Das Unglück ereignete sich am 29. Juli an der Ammerthaler Wand, während eine Seilschaft im Toprope kletterte. Als der Kletterer sich einige Meter vor dem Umlenker ins Seil setzte, brach der belastete Umlenkhaken, ein für den Frankenjura typischer Bühlerhaken, am Schaft ab." Der Unfall im Frankenjura, über den wir in der letzten Ausgabe berichteten, hat Wellen geschlagen. Sowohl die IG Klettern Frankenjura als auch die Webseite frankenjura.com riefen nach dem Unfall dazu auf, Problemhaken zu melden. Ein Aufruf, dem viele folgten. In kurzer Zeit summierten sich die Beschreibungen von eingeschliffenen Umlenkern, lockeren oder nicht ganz versenkten Bohrhaken und Umlenkern, die in fragwürdigen Blöcken stecken.
Offenbar führte die Berichterstattung über den Unfall zu einem deutlich gesteigerten Gefahrbewusstsein der Kletterer im Frankenjura. Die IG Klettern weist darauf hin, dass all diese User-Meldungen erst mal auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden müssen. Dennoch steht die Frage im Raum: Wie steht es um die Absicherung nicht nur im Frankenjura, sondern an den deutschen Mittelgebirgsfelsen überhaupt?
Gemischte Gefühle: Klettern in Deutschland
Der letzte Sommerurlaub führte uns Corona-konform durch Deutschland. Meine Frau Sandra und ich besuchten in drei Wochen zehn verschiedene Klettergebiete quer durch die Republik und kletterten in Gneis, Granit, Sandstein, Prophyr, Kalk und Basalt. Unser Ziel: vorwiegend ganz normales Sportklettern in mittleren Graden und dazwischen auch mal die eine oder andere selbst abzusichernde Route. Unser Eindruck von der Absicherung in diesen Gebieten: sehr gemischt, im Großen und Ganzen gut, im Detail aber doch mit einigem Nachholbedarf. Ein Großteil der Bohrhaken aus den ersten Erschließungswellen in den 70er- und 80er-Jahren ist in Deutschland inzwischen durch solide Verbundhaken ersetzt. An den meisten Felsen finden sich oben Umlenker, die in der Regel gut sind. Richtig alte Bohrhaken haben wir eigentlich nirgends angetroffen, auch der rostige Normalhaken ist inzwischen eine Seltenheit geworden. Dies ist auch der Zustand, wie wir ihn aus den vielen anderen deutschen Klettergebieten kennen.
Was dagegen häufiger anzutreffen war: einzelne Bohrhaken als Umlenker und Umlenker, die ganz kurz vor der Felsoberkante in schon etwas zweifelhaften Felspartien oder Blöcken stecken. Ersteres – Umlenker ohne Redundanz – ist ein großes Fass, das niemand so richtig aufmachen mag, weil viel daran hängt. Alle Umlenker der Republik – es gibt zehntausende davon –, redundant auszustatten, ist ein immenser Aufwand. Wer soll den betreiben? Was den zweiten Fall angeht – Umlenker in zweifelhaftem Gestein –, so entstehen solche Situationen wahrscheinlich aus dem Wunsch des Erstbegehers oder Sanierers, möglichst viel Routenlänge aus dem bisschen Fels zu holen, das wir haben, und ergo den Umlenker so hoch wie möglich zu setzen. Oft ist das auch Ermessenssache: Was soll bei einem tonnenschweren Gesteinsblock schon passieren, wenn da beim Ablassen ein paar Kilo Kletterer dranhängen? Ist der Fels nur wenig darunter wesentlich kompakter, will aber nicht recht einleuchten, wozu der Umlenker dann soweit oben stecken muss. Wie gesagt: Das sind Einzelfälle, aber es gibt davon doch einige.
