Orpierre: das vielleicht beste Klettergebiet Südfrankreichs

Das vielleicht beste Klettergebiet Südfrankreichs
Top abgesichert mit Flair: Klettern in Orpierre

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Gut gesichert, prima Routenauswahl, alle Schwierigkeitsgrade: Was man zu dem vielleicht besten Klettergebiet zwischen Alpen & Provence wissen muss.

Klettern in Orpierre
Foto: Sam Bié

Orpierre ist das ideale Ziel für einen Kletterurlaub. Noch immer entstehen neue Routen.

Orpierre: Fels für alle

Von der steilen, horizontal geschichteten Platte über solche mit Tropflöchern bis zu wunderschön strukturierten Wänden und einigen kleineren Sintern fahren die Felswände um Orpierre alles auf, was qualitativ hochwertige Routen hervorbringt. In neun Sektoren mit unterschiedlicher Ausrichtung warten knapp 700 Routen in Schwierigkeitsgraden von 3c bis 8c, mit einem gewaltigen Anteil an Klettereien in mittleren Graden um die 5c bis 6c.

Und das ist genau das, wofür Orpierre steht. Dieses Klettergebiet gibt sich nicht elitär. Hier können alle sich wohlfühlen: von Anfängern bis zu erfahrenen Felsprofis. In vielen Sektoren ist die Auswahl an Schwierigkeitsgraden groß genug, so dass auch Gruppen mit unterschiedlichem Niveau Routen für alle finden.

Klettern in Orpierre
Sam Bié

In Orpierre warten unzählige Routen im fünften und sechsten Franzosengrad.

In allen Sektoren für Einsteiger und mit mittleren Schwierigkeitsgraden steht die Sicherheit an erster Stelle. Besonders entspannt lässt es sich in den Sektoren La Douce (13 Routen von 4a bis 5b), Les Racines du Ciel (27 Routen von 3c bis 6a), Cascade (38 Routen von 3c bis 6a), Les petits Loups (8 Längen von 3a bis 5a+) und 4 Heures (69 Routen von 3c bis 6b) klettern. All diese Sektoren eignen sich auch besonders für Familien mit Kindern.

Die gute Absicherung macht Orpierre zum Urlaubsparadies

Zur Beliebtheit der Klettereien von Orpierre trägt auch die gute Absicherung bei. Nahezu alle Zwischensicherungen sind geklebte Bolts und alle Standplätze und Umlenker sind mit Ketten versehen. Die Hakenabstände sind freundlich. In den am häufigsten gekletterten Mehrseillängenrouten sind die Standplätze sogar doppelt vorhanden, um Gedränge und Staus zu vermeiden. In den leichten Routen stecken die Bolts besonders dicht, um stressfreies Vorsteigen zu ermöglichen. In den schweren Routen sind die Abstände dann doch schon etwas größer. Nicht ganz so wie in Buoux, aber schon eher so, wie man sie in den meisten Klettergebieten antrifft. Klemmkeile und Friends sind in Orpierre nicht nötig.

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Sam Bié

Steil geht es für Sébastien Chéron und Marc Ménigault im traumhaft strukturierten Fels von Rêve de Papillons (6c, 150 m) im Sektor Adrech zur Sache.

Die Gemeinde hat verfügt, dass Routen derzeit nur von vier Ausrüstern eingerichtet oder saniert werden dürfen, alles Locals: Nicolas Jeannin und Pierre-Yves Bochaton sowie Brice und Benjamin Thomas. Das garantiert eine gewisse Qualitätskontrolle.

Aber vergesst bitte nicht, trotz aller Bemühungen: Es gibt kein Nullrisiko. In der Natur und erst recht in den Bergen ist jeder für sich selbst verantwortlich. Auch wenn Netze über manchen Sektoren hängen, um Steine abzufangen, sollte das nicht als Einladung gesehen werden, ohne Helm zu klettern. Leider zielen auch die Gämsen sehr gut.

