Neue Klettergebiete im Maggiatal

Abgesehen vom Plaisir-Mekka Ponte Brolla war das Valle Maggia für Sportkletterer lange Zeit ein Niemandsland. Doch in den letzten Jahren sind dort viele lohnende Wände erschlossen worden. Wir stellen die neuesten Felsen vor. Wir beginnen mit den neueren Gebieten (inklusive Topos!) und listen weiter unten noch die etablierten Topgebiete.

Allgemeine Info zum Klettern im Maggiatal

Lage und Anfahrt: Über Gotthard- oder Bernardinopass bis zur Autobahnausfahrt Bellinzona Sud und dort in Richtung Locarno. Kurz nach dem 5,5 km langen Tunnel rechts der Beschilderung ins Vallemaggia folgen.

Übernachtung: Im Maggiatal gibt es Unterkünfte für jeden Geschmack und Geldbeutel (ascona-locarno.com). Wildes Campen ist verboten, die Bußgelder sind hoch! Campingplätze gibt es in Avegno (camping-piccoloparadiso. com) und Gordevio (tcs-camping.ch/gordevio). In Bignasco befindet sich ein Wohnmobil- Stellplatz.

Kulinarisches: Die Bar Orrido in Ponte Brolla ist perfekt für ein Après-Climb-Getränk, auch gibt es sehr gute Hamburger. In Avegno bieten mehrere Grotti traditionelle Gerichte in typischem Tessiner Ambiente an. Die beste Pizza bekommt man im Restaurant Mare e Monti in Ronchini. Das Restaurant des Öko-Hotels Cristallina in Coglio bietet köstliche vegetarische und vegane Gerichte, alles mit lokalen Bioprodukten. Im Val Bavona gibt es nur drei Restaurants: das Grotto Baloi in Fontana, das Restaurant Froda vis à vis des Foroglio-Wasserfalls und das Restaurant Basodino in San Carlo. Im von Kletterern geführten Mate y Moka in Sonlerto kann man den Tag ausklingen lassen, oder auch übernachten. Im Valle Lavizzarra empfiehlt sich das Grotto Pozzasc in Peccia mit leckerer Tessiner Küche.

Einkaufen: Im Dorf Maggia gibt es drei Supermärkte (Coop, Migros, Denner) und eine Apotheke. In Cevio befindet sich ein Coop, weiter talaufwärts gibt es keine Lebensmittel-Läden.

Ausrüstung: Für alle beschriebenen Gebiete genügen ein 70-Meter-Einfachseil und 15 Expressschlingen. Nur für einzelne extralange Routen ist ein 80-Meter-Seil erforderlich.

Führer, Infos und Topos

Alle vorgestellten Kletterge- biete sind nicht oder nicht vollständig (Holy Hole) in den aktuellen Tessin-Führern ent- halten. Unsere Topos sind auf den Stand August 2023 aktua- lisiert, Holy Hole und Balom di Franc exklusiv für uns. Topos und Infos zu den Gebieten Stairway to Heaven, Solarium, Coglio, Balom di Franc (Stand 2022) und Haze Jane findet ihr unter klettern.de/tessin. Für Gannariente existiert noch kein Topo. Die aktuellen Sportkletterführer fürs Tessin sind: Egon Bernasconi: Tessin Rock – Klettergärten, 480 Seiten, deutsch, Versante Sud, 2021; 35 Euro (direkt hier bestellen); Glauco Cugini: Kletterführer Tessin, 576 Seiten, italienisch/ französisch/deutsch, SAC- Verlag, 2021.

Ponte Brolla: Stairway to Heaven

Stairway to Heaven ist ein kleines Felsjuwel, perfekt für Liebhaber von Überhängen. Dario Koch hat auf dem rötlichen, relativ gutgriffigen Gneis einige wunderbare Linien eröffnet. Zwar sind es nur neun Routen von 7a bis 8a+ sowie drei Projekte, doch ein Besuch dieses Unikats lohnt sich auf jeden Fall, idealerweise im Frühjahr oder Herbst. Wer den 30-minütigen, relativ anstrengenden Zustieg von den Parkplätzen an der Hauptstraße hinter sich gebracht hat, wird angesichts der schönen Linien, die nicht nur Muskelmutanten vorbehalten sind, die Mühen schnell vergessen.

Avegno: Solarium

Die von der Hauptstraße aus sichtbare Wand ist eine gute Option für Winternachmittage, denn – wie der Name schon andeutet – ist sie voll der Sonne ausgesetzt, in der kalten Jahreszeit von 11:30 bis 16:30 Uhr. Die Kletterei ist senkrecht bis leicht überhängend, die kniffligen Passagen finden sich meist im unteren Teil, danach verlieren die von Herbst 2021 bis Frühjahr 2022 erschlossenen Routen etwas an Kontinuität. Im linken Wandteil geht es deutlich ernster zu – sowohl was die Schwierigkeiten als auch die Hakenabstände betrifft. Insgesamt warten hier 25 Routen von 5b bis 8a+, von denen manche bis zu 37 Meter lang sind.

