So geht's: sicher und stressfrei am Fels klettern

Stressfrei Klettern: Tipps
So geht's: sicher und stressfrei am Fels klettern

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Klettern draußen am Fels ist anders als in der Halle. Unsere Tipps für einen sicheren und stressfreien Fels-Besuch.

KL Klettern am Fels Calpe
Foto: Ralph Stöhr

In der Kletterhalle klettern macht Spaß, draußen am Fels wartet der Spaß auch. Doch draußen ist anders: Was bei den ersten Sportkletter-Ausflügen an den Fels zu beachten ist, erklären wir hier.

Anreise, Parken und Zustieg

  • Parkt nur dort, wo es im Kletterführer empfohlen wird. Im Zweifel nehmt Rücksicht auf Anwohner und parkt grundsätzlich so, dass ihr keine Einfahrten, Feldwege und Durchfahrtsmöglichkeiten behindert. Ihr seid nur für einen Tag hier, die Anwohner erleben den Parkstress über die Klettersaison womöglich jeden Tag. Nehmt in Zweifel einen weiteren Zustieg in Kauf oder wechselt in einen anderen Sektor, wenn rücksichtsvolles Parken vor Ort nicht mehr möglich ist.
  • Haltet euch auch beim Zustieg so genau wie möglich an die Beschreibung im Kletterführer. Das Abkürzen von Wegen sorgt für Erosion und zerstört mehr Vegetation als nötig. In geschützten Gebieten (wo die meisten Felsen in Deutschland stehen), macht jeder Quadratmeter einen Unterschied.
  • Betretet keine Wiesen oder Felder, auch wenn sie zum Picknick einladen. Sie könnten bewirtschaftet werden, und die meisten Bauern und Grundbesitzer freuen sich nicht über plattgetrampeltes Gras und sonstige Beeinträchtigungen, die wir Kletternden verursachen (meist ohne es zu wissen). Bedenkt, dass in Deutschland die meisten Felsen auf Privatgrund stehen und wir als Besucher die Wege und Felsen möglichst unberührt hinterlassen sollten.

Equipment und Sicherheitsmaßnahmen

KL Kletterseil im Seilsack
Sarah Burmester

Die Grundvoraussetzungen der Vollständigkeit halber vorweg: Ist das Seil lang genug? Habt ihr genügend Express-Schlingen, und eventuell mobile Sicherungsmittel und Bandschlingen dabei? Sicherungsgerät und eventuell Helm gehören zusätzlich zu Gurt und Schuhen natürlich auch in den Rucksack.

  • Der Seilsack sorgt nicht nur dafür, dass das Seil gegen Schmutz und Feuchtigkeit geschützt ist. Sondern auch dafür, dass das Seil beim Sichern sauberer läuft. Dazu muss das Seil natürlich knotenfrei im Seilsack liegen und das korrekte Seilende – nämlich das oben liegende – für den Vorsteiger verwendet werden. Außer dem Seil sollte nichts anderes (zum Beispiel Exen oder Schuhe) im Seilsack liegen, damit das Seil sich nicht daran verhaken kann.
  • Draußen noch wichtiger als in der Halle ist die Fixierung des Seilendes. Bekannt sind mehrere Unfälle, bei denen der Sichernde einige Meter vom Fels weg oder ein Stück den Hang hinunter ging, weil es dort bequemer ist, man den Kletterer besser sehen kann oder weil der Rucksack da liegt – und dann plötzlich das Seil zu kurz war und das Ende durchs Sicherungsgerät rutschte. Also: Immer das freie Seilende am Seilsack mit einem Knoten, am besten mit Achterknoten, fixieren (ein einfacher Sackstich kann sich auf Zug lösen). Auch wenn kein Seilsack vorhanden ist, Knoten ins Seilende machen!
  • Vor dem Einstieg

