Hard Facts: Info zu den besten Klettergebieten in der Mitte Deutschlands
Das Sandstein-Kletterbiet des Göttinger Waldes liegt östlich und südöstlich der niedersächsischen Universitätsstadt Göttingen. Es erstreckt sich von Nörten-Hardenberg bis hinein ins Thüringische Eichsfeld. In der südlich gelegenen Hessischen Schweiz gibt es ein paar nette Kalkfelsen. Die Felsen des Göttinger Waldes sind relativ gut mit öffentlich Verkehrsmitteln oder mit dem Bike zu erreichen.
Unterkunft: Wer ein festes Dach sucht, dem wird unter www.goettingen-tourismus.de geholfen. Es gibt natürlich auch ein paar Zeltplätze:
• Camping Seeburger See: www.campingseeburgersee.de
• Campingplatz Reiffenhausen: www.camping-reiffenhausen.de
• Campingplatz Thalwenden: www.bergwiese-thueringen.de
• Camping-Oase Werratal: wwww.camping-oase.de
Verpflegung, Kneipen, Après-Climb: Göttingen ist eine Universitätsstadt. Damit ist kneipentechnisch eigentlich alles gesagt. In den Dörfern gibt es auch nahe bei den Felsen ein paar ansprechende Locations.
Die besten Felsen
Mariaspring: 18 m hohe Sandsteinwand bei Bovenden, 53 Routen, Grade 3 bis 9+
Klappenhauwand: 15 m hohe Sandsteinwand bei Ebergötzen, 30 Routen, Grade 5+ bis 10
Helletal: bis 20 hohe Sandsteinwände, 65 Routen, Grade 3 bis 9
Hauwand: bis 25 m hohe Sandsteinwand im Wendebachtal, 33 Routen, Grade 6- bis 9+/10-
Schaukelwand: 15 m hohe Sandsteinwand im Wendebachtal, 39 Routen, Grade 4+ bis 9/9+,
Appenroder Wand und Rote Wand: bis 20 m hohe Sandsteinwand, 105 Touren, Grade 5- bis 10-
Arenshausen: bis 20 m hohe Sandsteinwand, 60 Routen, Grade 5- bis 9/9+,
Großer Habichtstein: 20 m hoher Kalkfels in der Hessischen Schweiz, 35 Routen, Grade 2 bis 8
Andreasstein: 20 m hoher Kalkfels im Werratal, 22 Routen, Grade 1 bis 9
Die Top-Routen im Göttinger Wald
• Schöne Wand (4+), Großer Habichtstein
• Bel Air (5), Mariaspring
• 1-1-2 mach sie frei (5), Arenshausen
• Sonnenpfeiler (6), Rote Wand
• Das Physikum (6+), Hauwand
• Und sie bewegt sich doch! (6+/7-), Hauwand
• Elsterweg (7-), Rodetalwand
• Gelbe Wand (7+/8-), Andreasstein
• The Fly Dog Hanger (8-), Schaukelwand
• Dialog (8-), Rote Wand
• Softmover (8+), Mariaspring
• Stratus (9-), Rote Wand
• Thüringer Spezialitäten (9-), Arenshausen
• Die Freiheit der Anderen (9), Arenshausen
• Liebesbeweis (9+), Klappenhauwand
• Diabolo Forte (10-), Appenroder Wand
Bouldern: Besonders hübsch ist der Boulderspot im Wiesental bei Thalwenden: Hier finden die Matten-Fans gut 100 Boulderprobleme an einem Dutzend Blöcke aus eisenfestem Sandstein.
Naturschutz, Sperrungen: Die Lage im Göttinger Wald hat sich zum Glück mittlerweile stabilisiert. Zwar mussten ein paar schmerzliche Felssperrungen hingenommen werden, dafür wurden aber bisher nicht bekletterte Steinbrüche freigegeben und ergiebig erschlossen. Temporäre Sperrungen wegen Vogelbrut gibt es vom 2.3. bis 31.7. an der Pfeilerwand und am Östlichen Helletalsteinbruch.
Kletterführer: Göttinger Wald von Peter Brunnert, Arne Grage und Stephen Grage, 2. Auflage, Panico-Alpinverlag 2022 – direkt hier im klettern-Shop gibt's den Kletterführer Göttinger Wald für 29,80 € zu bestellen. Übrigens auch in der Vertical Life-App erhältlich oder natürlich direkt beim Verlag unter panico.de.