Coglio und Giumaglio

Super Gravity (7c+) ist keine Highend-Route, aber mit ihrer unvergleichlichen Lage in der Schlucht des Giumaglio- Baches kann sie unvergessliche Momente bescheren. Wer mehr Felshunger hat, findet in unmittelbarer Nähe einige interessante Optionen, um sowohl die Zehen als auch die großen Muskelgruppen zu testen. Auf der anderen Seite der Schlucht, auf einer gemütlichen Terrasse, warten sechs kurze, aber anspruchsvolle Linien in perfektem Fels: eine 6a, eine 7c+, eine 8a, eine 8a+ und zwei Projekte. Weitere Herausforderungen finden sich wenige Minuten von Giumaglio entfernt, am Rande des Dorfes Coglio im Sektor Basciòta. Hier befinden sich fünf athletische, stark überhängende Routen von 7b bis 8b sowie einige Projekte. Unbedingt einen Versuch wert ist die äußerst ästhetische Kante von Lex noctis (ebenfalls 7c+).

Riveo: Haze Jane

Der Gneis hier ist wahrscheinlich der beste im ganzen Tal und erinnert sehr an die Riviera. Seine kompakte, griffarme Struktur sorgt für Oldschool-Kletterei an Linien, die eine interessante Mischung aus Technik, Kraft und Ausdauer fordern. Auf keinen Fall verpassen sollte man die Route Grand Cru (8a), die einem Riss durch den beeindruckenden goldenen Schild folgt, der die Wand prägt. Dieses neue Gebiet teilt sich in zwei übereinander liegende Sektoren, die von der Hauptstraße gut sichtbar und in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar sind. Der obere Sektor weist ein Dutzend Routen von 6b bis 8a+ auf, der untere Sektor bietet derzeit erst vier Linien.

Charakter: Südexponierte Wand, ideal sind Februar und März, dann scheint hier die Sonne von 9 bis 15 Uhr. Der Wandfuß ist sehr gemütlich, aber nicht für Kinder geeignet, da er sich auf einem Balkon befindet. Zugang: Auf dem öffentlichen Parkplatz in Riveo parken (GPS 46.29661, 8.63244). Von hier zwischen den Häusern hindurch und auf den Weg in Richtung Süden abbiegen. Nach etwa 170 Metern überquert der Weg einen Bach (fast immer trocken). Dort weist ein Schild ("Haze Jane") nach links. Diesem und weiteren Holzschildern in 10 Minuten zum Fels folgen.

Valle Bavona 3.0

Drei sehr unterschiedlichen, sehr schönen Felsen für jeden Geschmack und vor allem für alle Schwierigkeiten: La Prèsa mit seinen langen Routen, die in ausgeprägten Überhängen enden, Bavanger mit seinen kurzen und intensiven Linien in starken Überhängen und Holy Hole mit seinen surrealen Löchern bieten eine breite Palette von Stilen für insgesamt über 70 Routen mit Schwierigkeiten von 5b bis 8a+.

San Carlo: Holy Hole

Holy Hole, da diese Wand meiner Meinung nach mit die schönsten, unterhaltsamsten und ungewöhnlichsten leichten Klettereien im ganzen Tessin bietet. Die Linien durch den schwarzen Kalkschiefer sind mit Löchern aller Formen und Größen übersät. Die Routen sind für unsere Breitengrade absolut ungewöhnlich, und die Lage in einem der wildesten Täler des gesamten Alpenbogens ist einfach unglaublich.

Charakter: Westexponierte Wand auf 1000 Metern. Außergewöhnliche Klettereien an löchrigem, schwarzem Kalkschiefer, die meisten Routen bewegen sich von 5b bis 6c. Zugang: Von San Carlo in Richtung Seilbahn. 100 Meter vor der ersten Kehre parken. An der Kehre biegt eine gesperrte Straße ab. Dieser bis zu ihrem Ende auf einer Wiese folgen. Am rechten Ende der Wiese markiert ein Fixseil den Beginn des Zustiegsweges zur Wand (ca. 30 Minuten ab Parkplatz).

Balom di Franc, Sektor Picaduro

Dieser riesige Felsbrocken, der sich kurz nach dem Dorf Fontanellata direkt am Straßenrand befindet, bietet unterhaltsame und interessante Routen. Kein Zustieg, das breite Schwierigkeits-Spektrum von 3a bis 8b+ und dazu noch eine ebene Wiese zwischen den beiden Felsblöcken ermöglichen es, auch mit kleinen Kindern im Schlepptau zu klettern. Die verschiedenen Grade bieten auch unterschiedlich starken Klettergruppen genug zu tun.