    KL Klettern am Fels Calpe
    Ralph Stöhr
    Klettern am Fels Calpe
    • Vor dem Losklettern immer das Material am Gurt sauber sortieren. Es kann blöd sein, wenn man in prekärer Situation klippen will und der Karabiner in der Exe ist verdreht. Also: Die kurzen Exen vorne an die Materialschlaufen und darauf achten, dass alle Karabiner in die richtige Richtung zeigen. Packe die längeren Exen an die hinteren Materialschlaufen. Die Zahl der Exen richtet sich nach der Information im Führer, ein bis zwei zusätzliche schaden nicht.
    • Weiteres Material, soweit erforderlich, an die hinteren Materialschlaufen. Meist sind das: ein bis zwei Schraubkarabiner zum Umbauen, eventuell ein Rückzugskarabiner (dazu später mehr), eventuell eine kurze Reepschnur oder Klemmkeile. Wenn klar ist, dass die Keile zum Einsatz kommen, machen sie sich auch an den vorderen Materialschlaufen gut.
    • Kontrolliert, ob eure Kletterschuhe sauber sind, bevor ihr einsteigt. Mit matschigen Schuhen rutscht man erster schneller ab (Bodensturzgefahr vor dem ersten Haken) und zweitens poliert man mit Dreck auf den Sohlen den Fels glatt, speckige Griffe und Tritte sind das unerwünschte Ergebnis. Eine kleine Fußmatte hilft elegant ab, zur Not tut es aber auch der schnelle Wisch am gegenüberliegenden Hosenbein.

    Vorstieg am Fels

    • In vielen Klettergebieten gehören mobile Sicherungsmittel wie Sanduhrschlingen, Keile und Cams in den Rucksack. Wer draußen noch nicht so erfahren ist, sollte mit dem Schwierigkeitsgrad deutlich runtergehen. Ein Sturz darf draußen nur dann riskiert werden, wenn dieser vor dem Boden (oder einem Felsabsatz) in der Luft endet. Die Frage, ob Stürzen vom Gelände her erlaubt ist oder nicht, muss draußen ständig überprüft werden. In vielen Sportkletterrouten gibt es Passagen, in denen man nicht stürzen darf, da man am Boden oder auf einem Absatz aufschlagen würde. Dagegen hilft nur, zusätzliche Sicherungspunkte anzubringen oder nicht zu stürzen.
    • Begutachte schon vor dem Einstieg den Verlauf der Hakenlinie. Seilreibung kann heikel sein, aber auch ein Segen. Gefährlich ist Seilreibung, weil sich dadurch die Belastung in der Sicherungskette bei einem Sturz erhöht und besonders für leichtere Personen der Anprall an der Wand härter wird. Natürlich ist es auch unangenehm, wenn man das Seil kaum mehr hochgezogen bekommt. Ist der Hakenverlauf wenig geradlinig, können strategisch platzierte längere Schlingen den Seilzug vermeiden helfen.

    Füße schützen

    Jorg Verhoeven klettert Bookcake in Cadarese (trad)
    Michele Caminati for Vibram
    Beim Plattenklettern, Rissklettern und an langen Klettertagen sollte man auf bequeme Kletterschuhe zurückgreifen.
    • Wer es ernst meint und seine Füße liebt, hat mindestens zwei Paar Schuhe am Start: ein bequemes (älter, gut eingeklettert oder einfach etwas größer) zum Warmklettern und für längere Routen, ein knapp sitzendes für die härteren Routen.
    • Am Fels krabbeln schon einmal ungebetene Besucher in die Schuhe. Schüttle sie gründlich aus oder puste hinein, bevor du in die Schuhe steigst. (Einen Hirschkäfer bekommt man mit Pusten übrigens nicht da raus).
    • Unterpunkt Schuhe schützen: Laufe so wenig wie möglich in Kletterschuhen. Schließe nach dem Ausziehen die Klettverschlüsse wieder, so bleiben sie länger fit.

    Korrekt Sichern

    Ganz generell gelten beim Sportklettern draußen die gleichen Regeln wie drinnen: Partnercheck machen, den Gewichtsunterschied zwischen Sicherndem und Kletterndem beachten, kein unnötiges Schlappseil, klar kommunizieren und immer aufmerksam sichern.

    • Draußen ist es für den Sichernden nicht immer ohne weiteres möglich, die Position so einfach zu wechseln wie in der Halle. Das Gelände ist uneben, Blöcke können im Weg liegen, Gebüsch und Bäume behindern die Sicht. Dennoch sollte man sich bemühen, den gleichen Grundregeln wie in der Halle zu folgen: Vor allem am Beginn relativ nah an der Wand stehen, um bei einem Sturz nicht zum Fels gezogen zu werden. Aber auch nicht direkt unter den Vorsteiger, damit einem der nicht auf den Kopf fällt.
    • Solange der Vorsteiger sich in Bodennähe oder direkt über einem größeren Absatz oder Band klettert – der Sturzweg also nicht frei ist –, sollte eng und hart gesichert werden. Wenn der Sturzweg frei ist – die Wand ist senkrecht oder überhängend ohne größere Vorsprünge –, ist weiches, dynamisches Sichern besser.
    • Kommuniziere am besten mit den korrekten Seilkommandos. Ein gutgemeintes "okay!" beim Umbauen ist missverständlich und kann fehlinterpretiert werden. Sind viele Seilschaften vor Ort, nenne den Namen deines Sicherungspartners ("Karl, zu!") um Missverständnisse zu vermeiden.

