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Klettern als Familiensport, als Paar oder in der Gruppe: Oft finden in der Halle oder am Fels Menschen zusammen, die einen mehr oder weniger ausgeprägten Gewichtsunterschied aufweisen. Durch das Seil verbunden werden sie zu einer Art Risikogemeinschaft. Wenn der schwere Vorsteiger stürzt oder auch nur abgelassen wird, verliert ein sicherndes Leichtgewicht schnell den Boden unter den Füßen und schwebt nach oben. Geht das zu schnell, drohen Gefahren (dazu unten mehr).
Risiken für leichte Leute
Anders herum führen schwere Sichernde dazu, dass im Sturzfall leichte Vorsteigende hart und undynamisch abgebremst werden. Besonders Eltern, die ihre Kinder sichern, müssen dies beachten. Beim Einschlag in die Wand besteht durchaus Verletzungsgefahr. Die kletternde Person hat darauf keinen Einfluss; hier obliegt dem Sicherer die Pflicht, einen zu harten Einschlag zu vermeiden. Dies ist gar nicht so leicht, da mit Auto-Tubern und Halbautomaten relativ hart blockierende Sicherungsgeräte verbreitet sind, die zwar einerseits das Risiko von Bodenstürzen verringern, aber weiches oder dynamisches Sichern anspruchsvoller machen.
Ab wann es kritisch wird
Laut der Sicherheitsforschung des Alpenvereins sollten bei Gewichtsunterschieden ab 10 Kilogramm zwischen Kletterpartnern Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Diese bestehen zunächst in großer Aufmerksamkeit, Wahl des richtigen Sicherungsstandorts und dem Üben des Haltens von Stürzen. Ist der Gewichtsunterschied größer als 10 bis 15 Kilogramm, sollten technische Maßnahmen ergriffen und die Methoden zum weichen Sichern beherrscht werden (siehe unten).
Achtung: Weich sichern ist anspruchsvoll und muss praktisch geübt werden!
Leicht sichert schwer – Risiken
Wenn der Vorsteiger deutlich schwerer ist als der oder die Sichernde, bestehen für beide besondere Gefahren. In abgemilderter Form gelten diese auch fürs Topropen und Ablassen. Mit einigen relativ einfachen technischen Maßnahmen könnt ihr diesen Gefahren begegnen.
Gefahren bei leichten Sicherern
- Leichte Sicherer werden beim Sturz eines schwereren Partners deutlich nach oben gezogen. Dies um so mehr, je geradliniger der Routenverlauf und je geringer die Reibung im System ist.
- Je höher der Sichernde gezogen wird, desto tiefer kommt der Stürzende herunter. Dabei besteht besonders in der ersten Routenhälfte Kollisionsgefahr (Bild oben). Oder die Gefahr, dass der Stürzende den Boden touchiert.
- Der Anprall des Sichernden an der Wand kann zum Loslassen des Bremsseils und Kontrollverlust führen. Diese Gefahr besteht auch, wenn der Sichernde bis zur ersten Exe hochgezogen wird und das Sicherungsgerät an dieser anschlägt (Bild unten).
Diese Problematik verschärft sich in der Kletterhalle noch dadurch, dass in den kurzen Routen relativ wenig ausgegebenes Seil zu Verfügung steht, um die Sturzenergie aufzunehmen. Zudem entsteht in den geraden Routenverläufen kaum Reibung im System, auch hier also kein Abbau von Energie. An diesem Punkt setzen die folgenden Maßnahmen an, die die Situation entschärfen können.
Leicht sichert schwer – Maßnahmen
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Gefahren bei leichten Sicherern zu reduzieren. In manchen Hallen werden Sandsäcke verwendet, um den Sichernden zu beschweren. Der verliert dadurch aber seinen Bewegungsspielraum, daher stellt dies eine Notlösung dar.
Methode 1: Reibungsclip
Eine zweite Möglichkeit ist der Reibungs-Clip. Dazu hängt der Vorsteiger das Seil mit einer eigenen Exe in den ersten Haken der Parallel-Route ein (Bild oben). Diese Reibungserhöhung genügt, um einen Gewichtsunterschied von rund 10 bis maximal 30 kg auszugleichen.
Methode 2: Vorschalt-Widerstand
Eine zweite Möglichkeit, den Sturzzug auf den Sichernden zu vermindern, ist das Einschalten eines Geräts zur Reibungserhöhung zwischen Kletterer und Sicherer. Derzeit auf dem Markt ist das Ohm von Edelrid (abgebildet), das Zaed von Raed und das Espressi von Bauer.
- Das Ohm wird in der ersten Exe eingehängt. Beim normalen Klettern läuft das Seil ungehindert durch (Bild links), beim Sturz klappt es noch oben und bremst (Bild rechts). Dadurch kommt weniger Zug beim Sichernden an. Dies erleichtert leichten Sicherern das Leben auch beim Toprope-Sichern oder Ablassen sehr schwerer Vorsteiger. Allerdings fallen Stürze bei Verwendung des Ohms für den Vorsteiger etwas härter aus.