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Sam Bié

Felsen ohne Ende: Vom Château bis Les Blaches ganz rechts zeigt das Panorama von Orpierre eine überwältigende Masse an kletterfreundlichen Kalkfelsen.

Die Felslandschaften rund um Orpierre

Rund um Orpierre verteilen sich acht größere Kalkmassive mit 30 bis 150 Meter Höhe. Alle Klettersektoren sind im Prinzip vom Ort aus zu Fuß erreichbar. In unmittelbarer Nähe liegen im Süden der kleine, erst kürzlich eröffnete Einsteigersektor La Douce und im Norden die Sektoren Château, Cascade und Belleric im Tal des gleichnamigen Wildbachs oder, je nach Jahreszeit, Rinnsals. Und dann gleich noch ein kleiner Wermutstropfen: Der stark überhängende und nach Osten ausgerichtete Sektor Le Puy auf der anderen Seite des Baches Céans ist vorübergehend wegen Steinschlaggefahr gesperrt (Stand Herbst 2023). Dadurch fällt derzeit leider ein steiler, nachmittags im Schatten liegender Sportklettersektor weg.

Östlich des Belleric schließt sich die große, langgezogene Wand des Quiquillon mit dem markanten Südpfeiler an. Weiter rechts folgen die Sektoren 4 Heures, Ascles, Adrech und Les Blaches. Eine knappe Stunde ist man vom Ort auf bequemen Wanderwegen bis zu den entferntesten Sektoren unterwegs. Und keine Bange: Verlaufen kann man sich wirklich nicht. Alles ist perfekt ausgeschildert. Wem der Zustieg zu diesen Sektoren zu lang ist, kann auch mit dem Auto oder natürlich auch mit dem Bike bis zum Parkplatz Adrech fahren. Der Anmarsch verkürzt sich dadurch auf 15 bis 25 Minuten mit deutlich weniger Höhenmetern.

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Sam Bié

Klettern mit Aussicht in Orpierre

Mehrseillängen für Anfänger und Fortgeschrittene

Orpierre bietet eine gute Auswahl an Mehrseillängenrouten, und viele Kletterer kommen eigens deswegen hierher. Kaum ein Gebiet eignet sich besser für den Einstieg in längere Routen: Es warten fester Fels, Sonnenschein, kurze und einfache Zustiege. sowie ein Rückweg zu Fuß. Und dazu viele Routen in unteren und mittleren Schwierigkeitsgraden. Der Fels ist größtenteils ausgerichtet nach Süden und Südwesten, mit der richtigen Höhe (150 bis 200 m), steil genug für schöne Klettereien und dem echten Ambiente einer großen Wand, aber schön gegliedert durch Bänder und Absätze, um nicht gleich zu abschreckend zu wirken. Garniert mit provenzalischem Charme und dem Duft von Lavendel und Thymian sowie ausreichend vielen Bohrhaken.

Die Mehrseillängenrouten in Orpierre sind zwar besser gesichert als in anderen Klettergebieten, Abenteuergelände bleiben sie aber trotzdem. Auf Wetterwechsel und gelegentlichen Steinschlag sollte man auch hier vorbereitet sein. Ein Helm gehört immer auf den Kopf und eine Stirnlampe im Rucksack kann auch nicht schaden. Die Bewertungen passen im Großen und Ganzen ohne böse Überraschungen. Die ersten Längen mancher Routen haben aber schon ordentlich Speck angesetzt. Da sollte man sich nicht wundern, wenn einem eine 5b oder 5c etwas schwerer vorkommt.

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Sam Bié

Die namensgebende Verschneidung haben Vanessa Pinheiro und Caroline Chéron in Dièdre Sud (5c, 170 m) am Quiquillon schon hinter sich.