    Maßnahmen beim Sichern

    KL Sicherheit beim Sichern Teaser
    Ralph Stöhr
    Sichern mit halbautomatischem Sicherungsgerät Matik
    • Auch beim Klettern am Fels empfehlen sich Autotubes oder Halbautomaten zum Sichern. Der Partnercheck ist immer Pflicht.
    • Die optimale Position des Seilsacks und die saubere Lage des Seils im Sack vor dem Losklettern gefunden sein. Beim Sichern muss die komplette Aufmerksamkeit der klettenden Person gelten.
    • Pausiert die kletternde Person im Seil, ist es für die sichernde Person hilfreich, wenn auch das Wiederlosklettern von der kletternden Person angekündigt wird ("Klettern!"). So vermeidet man, dass der Sichernde entweder dauernd hochschauen muss oder überrascht den Hang hinabstolpert, weil der Kletterer ohne Ankündigung angezogen hat.

    Sicherungsbrillen

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    Hersteller
    Sicherungsbrille - Prismenbrille zum Sichern

    Sicherungsbrillen funktionieren auch draußen und erleichtern es dem Sicherungspersonal, die kletternde Person immer im Blick zu haben. Brille am besten schon vor dem Losklettern auf den Kopf setzen, damit sie später einfach einhändig auf die Nase gezogen werden kann.

    Richtig Klippen

    KL Richtig klinken 1
    Redaktion klettern
    • In Bodennähe möglichst aus stabiler Position und nicht überstreckt das Seil einhängen.
    • Die seilseitigen Schnapper der Karabiner in der Exe sollen immer auf die der Kletterrichtung abgewandte Seit zeigen. Führt die Route also nach rechts oben, sollten die Schnapper nach links zeigen. Das verringert das Risiko des ungewollten Aushängens.

    Seil richtig einhängen

    • Meist ist an den Expressschlingen ein Karabiner fixiert, der andere hat Spiel. Der Karabiner, der sich bewegen kann, gehört in den Haken. Das Seil kommt immer in den fixierten Karabiner.
    • Vor und nach Richtungsänderungen/Quergängen im Routenverlauf kommen die längeren Expressen zum Einsatz, um die Seilreibung zu verringern.
    • Ein Clipstick ist eine Teleskop-Stange, an der sich vorne eine Exe befestigen lässt. In Sportkletterrouten, die vom Start weg anspruchsvoll sind, lässt sich damit meist zumindest der erste, oft auch der zweite Bohrhaken klippen. In der Regel wird die Exe gleich mit dem Seil drin geklippt, so dass die vorsteigende Person auf den ersten Metern von oben gesichert ist.

    Strategische Erwägungen

    KL Klettern Schwäbische Alb Sarah
    Ralph Stöhr
    Klettern Schwäbische Alb
    • Vor dem Einstieg erst mal den Routenverlauf studieren: Wo sind die Sicherungspunkte, wo sieht es schwierig aus, wo gibt es Ruhepunkte, ist der Umlenker vom Boden aus zu sehen? Falls nicht im Führer angegeben: Wieviele Haken sind vorhanden?
    • Beim Klettern dann immer auf das nächste Teilstück konzentrieren – die nächste Sicherung, der nächste große Griff oder gute Absatz zum Stehen. Am nächsten Ruhepunkt dann wieder Übersicht verschaffen: Wie sehen die nächsten Meter aus, wo geht es weiter? Kurzum: in Sequenzen denken und das Tempo entsprechend anpassen: zügig an anstrengenden Passagen, und sich an Ruhepunkten wieder erholen.