Charakter: Eine Minute Zustieg, eine hübsche Wiese sowie schöne, abwechslungsreiche Klettereien von 3a bis 8b an perfektem Gneis machen dieses Gebiet ideal für Familien mit Kindern oder inhomogene Gruppen von Kletterern. Beste Zeit sind Frühjahr und Herbst. Zugang: Die drei Blöcke befinden sich direkt neben der Straße zwischen Fontanellata und Sonlerto (GPS Parkplatz 46.38791, 8.54061).

Der Bergsturz von Gannariente

Generell findet man hier kurze, boulderlastige Routen, manchmal ist aber auch eine gewisse Ausdauer gefordert. on einem großen Felsblock mit einer großartigen Linie, die kaum als Highball zu klettern und für mich auch zu futuristisch war. Giuliano Cameroni eröffnete einige spektakuläre Routen wie Father & Son (8b+) und Mojo Rising (8c) sowie Baba Jaga, Giulianos zweite 9a. Ebenfalls in den Überresten des großen Felssturzes erschlossen wir mit Samuel Ometz den Kontacky-Block mit einigen deutlich leichteren Routen.

Valle Lavizzara

Das Lavizzara-Tal beginnt in Cavergno und führt hinauf zu der idyllischen Alpenlandschaft der Naret-Seen. El Cat ist inzwischen ein Opfer seines Erfolgs geworden, an schönen Herbst- und Wintertagen muss man hier allzu oft mit einer Eintrittskarte anstehen, um klettern zu können.

Überblick: Die besten Sportklettergebiete im Valle Maggia

ROVINE DEL CASTELLIERE

DAS klassische Plaisir-Gebiet des Tessins über Ponte Brolla. Sehr sonnig und wintertauglich warten hier rund 120 genüssliche Routen überwiegend zwischen 3a und 6a, darunter einige mit mehreren Seillängen. Es dominieren Reibungskletterei und kleine Leisten.

AVEGNO TORBECCIO

Sieben ostexponierte, abwechslungsreiche Sektoren bieten 171 Routen für jeden Bizeps: Ideal für Einsteiger und Kinder ist der Sektor Placche, für die mittleren Grade sind Aspis, Zufolo und Zio Fiasco empfehlenswert. Underzero wiederum bietet herausragende Klettereien im 7. und 8. Franzosengrad.

SOMEO

Acht vielfältige Felsen mit über 130 Routen und unterschiedlicher Exposition machen Someo zum beliebten Ziel. Im sommertauglichen Secret Garden findet sich auch leichtere Kost, in den anderen ist unter 6b wenig zu holen, dafür warten unzählige Toprouten. Für Könner besonders lohnend: Red Island, Panorama, Gola Profonda und Distilleria.

CEVIO

Zum klassischen "Cevio vecchia", der einzigen regensicheren Wand des Valle Maggia, sind einige lohnende Gebiete hinzugekommen: die Cevio River Gorge für heiße Tage, Giardino di Albert mit fürs Tessin ungewöhnlichen Ausdau- errouten in den oberen Graden, der großartige, kompakte und rötliche Gneis von Goldensciaur (erst ab 7a interessant) und der südostexponierte Riegel von Barakas mit rund 45 Routen bunt verteilt von 6a bis 7c.

LINESCIO

Erst ab 2018 wurden die vier Sektoren der Geisha Walls am Eingang des Valle Rovana erschlossen, sie erfreuen sich aber seither großer Beliebtheit. Über 70 Routen von 6a bis 8b, südseitig und in toller Lage lassen nichts zu wünschen übrig.

BRONTALLO

Obwohl auf 800 Metern gelegen, zählt El Cat zu den beliebtesten Winterfelsen des Tessins. Die meisten Routen bieten zwei Seillängen, die erste zwischen 6a und 7b, für die Verlängerung muss man meist noch mehr bieten. Aus unerfindlichen Gründen weniger beliebt ist Terra di Mezzo mit knapp 30 tollen Ausdauerrouten von 6b bis 7c, ideal im Frühjahr und Herbst.

PRATO

Rund 80 Routen von 3a bis 8c, Platten, Überhänge, Kanten, Risse und Leisten, mal ausdauernd, mal boulderlastig – ein heißer Kandidat für den Titel des vielfältigsten Sportklettergebiets im Tessin. Neben Kraft ist hier auch Technik gefragt, die beste Jahreszeit für die auf 950 Meter gelegene, westexponierte Wand ist der Herbst. Manko: Nach Regen bleibt vor allem der linke Wandteil lange nass.

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