Davon abgesehen ist zu fragen, ob fixe Sanduhren als Absicherung an kritischen Stellen noch zeitgemäß sind. Bei Erschließern alter Schule sind sie sehr beliebt. Eine Schlinge ist schneller gefädelt als ein Bohrhaken gesetzt, außerdem kommt sie dem Ideal einer "natürlichen" Sicherung näher. Ein Blick auf die Unfallberichte auf Seite 55 zeigt aber auch, dass die Haltekraft dieser fixen Sanduhren oft schwer bewertbar ist. Besonders tragisch der Unfall vom September 2016, als ein Kletterer nach Ausbruch von zwei Sanduhren an der Maximilianswand verstarb. Zwei Tage nach dem Unfall wurden die ausgebrochenen Sanduhren durch sichere Bohrhaken ersetzt. Wäre das früher geschehen, würde der Mann heute noch leben. Schließlich kommt hinzu, dass das Schlingenmaterial in der Wand der Witterung ausgesetzt ist und regelmäßig kontrolliert und ersetzt werden müsste, was aber nicht überall geschieht.
Die Situation der Absicherung an deutschen Felsen bringt Daniel Gebel perfekt auf den Punkt: "In Summe überall Nachholbedarf, aber beim Hakenmaterial überwiegend kein akutes Problem." Und angesichts von rund 50.000 Bohrhaken alleine in den Felsen des Nördlichen Frankenjura stellen die eingangs erwähnten, von Usern gemeldeten Problemhaken immer noch Einzelfälle dar. Die gehören natürlich geprüft und nötigenfalls ersetzt, scheinen aber dennoch kein flächendeckendes Problem zu sein. Auch einige zweifelhafte Bohrhaken, die der DAV im Anschluss an einen Bohrhaken-Bruch auf der Schwäbischen Alb (zum Glück ohne Unfall) prüfte, waren zumindest noch alltagstauglich und hätten einen Sportklettersturz gehalten.
Die Frage der Platzierung
Neben der Qualität der Absicherung bestimmt auch die Dichte und Platzierung dieser Absicherung die Sicherheit. Hier bestätigten sich auf unserem Trip durch Deutschland einige altbekannte Weisheiten: Leichtere Routen vom vierten bis zum sechsten Grad sind im allgemeinen schlechter abgesichert und, da das Sturzgelände oft ungünstig ist, objektiv gesehen relativ gefährlich. Sie machen das dadurch etwas wett, dass sie häufig mehr Gelegenheiten bieten, mobile Sicherungen wie Keile, Cams und Schlingen einzusetzen. Und natürlich dadurch, dass in diesen Graden generell weniger gestürzt wird. Daneben trafen wir aber auch im sechsten und siebten Grad immer wieder auf Routen, wo man vor dem zweiten oder dritten Haken durchaus mit einem Bodensturz rechnen muss – und das zum Teil, obwohl man gerade dort die härtesten Züge machen musste und auch nichts zusätzlich legen konnte. Beides – schlechtere Absicherung von leichten Routen und ungünstig platzierte Bohrhaken – hat mit der "Ethik" des Klettersports zu tun und führt immer wieder zu endlosen Diskussionen. Dazu ein kurzer Abschweif: Am 25. August 2020 wurde der österreichische Kletterer Heinz Mariacher für seine alpine Laufbahn mit dem Paul-Preuss-Preis ausgezeichnet. Für diesen Preis empfohlen hatten ihn viele kühne Klettereien und Erstbegehungen in den Alpen, wobei die Route Moderne Zeiten an der Marmolada besonders gelobt wurde: 1982 von unten erstbegangen, für die Zeit sehr hart (7+), 850 Meter hoch, nur wenige Zwischenhaken und kein einziger Bohrhaken in der ganzen Wand. Paul Preuss wiederum war der Mann, der vor über 100 Jahren das Ideal des Freikletterns ohne künstliche Hilfsmittel und auch den weitgehenden Verzicht auf Sicherungen propagierte. Die Idee, dass man nur das klettern solle, was man sicher beherrscht, und ansonsten eben Verzicht üben, entfachte schon damals viele Diskussionen, fand aber in der Alpinklettergemeinde über die Jahre viele Anhänger, berühmte Kletterer wie Reinhold Messner, Beat Kammerlander oder die Huberbuam eingeschlossen.
