Leider passieren beim Abseilen immer wieder schlimme Unfälle. Denn während man beim Klettern immer mit dem Seil und meist mit mehreren Sicherungspunkten mit der Wand verbunden ist, reduzieren sich diese Verbindungen zur Wand beim Abseilen meist auf nur eine oder zwei: die Selbstsicherungsschlinge, der Abseilstand, das Abseilgerät. Deshalb muss man beim Abseilen noch mehr aufpassen, dass keine Fehler passieren.
In diesem Artikel gehen wir auf die wichtigsten Fragen rund um das Abseilen ein und erklären die verschiedenen Methoden, um sicher und stressfrei wieder den Boden zu erreichen.
Wie funktioniert das Abseilen?
Hier erläutern wir die Abläufe schrittweise, in der Fotostrecke oben findet ihr das Ganze mit Bildern illustriert.
1. Fixieren am Stand: Das wichtigste und erste ist die Selbstsicherung am Stand (idealerweise zwei Bohrhaken, die miteinander verbunden sind). Hier hängt man sich mit einer Selbstsicherungsschlinge ein (entweder Bandschlinge mit Ankerstich in der Hauptschlinge des Klettergurts verknüpft und mit Verschlusskarabiner versehen, oder spezielle Abseilschlinge). Karabiner verschließen.
2. Prusik anbringen: Im nächsten Schritt bringt man zunächst den Kurzprusikknoten am Seil an und hängt ihn in die Beinschlaufe an der Seite, wo man das Seil entlangführen möchte. Nun etwas Seil hochziehen und mit dem Kurzprusik fixieren. Dadurch entsteht ein unbelastetes, lockeres Seilstück.
3. Abseilgerät einhängen: In das lockere Seilstück oberhalb des Kurzprusik das Abseilgerät einhängen. Das Abseilgerät je nach Methode mit einem Verschlusskarabiner in die Sicherungsschlaufe des Gurts einhängen. In aller Regel wird als Abseilgerät ein Alpintuber verwendet, diese haben meist zwei verschiedende Bremsstufen (je nachdem, wie herum man das Gerät einhängt). Achtung: Es ist erstaunlich, wie anstrengend das Bremsen bei längeren freihängenden Abseilstrecken ist, insbesondere mit Rucksack!
4. Funktionscheck: Nun das Seil nach unten durch das Abseilgerät ziehen, bis die Selbstsicherungsschlinge entlastet ist. Dies ist zusammen mit einer optischen Kontrolle auch der letzte Selbsttest, ob alles richtig eingelegt und funktionsfähig ist. Niemals die Selbstsicherungsschlinge aushängen, ehe ihr das Abseilgerät belastet und geprüft habt! Seilen zwei unterschiedlich erfahrene Kletternde ab, richtet die erfahrene Person der weniger Erfahrenen Abseilgerät und Kurzprusik ein. Dann seilt die Erfahrene zuerst ab, weil es häufig unterwegs gilt, das Seil zu entwirren und den nächsten Abseilstand zu finden.
5. Abseilen: Wenn alles geprüft und korrekt ist, Selbstsicherungsschlinge aushängen und kontrolliert abseilen. Beide Hände bremsen unterm Gerät, eine führt den Kurzprusik mit. Bei mit einem Knoten verbundenen Seilen merken, welche Seite zieht, das heißt, auf welcher Seite der Knoten liegt. Ggf. zur Merkhilfe eine Expressschlinge an diesem Seilstrang mitführen.
Eine weitere gebräuchliche Methode zeigen wir im folgenden Bildvergleich rechts: Dabei wird mithilfe der Selbstsicherungsschlinge alles eine Etage höher aufgehängt. Der Vorteil der höher gehängten Methode ist, dass der Abstand von Kurzprusik zum Abseilgerät größer ist und dadurch das Mitführen der Prusikschlinge etwas besser funktioniert. Allerdings hängt nun das Abseilgerät auf Kopfhöhe, also Vorsicht bei offenen Haaren, dass diese sich nicht im Gerät verfangen und eingeklemmt werden!
Abseilen: Das Wichtigste
Die ständige Selbstsicherung ist das wichtigste Prinzip beim Abseilen. Wenn man bei längeren Abseilpisten daher den nächsten Abseilstand erreicht, ist der erste Handgriff immer, die eigene Selbstsicherungsschlinge am Stand einzuhängen. Erst danach wird das Seil aus dem Abseilgerät genommen.
Wichtig bei mehreren Abseilstrecken ist auch, die Seile stets im Zugriff zu haben. Also nicht nach dem Abseilen einfach die Seile aus dem Abseilgerät nehmen und loslassen – der Wind oder die Schwerkraft kann sie zur Seite bewegen. Wenn noch Knoten in den Seilenden sind, lassen sie sich womöglich nicht mehr abziehen oder sie verhängen sich außerhalb der Reichweite irgendwo am Fels.
Was braucht man zum Abseilen?
- Seil: Beim Sportklettern wird nach der Selbstsicherung am Umlenker die Hälfte des Kletterseils hochgezogen, beim MSL- oder Alpinklettern nutzt man üblicherweise Doppelseile, die mit einem Knoten verbunden werden.
- Abseilgerät: Üblicherweise nutzt man zum Abseilen einen Tuber oder (etwas veraltet) Achter. Auch mit Grigri oder HMS kann man abseilen, wie diese Spezialanwendungen funktionieren, erklären wir weiter unten.
- Klettergurt: Auch beim Wandern wird gelegentlich "abgeseilt", hier erklären wir das Abseilen nach dem Klettern, bei dem man auch am Seil aufgestiegen ist. Der Klettergurt wird zweifach mit dem Seil verknüpft: Über das Abseilgerät und die Kurzprusikschlinge.
