöne Fels oberhalb des kleinen Bergdorfes ins Auge, der liebevoll „Corna bianca“ (weißes Gehörn) genannt wird. Die grau-weiß melierte Wand mit schwarzen Streifen leuchtet aus einem sattgrünen Blätterdach hervor. Von Wind und Wasser glatt und rund geschliffen sieht man ihr bereits von weitem ihre Schwierigkeiten an. „Die Kletterei ist technisch sehr anspruchsvoll“, lächelt Maurizio und stellt uns den Cornalba Pionier Gian­andrea Tiraboschi vor, der ab den 80er-Jahren Routen einrichtete und zu fast jeder Linie etwas zu erzählen weiß.

„Anfang der 80er waren 6c und 7a das Maximum. Dann erschloss mein Partner Bruno ‚Camos‘ Tassi Routen, die zu echten Testpieces wurden“, erzählt Gian­andrea. Peter Pan (8a+), 1986 eine der ersten 8a Italiens, wurde erst 2010 von Adam Ondra onsightet, Apache (8a) sogar erst 2018 von Nico Favresse. Viele von Camos‘ Routen zählten zu den gefürchtetsten Routen Italiens. Jedi war 1988 eine der ersten 8b in Italien, und manche Linien wurden in 30 Jahren nur drei Mal wiederholt. Von „mikroskopisch kleinen Griffen“ schwärmt Adam Ondra, der mit Gold­rake die erste 9a+ in Cornalba befreite, und vom „besten Fels Italiens in diesem Stil“. Um der Schwierigkeit ein Gegengewicht zu geben (oder uns Normalsterblichen den Zugang zu dieser wunderschönen Wand zu ermöglichen), kamen in den letzten Jahren einige Linien hinzu, die in leichter Kletterei bis zum Gipfel führen. Auch hier kommt also jeder zum Klettern.

Klettern Bergamo: Portiera, Cornalba, Valgua, Onore, Valle dei Mulini, Colere
Georg Pollinger
Sinterkletterei in Corna San Peder im Valle dei Mulini

Giro di Plaisir

Seit gefühlten Stunden schleichen wir enge Passstraßen hinauf und hinunter, an unzähligen Kurven grüßen die Banner vom gestrigen Giro d‘Italia. Die vergleichsweise lange Anfahrt nach Colere gilt zwei tollen Klettergebieten: Am Fuße des stolzen Felsmassivs der Presolana liegt die Falesia Roby Pian­tony mit tollen Linien zwischen 4c und 7b+. Der raue, wasser­zerfressene Kalk erinnert an die bayerischen Voralpen, untypisch ist der Zustieg mit nur 15 Minuten. Auch die Linien sind traumhaft, mit Wasserrillen, Rissen, Schuppen und Löchern. Ob A Silvia (6a+), Gruppo Alpini Colere (6a+) oder Dulce de Leche (6c) – am besten, man klettert sich durch das ganze Gebiet, hier ist generell Plaisir vom Feinsten geboten!

Wer es bis zur Presolana geschafft hat, darf sich außerdem das Valle dei Mulini als „schönsten Klettergarten im Valle Seriana“ nicht entgehen lassen. Einem rauschenden Bach entlang geht es in ein idyllisches Tal mit wunderschönen Wänden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Im Sektor Giambi geht es an Löchern durch steile Platten, im Sektor Palestra Rossa erinnert der rote Fels mit seinen ausgeprägten Strukturen an überhängendes Konglomerat. Es ist einer der wenigen Felsen, wo selbst bei Regen geklettert werden kann. Noch einen Tick schwieriger geht es im Sektor Corna di San Peder her, wo schöne Sinterfahnen die bunte Wand durchziehen. In Stranezze (6c) oder Flirt (6c) zeigt sich der Fels von seiner schönsten Seite. Wer noch einen Grad drauf legen kann, wird in Melanconie (7a+) mit einem breiten Grinsen aussteigen (oder zumindest mit eisernen Unterarmen).

Es geht zur Sache

„Wollt ihr nicht mein geniales Projekt probieren?“, lockt Mara uns nach Portiera. Die Felsqualität sei einmalig, der Ort an sich ebenso – mit einem Grillplatz und einem „natürlichen Bierkühler“. Das wollen wir uns anschauen. Am berühmten San Pellegrino vorbei geht es tiefer ins Val Brembana und wieder ein paar steile Serpentinen hinauf. Nach einem kurzen Fußmarsch stehen wir vor dem Sektor Generatore. Zum Aufwärmen empfiehlt Mara die Route Quetzal (6b), die überraschend abwechslungsreich ist. Zwischen abschüssigen Griffen bietet der Fels tolle Strukturen und Leisten, sodass mit ein bisschen Fußarbeit auch Agapito Robles (6b+) und Garabombo l‘invisible (7a) gelingen.

Im Sektor El Pegra geht es dann zur Sache: Sergio startet gerade einen Rotpunktversuch von Pompadur (7c) und zeigt uns, wie beweglich man sein muss, um zu punkten. Der rundgewaschene, überhängende Fels fordert auch in Supersusy (7a+) Fingerkraft und Technik sowie schnelle Entscheidungen und präzise Fußarbeit. Im Sektor Casiopeia muss man dagegen das gesamte Können in wenige Züge komprimieren. Der vergleichsweise kleine Fels hat eine bissige Front, die alles fordert. Für die delikaten Bewegungen an Mikrogriffen in Maras Projekt Arimo (7c) braucht es aber vor allem eins: einen starken Kopf. Konzentriert und im vollen Flow tanzt Mara im zweiten Versuch durch diese tolle Route und punktet vor unseren Augen ihre erste 7c. „Brava Maretti, brava!“

Lebensfreude macht stark

Dutzende tolle Felsen mit genialen Routen sind schon eine Ansage. Was die Gegend um Bergamo aber zu etwas wirklich Besonderem macht, sind die Menschen. Es ist ein Gebiet, das klettertouristisch relativ unbekannt ist und wo man zumeist unter Einheimischen klettert.

Im Auto vor uns fuchtelt Mara wild mit den Armen, reißt den Kopf hin und her. Es ist ein Siegestanz anlässlich ihrer ersten 7c. Musik laut aufgedreht und heraus mit den Gefühlen. Vielleicht ist es ja auch das, was uns immer wieder nach Italien zieht? Diese Lebensfreude und die offen gelebten Emotionen? Und wenn der Spaß im Vordergrund steht, kommt der Erfolg von ganz allein.