Bis vor wenigen Jahren war der Südschwarzwald noch ein weißer Fleck auf der Kletterlandkarte – zumindest überregional betrachtet. Deshalb machen wir einen Trip von den Felsen bei Freiburg bis zum Feldberg. Die wichtigsten Fels-Infos gibt's hier, die Story zum Trip weiter unten.
Überblick: Die 5 besten Felsen des Schwarzwalds
Kostgfäll
Allein schon wegen der idyllischen Umgebung gehört dieses abgeschieden gelegene Traditionsgebiet auf unsere Liste. Die Routen verteilen sich auf drei Sektoren und bieten abwechslungsreiche Kletterei in festem, griffigem Gneis. Die Palette reicht von Platten über Risse und Verschneidungen bis zu kleinen Überhängen. Die Absicherung ist meist gut. Ein paar Keile beruhigen in manchen Routen die Nerven. Wer hier klettern will, muss sich allerdings informieren: Zwei der drei Felsen sind gelegentlich im Frühjahr (bis Ende Mai) wegen Vogelbrut gesperrt.
Lage: Im einem steilen Tal nordöstlich von Simonswald.
Routenangebot: 54 Routen von 4+ bis 9, die meisten davon im 6. und 7. Grad. Routenlängen bis 10 bis 30 m.
Kandelfelsen
Der über 1200 Meter hohe Kandel ist eines der beliebtesten Ausflugsziele im ganzen Schwarzwald. Zum Glück liegen die Felsen etwas tiefer am Hang und somit abseits vom Touristenrummel. Was aber nicht bedeutet, dass hier nichts los ist. Die Kandelfelsen haben für Freunde gemäßigter Schwierigkeitsgrade eine große Auswahl zu bieten. Die gute Absicherung nach der Sanierung hat die Beliebtheit noch gesteigert. Keile und Friends können je nach Route und Klettervermögen gelegentlich nicht schaden .
Lage: Beim gleichnamigen Gipfel zwischen Waldkirch und St. Peter.
Routenangebot: 111 Routen von 2+ bis 8+/9-, rund die Hälfte davon bis zum 5. Grad. Routenlängen bis 30 m.
GfällFelsen
Das Hausgebiet der Freiburger besteht aus einem Gewirr aus Wänden und Türmchen. Der Gneis im Gfäll ist aber nicht nur im Großen stark gegliedert. Auch im Kleinen ist der Fels für ein Urgestein zum Teil sehr strukturiert, außergewöhnlich kletterfreundlich und handschmeichelnd. Und weil es immer irgendwas zum Festhalten gibt, sucht man auch hier die ganz harten Klettereien vergeblich.
Lage: Südlich von Oberried, etwa 16 Kilometer südöstlich von Freiburg.
Routenangebot: Über 130 Routen von 3 bis 8+, davon über die Hälfte bis zum 5. Grad. Routenlängen bis 70 m.
Altvogelbachfelsen
Klettern pur ist im südlichsten Ziel unserer Runde angesagt. Über die nahe Straße kann man dabei getrost hinwegsehen. Das Gros der Routen verteilt sich auf zwei Felsen mit durchweg lohnenden, gut bis sehr abgesicherten Linien.
Lage: Östlich von Müllheim, unterhalb der Straße zwischen Badenweiler und Marzell.
Routenangebot: 66 Routen von 3 bis 8+, überwiegend im 5. und 6. Grad. Routenlängen 8 bis 25 m.
Todtnau
Ein lokaler Kletterclub, die Kletterfreunde Todtnau, hat hier in aller Ruhe seit den 80er-Jahren ein Klettergebiet geschaffen, das sich sehen lassen kann. Der Gneis ist nicht so fein ziseliert wie in den Klettergebieten auf der Rheinseite des Schwarzwalds. Mit seinen größeren, kantigen, oft auch anstrengend abschüssigen Strukturen gefühlt eine Art Urgesteinsmix aus Gneis und Granit. Infos: www.kletterfreunde-todtnau.de
Lage: Mitten im Hochschwarzwald, direkt beim Freibad von Todtnau.
Routenangebot: 100 Routen von 3 bis 9-, drunter viele leichte und mittelschwere. Routenlängen 10 bis 30 m.