- Kurzprusik: Ein Stück geknotete Reepschnur sorgt als Prusikknoten um das Seil herum gelegt dafür, dass die Abseilfahrt nicht außer Kontrolle gerät, als Hintersicherung und Bremshilfe.
Welche Knoten braucht man zum Abseilen?
Hier erläutern wir die Knoten kurz, in der Fotostrecke findet ihr das Ganze mit Bildern illustriert.
- Verbindungsknoten: Bei zwei gleich dicken Seilen genügt ein sehr gut festgezogener Sackstich. Wichtig: Mindestens 30 Zentimeter Seilenden hinterm Knoten!
- Doppelter Sackstich: Bei verschieden dicken Seilen einen zweiten Sackstich hinter den ersten knüpfen. Erhöht die Gefahr des Verhängens beim Abziehen etwas.
- Prusikknoten: Wird mit einer kurzen Reepschnur (5 bis 6 mm Durchmesser) geknüpft. Vorsicht: Steife Reepschnüre klemmen nicht sicher!
- Kreuzklemmknoten: Auch mit einer (schmalen und weichen) Bandschlinge lässt sich ein einfacher Klemmknoten herstellen als Alternative zum Prusik.
- Knoten am Seilende: Zwei Sackstiche verhindern das Abseilen übers Seilende hinaus. Knoten getrennt je Seilstrang knüpfen, dann kann das Seil auskrangeln beim Abseilen.
Warum Abseilen?
In Sandsteingebieten wie der Pfalz oder dem Elbsandstein seilt man auch beim Sportklettern ab, um das fixe Material (also Haken, deren Austausch hohen Aufwand bedeuten) zu schonen. Beim Alpinklettern ist das Abseilen oft die einzige Methode, wieder den Boden zu erreichen, wenn der Abstieg zu Fuß schwierig, gefährlich oder gar nicht möglich ist. In manchen Gebieten, wie etwa in der Verdonschlucht, muss man abseilen, um den Einstieg der gewünschten Route zu erreichen, wie auch an vielen Felsen am Meer, beispielsweise in Großbritannien.
Im Notfall: Abeilen mit dem HMS-Knoten
Der Halbmastwurf als Abseilmethode: Der HMS eignet sich grundsätzlich zum Abseilen, die Bremswirkung ist ausreichend groß, besonders beim Abseilen am Doppelseil. Problem ist jedoch, dass es beim normalen Halbmastwurf beim Abseilen zu extremer Krangelbildung unterhalb des Abseilenden kommt. Dies erschwert erst das Abseilen und danach auch noch das Abziehen des Seils
Der Halbmastwurf mit Extraschlag: Wer hat‘s erfunden? Vermutlich die Schweizer, zumindest lehren sie diese Methode in ihrem aktuellen Ausbildungshandbuch. Zunächst wird in den HMS-Karabiner der Halbmastwurf eingelegt (Bremsseil auf der dem Schnapper gegenüber liegenden Seite führen!). Nun wird das Bremsseil hochgenommen und vorne noch einmal über das Seil geführt. Anschließend erst wird der Karabiner in die Sicherungsschlaufe des Gurts eingehängt.
Was es zu beachten gibt: Damit diese Methode funktioniert, muss der HMS-Karabiner direkt in die Sicherungsschlaufe am Gurt eingehängt sein, die "hohe Aufhängung" funktioniert nicht. Bei dieser Methode ist es günstiger, statt einer Kurzprusik eine Bandschlinge mit Kreuzklemmknoten oberhalb des HMS zur Hintersicherung anbringen.
Spezialanwendung: Abseilen mit dem Grigri
Eher die Ausnahme: Abseilen mit einem Sicherungsgerät, das nur für einen Seilstrang ausgelegt ist, kommt eher selten vor, im alpinen Umfeld eigentlich gar nicht. An einem fixierten Einzelstrang abzuseilen, funktioniert grundsätzlich aber mit jedem Gerät, allerdings lässt sich dann das Seil nicht abziehen – es ist ja fixiert.
Abseilen mit dem Grigri: Der Hersteller Petzl zeigt auf ihrer Webseite verschiedene Möglichkeiten, das Seil in der Umlenkung so zu fixieren, dass mit einem Grigri abgeseilt und das Seil anschließend abgezogen werden kann. Eine weitere Methode, die wir gelegentlich bei Fotoaufnahmen oder ähnlichen Arbeiten verwenden, ist die hier gezeigte: Das Seil wird durch den Umlenker gefädelt, an einem Seilende bindet sich der Kletterer ein. Das von unten kommende Seil wird so ins Grigri eingelegt, dass das nach oben laufende Seil auf dem Gerät abgebildeten Kletternden zeigt, unten ist das Bremsseil. Nach Anbringen der Kurzprusik und Selbstcheck kann nun mit dem Grigri abgeseilt werden.
Nachteile und Vorteile: Das Seil läuft beim Abseilen oben durch die Umlenkung. Die Methode darf deshalb nie verwendet werden, wenn die Umlenkung aus einer Schlinge oder Reepschnur besteht (Gefahr der Schmelzverbrennung). Der Vorteil der Methode ist, dass durch die Umlenkung ein sehr dosiertes Abseilen möglich ist. Lässt man das Grigri blockiert, hat man die Hände frei zum Fotografieren (oder Sanieren). (Nimmt man die Hand vom Seil sollte in das freie Seilende ein Sackstich zur Hintersicherung geknotet werden.)
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