Story: Klettern im Göttinger Wald – Neues aus Mittelerde (erzählt von Peter Brunnert)
Im Dörfchen Krebeck bei Göttingen befindet sich der geographische Mittelpunkt Deutschlands. Sagen zumindest die Krebecker. Allerdings behaupten das auch die Einwohner von acht anderen Dörfern in der Nähe. Die Berechnungsmethoden darzustellen, die zu den jeweiligen Ergebnissen geführt haben, würde ein Buch füllen. Ich habe nur soviel verstanden: Krebeck ist dann der Mittelpunkt, wenn man das Höhenprofil Deutschlands glattbügelt. Mit einem Bügeleisen oder einem anderen geeigneten Gerät. Aber das wäre schade. Denn man würde so in der Umgebung auch eine ganze Reihe von wunderbaren Sandsteinfelsen planieren. Sie gehören zu einem der spannendsten Klettergebiete Norddeutschlands, dem Göttinger Wald, von seinen Fans liebevoll GÖ-Wald genannt. Immerhin knapp 1000 der rund 7000 Kletterrouten des Nordens sind hier zuhause.
Im Auf und Ab der Klettergeschichte
In den Sechzigern entdeckt und wieder vergessen, Anfang der Achtziger wachgeküsst und mit ein paar Klassikern versehen, von der Sportkletterwelle erfasst und zum Schwerkletter-Hotspot gereift und dann in die Wirren der Felssperrungskriege geraten – der GÖ-Wald hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Dabei kann er für sich in Anspruch nehmen, eine der bizarrsten Sperrungen weltweit erlitten zu haben: An einigen der schönsten Naturfelsen werden steinzeitliche Felsritzungen vermutet. Die kann man zwar nicht sehen oder sonstwie nachweisen, aber, so die Ritzungsexperten, vielleicht würde ja mal ein wissenschaftliches Verfahren entwickelt, das dies ermögliche. Trauriges Fazit: der Verlust von 220 Touren. Zum Glück wurden jedoch zahlreiche bisher nicht bekletterte Steinbrüche freigegeben, an denen ein enormes Potenzial an guten Routen schlummerte. Die erfreuliche Folge: In der zweiten Auflage des Kletterführers stehen rund 280 Routen mehr als in der ersten.
Bei den Neuankömmlingen sind mit insgesamt weit über 100 Neutouren vor allem die Klappenhauwand, die Rodetalwand und die Wände rund ums Gartetal zu nennen, aber auch an den "alten" Wänden ging die Erschließung munter weiter: An Faulenseewand, Schaukelwand, Appenroder Wand, Roter Wand und in Arenshausen wurden in den letzten Jahren rund 70 Neutouren erschlossen, die Appenroder Wand bietet jetzt 76, die Arenshauser Wand 60 Routen. Und angesichts der äußerst aktiven Göttinger Erschließer-Community ist zu erwarten, dass die Entwicklung der Kletterei in diesem wunderschönen Gebiet noch lange nicht zu Ende ist.
Seltsame Bräuche
Damals wie einst gilt: So richtig Spaß macht’s im GÖ-Wald erst ab dem sechste Grad aufwärts. Außerdem verlangt der zum Teil etwas weiche Sandstein durchaus Gewöhnung, und in mancher Tour wird man erst glücklich, wenn man sie einmal von oben durchgeputzt hat. Eine Bürste gehört also ins Gepäck.
Eine echte Göttinger Spezialität ist das legendäre "Türmeln". Im Gebiet sind rund zwei Dutzend Sandsteintürmchen mit Gipfelbüchern verstreut, man erwarte allerdings nur Gebilde irgendwo zwischen Boulderblock und Quacken, wie zum Beispiel die kecke Dreilochnadel. Es gelten dort strenge Regeln: Erstbegehungen dürfen nur von unten erfolgen und müssen ohne Bohrhaken durchgeführt werden. Normalhaken, Klemmkeile und Cams sind erlaubt, letztere dringend erforderlich. Rund um das Türmeln wird ein munteres Kulturprogramm gepflegt. Legendär ist dabei die "24/24-Challenge", bei der 24 Türme innerhalb von 24 Stunden by fair means (also ohne Kfz-Benutzung) zu besteigen sind. Ausgangs- und Endpunkt ist dabei jeweils eine Kneipe, wie sympathisch!