    Klug Sportklettern

    • Meistens folgt die Kletterei ungefähr der Linie der Haken. Gelegentlich geht es etwas links oder rechts davon leichter. Allzu weit sollte man seitlich aber nicht von den Sicherungspunkten abweichen. Erstens ist es unwahrscheinlich, dass Erstbegeher die Haken weiter als ungefähr einen Meter neben der eigentlichen Kletterlinie gesetzt hat, zweitens riskiert man, wenn man zu weit schräg von den Haken wegklettert, unkalkulierbare Pendelstürze.
    • Auch beim Klettern selbst gelten am Fels die gleichen Grundregeln wie drinnen: möglichst aus den Beinen klettern, soweit möglich am langen Arm klettern und ruhen.

    Weich greifen

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    Ralph Stöhr
    Sportklettern in Calpe, Spanien

    Je nach Nervosität packen wir mehr oder weniger fest zu. Ist der Haken geklippt, entspannen wir uns meist sofort – und sparen Kraft. Am besten wäre es, wenn wir immer, also auch zwischen den Haken, so entspannt klettern, ruhig atmen und weich greifen würden. Auch darauf kann man sich an den Ruhepunkten der Route noch einmal konzentrieren.

    Fädeln und Abbauen

    KL-5-12-Umlenken-19 (jpg)
    Ralph Stöhr
    Zum Umbau mit zwei Exen fixiert plus zusätzlich per Sackstich im Seil mit Verschlusskarabiner in der Einbindeschlaufe redundant gesichert: korrektes Fädeln zum Abbauen einer Route.
    • Die Methoden zum Umbauen am Umlenker sollte man in Bodennähe lernen und durch Üben verinnerlichen. In 30 Meter Höhe gibt es keinen Partnercheck, deshalb dürfen hier keine Fehler passieren. Bevor man sich hier nach dem Umbauen endgültig ins Seil setzt, schadet es nichts, alles noch einmal zu prüfen. Idealerweise löst man nach dem Fädeln und wieder einbinden erst das Seil, gibt das Kommando "zu!" und löst erst dann die Exen, wenn der Zug von unten am Gurt ankommt.
    • Eine Führungsexe, mit der man sich beim Ablassen in das von unten kommende Seil einhängt, ist in überhängenden Routen oft notwendig, um nicht zu weit außen von der Wand entfernt zu baumeln. Auch bei schrägem Routenverlauf braucht man sie. In langen, geraden Routen bringt sie den Vorteil, dass der Sichernde besser erkennen kann, wann der abgelassene Kletterer zu einer Exe kommt, die er aushängen muss.
    • Bei stark quer verlaufenden Routen kann das Abbauen im Nachstieg einfacher sein, als sich pendelnd immer wieder zur Seite zu ziehen.
    • In stark überhängenden Routen kann es schwierig sein, die unterste Exe beim Ablassen auszuhängen. Lösung 1: Beim Ablassen selbst noch drin lassen und dann hinterher von unten anklettern, aushängen und wieder abklettern, sofern ohne Gefahr möglich. Die oft praktizierte Lösung 2: sich selbst an der zweiten Sicherung fixieren, von dort nach unten greifen, die unterste Exe aushängen und dann von Höhe der zweiten ins Freie schwingen. Dann ist man zumindest dem Boden nicht so nah.

    Rückzugs-Karabiner

    Falls man eine Route nicht hochkommt und mitten in der Seillänge den Rückzug antreten muss, muss man manchmal mitten in der Wand abbauen. Sollte das Hakenauge zu klein sein, um neben dem Karabiner der Exe noch ein Seil hindurchzuziehen, oder wenn man an Plättchen klettert, muss man Material in der Wand lassen, wenn man heil und mit heilem Seil wieder runter will. Die einfachste und zumeist praktizierte Methode ist, einen älteren Karabiner am erreichten Bohrhaken zurückzulassen. Normalerweise wird das nicht jeden Tag geschehen, insofern sollte der Verlust verkraftbar sein. Es gibt Methoden ohne Materialverlust, aber die sind umständlicher.

    Kletterunfälle verhindern

    Statistisch werden Kletterunfälle zehn Mal häufiger durch eigene Fehler verursacht als dadurch, dass Material versagt oder ein Griff ausbricht. Die gute Nachricht ist also, dass Ausbildung, Übung und Information zu Routine, Erfahrung und somit Sicherheit verhelfen. Dazu darf man nicht nachlässig werden. Die meisten Fehler passieren nicht Anfängern, die geben gut acht, und auch nicht Routinierten (die haben die richtigen Abläufe verinnerlicht), sondern den Fortgeschrittenen dazwischen. Wissen ist Macht, macht also das Beste daraus!