Andere Zeiten, andere Sitten
"Das Können ist des Dürfens Maß" lautet die griffige Kurzformel für Preuss‘ Vorstellung von Kletterethik. Natürlich ist das ein toller Leitspruch, nicht nur fürs Klettern, und in vielen Klettergebieten der Welt und im alpinen Klettern sowieso immer noch absolut gültig. Und natürlich hat dieser Ansatz der subjektiven Sicherheit, wo uns alleine unser Können eine Route sicher begehen lässt, etwas Geniales und Puristisches. Und natürlich ist es schön, um eine Wand zu schleichen und darauf zu warten, dass man gut genug ist, um dort endlich einzusteigen. Nur: Mit modernem Sportklettern im Klettergarten hat das nichts mehr zu tun. 1910 ist schon lange her und die Kletterwelt hat sich weitergedreht. Wir haben neue technische Möglichkeiten, andere Vorstellung vom Wert eines Menschenlebens und von der Art, wie wir unseren Sport ausüben, und vor allem auch eine andere, neue Klientel an unseren Felsen. Dort tummeln sich inzwischen nicht mehr nur ein paar besonders wagemutige Jünglinge, sondern ein Querschnitt der Bevölkerung. Der kommt zum Großteil aus den Kletterhallen und hat eher den Wunsch, normal und halbwegs sicher sportklettern zu gehen als in der "Erziehungsanstalt Fels" über Ideen aus dem vorigen Jahrhundert belehrt zu werden.
Die naturschutzrechtliche Seite
Dass die Absicherung leichterer Routen meist spärlicher ausfällt, hängt auch mit dem Mangel an Absicherungstechniken zur Zeit der Erstbegehung zusammen. Im Gegensatz zu vielen Gebieten im Mittelmeerraum, die erst relativ spät erschlossen wurden, hat bei uns das "Wachstum" der Klettergärten schon früh begonnen, zu einer Zeit, als Normalhaken noch Standard waren. Auch die frühe Phase des Sportkletterns war trotz Bohrhaken noch sehr alpin geprägt und von weiten Hakenabständen gekennzeichnet. Viele der frühen Routen im 7. und 8. Grad legen davon bis heute Zeugnis ab und sind so eine Art lebendiges Klettermuseum. Heute ließe sich die Absicherung oft einfach verbessern, dem steht aber in vielen Gebieten eine Klettertradition entgegen, die möglichst gegenüber dem Urzustand einer Route keine zusätzlichen Sicherungen anbringen möchte. Weshalb sollte man auch? Die, die es könnten, klettern meist schon lange und haben all diese Routen schon hinter sich. Und denken sich oft: "Wer sich nicht traut, soll es halt lassen. Wir haben es ja auch geschafft."
Ingesamt nimmt die Gefahr am Fels mit steigenden Schwierigkeiten extrem ab: Die harten Routen in Deutschland sind meist sehr gut abgesichert, was man von den unteren und mittleren Graden nicht behaupten kann. Hinzu kommt, dass das Risiko manchmal schwer einschätzbar ist, selbst mit einigen Jahrzehnten Klettererfahrung. Dass gerade vor dem zweiten oder dritten Haken die Crux lauert und die Griffe und Tritte dazu noch glatt sind, lässt sich nicht immer ahnen. Dass eine bessere Absicherung manchmal von den lokalen Kletterverbänden gar nicht gewünscht wird, hängt aber nicht nur mit der Kletterethik zusammen, sondern auch mit praktischen und rechtlichen Überlegungen. Ganz praktisch: Irgendwer müsste die Absicherung durchführen. Die wenigen Freiwilligen, die das können und dazu bereits sind, haben meist schon jetzt genug zu tun, das noch steckende alte Material und die gelegtenlich auftretenden Problemfälle mit neueren Haken zu sanieren. Flächendeckende Nachsicherungen ganzer Kletterregionen stoßen daher auch an praktische Grenzen.
Hinzu kommt die Überlegung, dass wer "Verkehr eröffnet", wie es im Juristendeutsch heißt, eben auch Verkehr erntet. Will heißen: Je besser gesichert, desto mehr Kletterer am betreffenden Fels. Jüngst hat dies die Entwicklung an der Förstelsteinkette nahe Stadelhofen im Frankenjura gezeigt, die, da gut gesichert und mit vielen leichten Routen im Angebot, Opfer ihres eigenen Erfolgs wurde und auf Betreiben des Grundstückseigentümers inzwischen fürs Klettern gesperrt ist. Ganz zum Schluss bedeutet flächendeckendes Sanieren beziehungsweise nachträgliches Verbessern der bestehenden Absicherung auch, dass sich der rechtliche Status eines Felsens ändern könnte. Beim größten Teil der Felsen in Deutschland geht man zwischen behördlichem Naturschutz und DAV sowie IG Klettern davon aus, dass es sich um gewachsene Klettergärten handelt, auf jeden Fall aber nicht um Sportanlagen. Das könnte sich ändern, wenn die Felsen durch Sanierung zu eingerichteten Klettergärten würden, was eine andere Einschätzung durch den behördlichen Naturschutz nach sich ziehen könnte. Mit der Folge, dass bisher offene Felsen womöglich gesperrt werden könnten.