Ist das Türmeln wahrlich nur etwas für Spezialisten, geht es an einem der beliebtesten Felsen des GÖ-Walds fast schon wie in der Kletterhalle zu: Die Wand von Mariaspring nördlich von Göttingen ist einer der populärsten Felsen der Umgebung. Er ist von der Universitätsstadt aus bequem und sogar mit dem Fahrrad erreichbar, das Ambiente ist entspannt und vor allem kommt man dort auch ganz gut klar, wenn man kein Septogradist ist. Bel Air (5) ist eine beliebte Einsteigerroute für die ersten Erfahrungen im Göttinger Sandstein. Allein ist man hier allerdings fast nie.
Die Klappenhauwand bei Ebergötzen ist ein sehr schöner, neu erschlossener Steinbruch mit großem Routenangebot. Inzwischen gibt es dort bereits 30 Wege, wenn alle Projekte geklettert sind, werden es wohl 40 sein. Mit dem Blutadler (10), einer giftigen Rissspur, findet man dort auch die derzeit schwerste Route des gesamten Gebietes.
Im Helletal ist in den letzten Jahren ein neuer Treffpunkt für die Kletterszene entstanden. Das Angebot an Routen ist groß und vielfältig, es kommen sowohl Freunde der leichteren Grade als auch ambitionierte Sportkletterer auf ihre Kosten. Die Pfeilerwand ist hier sicherlich das Highlight, aber auch an den umliegenden Steinbruchwänden waren die Erschließer fleißig. Die tolle Kante Liquid sunshine (7+) sollte man sich nicht entgehen lassen.
Toprouten in Hülle und Fülle
Auf der Nordseite des Wendebachtales zwischen Reinhausen und Bremke stehen nach wie vor die Oberkracher des Gebietes. Die einzigartige Hauwand mit ihren markanten Rissverschneidungen, riesigen Dächern und der filigranen Piazschuppe Und sie bewegt sich doch! (6+/7-), an der man bei jedem Zug den Atem anhält, weil man befürchtet, dass sie umfällt. Wer im GÖ-Wald ist, muss sie klettern, keine Frage. An der Schaukelwand warten einige Highlights des 8. Grades, allen voran der legendäre Riss Fly Dog Hanger (8-). Leider ist die Wand schattig, daher wird man sich am wohlsten fühlen, wenn kein Laub auf den Bäumen ist. Die Appenroder Wand und die benachbarte Rote Wand haben sich mit ihren über 100 Touren zu einem echten Hotspot gemausert. Die großartige Kante Diabolo forte (10-) war lange die Top-Route des Gebiets und Pink Panther (8-) ist, obwohl sie schon 40 Jahre auf dem Buckel hat, immer noch die beste Piazkletterei westlich des Urals.
Der südliche Abschnitt des Gebiets liegt sowohl auf niedersächsischem als auch auf thüringischem Gebiet. Der imposante Steinbruch von Arenshausen ist mittlerweile einer der größten und vielseitigsten Felsen des GÖ-Waldes. Die 9er an der Headwall sind allesamt klasse. Die Wand liegt für gehfaule Sportkletterer geradezu ideal: Fünf Minuten vom Parkplatz. Und die Pizzeria Milano ist auch nur ein paar Minuten vom Einstieg entfernt. Auf die Türmel-Fans warten im Süden fünf kleine Zacken und nebenbei auch noch schöne Boulder. Apropos: Im Wiesental bei Thalwenden gibt es viele phantastische und familienfreundliche Boulderblöcke mit Prachtfels, an denen sich die Blöckeljünger austoben können.
Abwechslung im Kalk
Bewegt man sich noch ein paar Kilometer nach Süden, gelangt man in die Hessische Schweiz. Dort gibt es zur Abwechslung mal Kalk und vor allem etwas, was wir im Göttinger Wald ansonsten eher vergeblich suchen: leichte und dabei gut abgesicherte Wege. Und das ganze an verschwenderisch griffigem Devon-Kalk. Ein kleiner Wermutstropfen: Ellersteine und Otterbachstein werden gerade im Rahmen eines naturschutzfachlichen Monitoring-Verfahrens untersucht und sind mindestens bis 2023 gesperrt. Dafür gibt’s am landschaftlich schön gelegenen Großen Habichtstein ein großes Angebot an hübschen mittelschweren Wegen, man klettert dort in völliger Ruhe über schier endlosen Buchenwäldern. Der Andreasstein ist eine eindrucksvolle Wand hoch über der Werra mit einer Reihe von tollen Ausdauerrouten im 8. und 9. Grad, die im Norden sonst eher selten zu finden sind.