Rund 40 Routen in Plaisirgraden und mit drei bis sieben Seillängen verteilen sich in der Südost-Wand des Quiquillon, am Ascle und am Adrech. Die Westwand des Quiquillon beheimatet härteren Stoff mit Seillängen von 6c bis 8a+. Am auffälligsten und mit der Klassiker schlechthin ist der Pilier Sud du Quiquillon (6b+, 7 SL), der direkt den markanten, einem Schiffsbug gleichenden Pfeiler hinauf zieht. Wer sich nach fünf Längen von 4b bis 6a+ den schwereren Part der Route ersparen will, weicht nach rechts aus und gelangt über den Dièdre Sud sowie zwei 5b-Längen entspannt zum Gipfel und kann die spektakuläre Aussicht genießen.

Etwas weiter rechts warten in der Südostwand des Quiquillon im Sektor Jungle en folie gleich eine ganze Reihe an äußerst lohnenden langen Routen. La Grotte (6 SL, 150 m) etwa geht nie über 5c hinaus. Ein wenig schwerer wird es in Brazil (5c+, 170 m) und La Princesse des Astres (6b oder 5c/A0, 150 m). Direkt zum höchsten Punkt am Gipfelgrat führt mit fast 200 Metern Kletterlänge Grand Coeur malade (6b, 8SL).

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Sam Bié

Wie ein Wahrzeichen thront der Südpfeiler des Quiquillon über Orpierre.

Während die langen Routen am Quiquillon schon eine gute Portion Erfahrung erfordern, sind die am Pilier Ouest de l‘Ascle ideal zum Einstieg ins Mehrseillängenklettern – etwa halb so lang und bestens gesichert. Und direkt gegenüber finden sich am Adrech sonnenbeschienene Plattenrouten mit bis zu 150 Metern in den Graden von 5c+ bis 6c (meist 6a). Ebenfalls bestes Übungsgelände bietet Les Blaches im Sektor Ombre – les Dalles mit Routen von 4b bis 5c und maximal drei Seillängen.

In den neueren Sektoren in Ruhe klettern

Sogar in Orpierre besteht die Chance, ganz in Ruhe klettern zu können. Generell ist in den Sektoren von Les Blaches schon mal weniger los als im ganzen Rest von Orpierre. Was natürlich am etwas weiteren Zustieg liegt. Aber auch daran, dass die Wand dort stark in viele kleinere Abschnitte gegeliedert ist. Da lohnt es sich dann, einfach um die Ecke in den nächsten Sektor zu schauen. Seit neuestem gibt es einen Sektor, der auch im aktuellen Führer noch nicht gelistet ist. Er liegt ums Eck vom Sektor Éternel Féminin und bietet einen kleine Auswahl an Routen von 5a bis 6b/c. Probiert es einfach aus. Ein weiterer ziemlich neuer und unbekannter Sektor ist Envers de 4 Heures mit ebenfalls moderaten Schwierigkeiten.

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Sam Bié

In ordentlich steilem Gelände ist Brice Thomas in Cul de sac (6c+)im Sektor Paroi jaune, les Blaches, unterwegs.

Der Sonne aus dem Weg zu gehen, ist in Orpierre gar nicht einfach, aber möglich. Nach Nordosten ausgerichtet liegt der Sektor Cascade bereits ab dem späteren Vormittag im Schatten. Wie der Name Ombre, Schatten, schon vermuten lässt, verdrückt sich die Sonne im Sektor Ombre – le Mur von Les Blaches schon früh ums Eck. Eine gute Wahl für den Nachmittag ab etwa 15 Uhr sind die Routen am Château. Die Westseite des Quiquillon mit ihren schwereren, langen Routen bietet sich an heißen Tagen am Vormittag an. Wirklich sommertauglich ist Orpierre aber nicht. Im Winter kann man zwar in der Sonne klettern. Insgesamt ist es aber doch eher kalt und ungemütlich. Zudem sind die Campingplätze geschlossen.

Weitere Info für den Kletterurlaub in Orpierre

Anreise: Das Örtchen Orpierre liegt im Süden des Départements Hautes-Alpes im regionalen Naturschutzgebiet der Baronnies Provencales. Von Norden erfolgt die Anreise am besten über Grenoble und den Col de la Croix Haute, von Süden aus der Provence über die A51 bis Sisteron. Mehrere landschaftlich sehr schöne Querverbindungen führen auch aus dem Rhone-Tal nach Orpierre.