Führer und Infos: Aktuelle Infos zu Sperrungen und neuen Routen, wie etwa im Gfäll, gibt es auf der Webseite der IG Klettern Südschwarzwald: www.igklettern-suedschwarzwald.de. Der Kletterführer Schwarzwald Band Süd (3. Auflage 2021) aus dem Panico Alpinverlag beschreibt auf rund 350 Seiten 21 Gebiete zwischen Schramberg im Norden und Waldshut im Süden. (Hier im klettern-Shop für 34,80 Euro direkt bestellen)
Story: Ein Hochgenuss! Klettern im Südschwarzwald (von Achim Pasold)
Knapp 200 Kilometer misst der Schwarzwald in Nord-Süd-Richtung, und ob ihr wie wir auf der A5 in Richtung Süden unterwegs seid oder mit der Rheintalbahn – links ist immer nur Wald, Wald und nochmal Wald. Felsen? Sieht man keine. Die sind nämlich so weit verstreut, so weit oben und so im dichten Wald versteckt, dass sie nur findet, wer um sie weiß. Also aufgepasst: Wir machen einen Trip in die besten Gebiete des Schwarzwalds, und zwar die mit genialem, festen Fels: Hier lässt sich herrlich am Urgestein klettern. Dazu scheint die Sonne im südwestlichen Südwesten des Musterländles, im Markgräfler Land, so viel und so warm wie nirgendwo sonst in Deutschland.
Ich jedenfalls bin allein schon wieder von dem Ausblick begeistert, der sich vom Kandelfels bietet – hinunter in die 800 Meter tiefer liegende Rheinebene (… hallo: wir sind immer noch im Mittelgebirge! Das größte und höchste Mittelgebirge Deutschlands übrigens) und darüber hinweg zu den Vogesen. Der von Rissen durchzogene Gneis an den zum Tal hin ausgerichteten Felsriffen ist herrlich rau, etliche Bereiche sind nicht all zu steil, auch nicht all zu hoch und ganz viele Routen auch nicht all zu schwer. Genau das Richtige, um nach der Halle draußen am Fels Tritt zu fassen. Wir steigen gleich ganz hinunter zur Unteren Südwestwand, wo ein Dutzend Routen und Varianten zwischen 3+ und 6 warten. Da heute wenig los ist, arbeiten wir uns von links nach rechts durch, wobei das Niveau nach rechts hin anzieht, aber trotzdem genüsslich bleibt. Nach der letzten Route traben wir auch nicht außen rum hoch, sondern schultern den Rucksack. Auf dem leichten Petersgrat (3+) kraxeln wir ein letztes Mal hoch und weiter über das gesamte Riff bis ganz oben. Zusammen mit der beachtlichen absoluten Höhe über dem Tal kommt da fast ein Hauch von Bergsteigen auf.
Vor den Toren von Freiburg
Gfäll nennt sich das weitläufige Gebiet, was sich von Gefälle ableitet und für den in der Tat steil abfallenden Wald, in den die Felsgruppe eingebettet ist, ziemlich gut passt. Hier lässt sich mit dem Bus oder dem Fahrrad anreisen, mit der halben Stunde Aufstieg und der Kletterei und man hat einen eleganten Triathlon beieinander. In wie viele einzelne Felsen man das Gebiet gliedert, ist Geschmacksache, es sind aber auf jeden Fall genug Blöcke, Wände und Türme, um den Durchblick zu verlieren. Gebietsneulinge schauen sich tunlichst die Lagekarte im Kletterführer genau an und orientieren sich vom Vorderen Fels aus, dem ersten Sektor, auf den man trifft. Wer es knackig mag, bleibt am besten gleich dort. Der Große Schleier (8-) und die Weiche Konstruktion (8+) sind die Testpieces im Gebiet, und zum Aufwärmen finden sich genug lohnende 6er und 7er, aus denen die Schleierkante (6+) herausragt. Die knappe Hälfte des Routenangebots liegt aber auch hier im Schwierigkeitsbereich bis 5+, und die anderen Felsen sind noch zugänglicher. Also nichts wie hin, denn uns steht der Sinn erst mal nach langen, leichten Routen, die schwereren Kaliber heben wir uns fürs Tagesfinale auf – warmgeklettert. Auf dem Felsenweg schlendern wir am Buchenfels vorbei, am Warmen Fels und an den Klapfen der Studentenweggruppe, die bis an den Wanderweg reicht. In dieser Ecke hat sich während der Pandemiezeit noch einiges getan. Wirklichkeit und Kletterführer-Topo passen hier nicht mehr zusammen. Wer sich den Durchblick will, sollte auf die Seite der IG-Südschwarzwald schauen.