- Zugelassen ist das Ohm für Fälle, in denen der Vorsteiger mindestens 10, maximal 40 Kilogramm schwerer ist. Das Mindestgewicht des Sichernden muss 40 Kilogramm betragen.
Schwer sichert leicht – Risiken
Wenn ein schwerer Sicherer einen leichten Stürzenden hart abbremst, kann dieser sehr unsanft gegen die Wand knallen. Dabei besteht beträchtliches Verletzungspotenzial, besonders wenn die Kletterwand senkrecht oder geneigt ist und nicht überhängt. Beim Sichern mit halbautomatischen Sicherungsgeräten wie dem Grigri oder mit Autotubes wie Smart oder ClickUp wird das Seil beim Sturz hart blockiert, daher ist hiermit diese Gefahr besonders groß. Bei weiteren Stürzen besteht selbst im überhängenden Gelände die Gefahr, dass der Kletterer hart an die Wand prall und sich verletzt. Deshalb sollten schwere Sicherer das weiche Sichern beherrschen. (Auch eine leichte Person kann schwer sein, wenn sie zum Beispiel ein Kind sichert.)
Weich Sichern bedeutet, genau im Moment, in dem das Seil vom Kletterer belastet wird, eben nicht hart zu zu machen sondern weich, also ein kleines Bisschen nachzugeben. Das heißt, der Sicherer macht nicht statisch zu, sondern gibt dynamisch ein bisschen nach. Deshalb nennt man das weiche Sichern auch "dynamisch sichern". Damit es funktioniert, muss das Timing stimmen. Stimmt das Timing nicht, entstehen neue Gefahren: Gibt man zu früh nach, wird nur der Sturz verlängert (der Aufprall bleibt aber hart); gibt man zu spät nach, kann es den Kletterer nach hinten umkippen lassen (wenn die Füße schon an der Wand angekommen waren). Das Nachgeben kann auf unterschiedliche Methoden erfolgen, die wir hier erklären.
- Bei kürzeren Stürzen (Anseilpunkt nur knapp über dem Haken) genügt oft schon ein dem Sturzzug folgender Schritt zur Wand, um die Landung etwas weicher zu gestalten. Diese Methode eignet sich auch bei geringerem Gewichtsunterschied.
- Bei Bodensturzgefahr ist selbst diese Dynamik zu vermeiden. Bei kleinen Stürzen ohne Bodensturzgefahr kann auf diese Weise aber auch in der unteren Hälfte einer Route etwas kontrollierte Dynamik ins Halten des Sturzes gebracht werden.
Methode 2: Körperdynamik
- Die sogenannte Körperdynamik eignet sich für halb-automatisch blockierende Sicherungsgeräte wie das Grigri oder Autotuber. Der Sichernde folgt dabei aus einer aktiven Sicherungsposition dem Sturzzug, indem er leicht nach oben springt.
- Die Methode ist quasi die gehobene Stufe des "Schritts zur Wand". Sie erfordert mehr Übung, weil das Timing des Absprungs nach oben stimmen muss. Am besten ist es, mit dem ankommenden Sturzzug aktiv abzuheben.
Methode 3: Sensorhanddynamik
- Die Sensorhand-Dynamik wird vom Deutschen Alpenverein zurecht als Expertenmethode eingestuft. Dies vor allem deshalb, weil hier mit Schlappseil im System gearbeitet wird, was normalerweise nie empfohlen wird.
- Die Methode funktioniert so, dass der Sicherer zwischen Sicherungsgerät und Sensorhand eine kleine Menge Schlappseil generiert (Bild links). Beim Sturz gibt der Sichernde dieses Schlappseil zunächst – durch die Sensorhand etwas gebremst – nach oben (Bild Mitte). Der Sturz wird dadurch weicher, es ist weniger Körperdynamik notwendig (Bild rechts).
- Die Methode darf nur angewandt werden, wenn keinerlei Bodensturzgefahr besteht, weil sich durch das Schlappseil die Sturzhöhe verlängert.
Methode 4: Gerätedynamik für erfahrene Sicherer
- Nicht "automatisch" blockierende Geräte wie die Tuber erlauben es, die sogenannte Gerätedynamik einzusetzen. Sie ist für erfahrene Sicherer eine gute Möglichkeit, auch sehr leichte Vorsteiger dynamisch und weich zu sichern.
- Mit dem Sicherungsgerät Revo lässt auf die gleiche Weise weich sichern.
- Die Gerätedynamik funktioniert so, dass der Sichernde anfangs kontrolliert etwas Seil durchs Gerät laufen lässt und so den Sturz langsam bremst. Dazu geht die Bremshand, die das Seil dabei fest umfasst, mit dem Sturzzug von einer Hüftposition hin zum Sicherungsgerät (Bild).
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