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Sam Bié

Orpierre bei Nacht abgelichtet

Übernachtung: Vom kleinen Hotel über Gästezimmer und Gîtes bis zu Campingplätzen reicht die Auswahl. Orpierre ist für ein ganzes Spektrum an Gästen gut aufgestellt.
Camping: Mit dem Camping des Princes d‘Orange**** und dem Camping des Noyers* liegen zwei Plätze am Ortsrand direkt nebeneinander. Beide gehören dem Betreiber Koawa. (Tel.: +33 4 66 600 700, koawa.com). Etwa vier Kilometer Richtung Laborel/Buis-les-Baronnies liegt der Camping des Catoyes** (Tel.: +33 4 92 46 64 90, camping-lescatoyes.com).
Hotel: Das gemütliche Hôtel-Restaurant Le Céans liegt ebenfalls außerhalb von Orpierre in Richtung Laborel
(Tel.: +33 4 92 66 24 22).
Zwischen diesen beiden "Übernachtungs-Extremen" finden sich noch rund ein Dutzend Gîtes und Chambres d‘Hôtes. Alle Infos dazu auf der offiziellen Tourismuswebseite: sisteron-buech.fr
Noch ein kleiner Hinweis: Der Adrech-Parkplatz ist nachts (22 Uhr bis 6 Uhr) gesperrt. Wildes Übernachten ist dort verboten und wird auch kontrolliert und geahndet.

Essen, Trinken, Einkaufen: Kaffee, Bier, Eis und Speisen von der Pizza bis zu lokalen Spezialitäten gibt im Le Quarz III direkt am Rückweg von den Sektoren Château oder Belleric oder im Le Portail am Hauptplatz von Orpierre. Am Weg zum Campingplatz liegt Vival Orpierre, ein kleiner Supermarkt mit Bäcker. Markt ist in Orpierre immer am Sonntag Vormittag in der Zeit von Anfang April bis November. Die nächste Metzgerei, die Boucherie des 3 Vallées, findet sich in Pont Lagrand auf dem Weg nach Laragne-Montéglin. Ebendort gibt es auch einen größeren Supermarkt und weitere Geschäfte alles Art. Kein Chalk, zu wenig Exen dabei oder die Schuhe durchgeklettert? Kein Problem. Ersatz gibt es im Kletterladen Vertige Sport am Hauptplatz.

Klettern in Orpierre
Sam Bié

Nach dem Klettern an der Bar auf ein Kaltgetränk: Après-climb mit Blick auf die Felswände gehört in Orpierre dazu.

Maison de la Grimpe
Hier gibt es alle aktuellen Infos über Sperrungen oder Sanierungsarbeiten und allgemein zum Klettern in Orpierre und den anderen Gebieten der Gegend. Der Kletterführer ist dort ebenso erhältlich wie lokale Produkte und Souvenirs.

Andere Aktivitäten
Orpierre ist nicht nur eine perfekte Kletterdestination, die Gegend eignet sich auch bestens für Touren mit Rennrad oder Mountainbike. Abkühlung nach dem Klettern liefern das örtliche Freibad oder die Gumpen in der Gorges de la Méouge bei Châteauneuf. Und ein Spaziergang durch die mittelalterlichen Gassen von Orpierre lohnt sich immer.

Führer und Infos: Topaktuell in der Auflage von 2023 ist "Orpierre, le village qui grimpe" von Pierre-Yves Bochaton und Marion Deidda. Neben den Felsen von Orpierre werden darin noch die Baume Rousse bei Châteauneuf de Chabre und Sigottier beschrieben. Kletterführer Orpierre hier direkt im klettern-Shop bestellen (32€)
Weitere Infos gibt es im Web unter: orpierre-escaladedurable.com

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