Das imposante, vergleichsweise wenig besuchte Bauerntürmle – einen richtigen, freistehenden Gipfel – lassen wir wenig später links unterhalb liegen und gelangen zur Rhodewand, dem mit bis zu 70 Metern höchsten Fels im Gfäll, der schon vom Tal aus unübersehbar war. OK, manche Routen sind etwas inhomogen, und jetzt liegt wie immer im Frühjahr etwas herabgeschwemmter Dreck auf den Platten, und ja: Das Gemüse auf den Bändern lässt sich auch nicht völlig wegdiskutieren. Aber die Gegenargumente sind gewichtiger: drei Seillängen, mal wieder Standplatz bauen, nachholen und weiterklettern, hoch über dem Tal einen Hauch von Bergsteigen atmen. Dafür kann man schon mal über kleine Schönheitsfehler wegsehen. Und ganz links, an der Secrets of Geierwally (5), finden wir nichts auszusetzen. Ein uneingeschränktes Vergnügen mit dem Sahnehäubchen ganz oben. Wie bei allen anderen Routen wird auch bei dieser ausgestiegen. Über die Wand abzuseilen, ist verboten. Ganz abgesehen davon, dass man dann nicht an den darüber liegenden Oberen Felsen vorbei käme, und das wäre echt jammerschade.
Birkenwändle, Zähringerfels und das Zigeunerwändle sind zwar nicht annähernd so hoch, aber – zumindest für meinen Geschmack – die Prunkstücke im Gebiet. Das Gestein ist hier oben herausragend gut, und auch eingefleischte Kalkkletterer, die am Urgestein wegen der strukturlosen, großen Dimensionen gerne herummäkeln, dürfen ihre Vorurteile getrost über Bord werfen. Das hier ist kein granitmäßig ungegliederter Rauhputz für Hau-Ruck-Rampfer, sondern strukturierter, im Detail fein ziselierter, teils von feinen Quarzadern durchzogener Gneis für Edeltechniker. Das Direkte Birkenwändle (4) muss sein, am Zähringerfels Black & White (6+), die lehrbuchmäßige Piazschuppe (5+) und die Superdirettissima (6) am Zigeunerwändle könnte ich jeden Tag klettern – nicht besonders hoch, aber Fels zum Schwelgen. Auf einem kleinen Pfad geht es in einem Bogen zurück zum Vorderen Fels, wo noch die Schleierkante auf uns wartet – ein würdiges Finale, bevor es wieder ins Tal geht.
Einmal auf die andere Seite
Wir planen unsere Ausfahrten gerne als Giro und wollen über und quer durch den Schwarzwald zurück auf die schwäbische Seite. So führt uns der Umweg tags darauf am Altvogelbachfels vorbei. Der liegt wenig idyllisch unterhalb der Straße, die von Badenweiler zum Hochblauen hochführt. Aber an Kandel und Gfäll haben wir zwei Tage eine solche Überdosis Landschaft gehabt, dass jetzt auch mal die schiere Kletterei im Mittelpunkt stehen darf. Und die ist am Altvogelbachfels ziemlich gut. Die Wände sind steiler als am Gfäll, entsprechend ist das Niveau gehobener und alles strengt uns etwas mehr an. Aber die Absicherung ist perfekt, das Routenraster teils ziemlich eng gestrickt. Die Deutelmoser/Sundowner-Kombi (6-) muss sein und No easy Way out (7-/7), die vielleicht schönste Route am Fels. Leider ist es an dem schattigen Fels noch etwas feucht und wir ziehen weiter, über die Schwarzwaldhöhen hinüber ins Wiesental und nach Todtnau.
Der südseitig direkt über dem kleinen Luftkurort stehende Schwimmbadfels bietet heute die besseren Bedingungen. Der Zustieg ist kurz, der Fels – Gneis! – ist hier deutlich steiler als an Kandel oder Gfäll und die Kletterei insgesamt athletischer, bisweilen stellt sich sogar ein kleines Dächlein in den Weg. Auch in Todtnau bewegt sich die Hälfte der Routen im Niveau bis 5+, aber das ist zum großen Teil dem plattigen, halbjährig gesperrten Klingelefels geschuldet. Am Schwimmbadfels ist der Anteil an Genussklettereien doch deutlich geringer. Von denen steigen wir noch ein paar, dann ist der Dampf für heute raus – wir kommen wieder!
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