Im Sinne der "Kunden"
Klettern an Deutschlands Felsen ist und bleibt ein Risikosport. Allerdings ist durch die fortschreitende Sanierung alter Routen inzwischen in der Fläche die Absicherung meist gut, oft sehr gut. Mit einer guten Ausbildung und etwas Erfahrung lassen sich die Felsen mit überschaubarer Gefahr beklettern.
Es muss auch nicht alles rastermäßig eingebohrt sein. Wir haben im Sommerurlaub so viele gute Keile gelegt wie schon lange nicht mehr und einige schöne hakenfreie Routen zum Selbstabsichern geklettert. Auch das muss es geben. Genau wie die Marksteine des frühen Sportkletterns, die eben nicht "modern" abgesichert sind. Ich gestehe aber, dass ich mir im Sommer auch einige Male kurz vor einem zu weit oben platzierten Haken dachte: "Ich pfeife auf die ganze Kletterethik! Warum muss ich an so einer Quatschroute an irgendeinem Quacken meine Knochen riskieren?" Dabei bin ich nicht einmal der größte Angsthase im Revier. Ohne nun einer südfranzösischen Rastereinbohrung das Wort reden zu wollen, könnte man doch zumindest darüber nachdenken, bei künftigen Sanierungen ein bisschen mehr im Sinne der kletternden "Kunden" zu arbeiten. Und die Bohrhaken dabei möglichst sinnvoll zu setzen, auch in älteren Routen. So wie es in neueren Routen und vielen sehr gern bereisten Ländern ja auch schon längst gehandhabt wird.
Bergsport wandelt sich massiv – Daniel Gebel im Interview
Er erschließt Routen bis zum unteren elften Grad und hat zuletzt das Allgäuer Klettergebiet Rottachberg saniert. Daniel Gebel von Edelrid kennt sich aus mit dem Thema Absicherung und sieht den Sport im Wandel.
Daniel, du hast in den letzten Jahren viele Routen am Rottachberg im Allgäu saniert. Was war der Anlass?
Die meisten Routen dort wurden vor gut 20 Jahren eingebohrt und waren noch auf dem Stand von damals: verzinkte Expansionshaken, nicht normgerecht, unkalkulierbar korrodiert und für die Gesteinshärte ungeeignet. Weil das Gestein eben nur so mittelfest ist, wurden die Haken oft in Senken gesetzt, wo sich dann aber die Schnapper der Karabiner aufdrücken oder die Karabiner auf Biegung belastet werden. Außerdem habe ich teils die Routenverläufe etwas begradigt, damit sich die Karabiner nicht so einschleifen und dadurch zum Risikofaktor werden. In der Gesamtschau gibt es beim Sportklettern mehr Unfälle durch gebrochene Karabiner oder gerissene Seile als durch ausgebrochene Haken.
Wie groß war der Aufwand für die Sanierung?
Ich habe etwa 300 Bohrhaken und Umlenker gesetzt, überwiegend alleine. Das hat an die 20 Tage gedauert. Ich wollte das möglichst sauber hinterlassen, also nicht nur neue Haken setzen, sondern die alten auch entfernen, die Dübel versenken und die Löcher ordentlich zuspachteln
Wie ist deine Einschätzung: Wie steht es um die Absicherung an Deutschlands MIttelgebirgsfelsen?
Ich glaube, das Hakenmaterial stellt überwiegend kein akutes Problem dar. Mancherorts ist eher das Problem, dass noch sehr klassisch erschlossen wurde und das mit der heutigen Klientel an den Felsen nicht mehr ganz zusammenpasst. Routen besser abzusichern,muss aber wohlüberlegt sein. Ich glaube, in vielen Fällen kann man das sehr gut machen. Man kann durch zusätzliche Bohrhaken aber auch das eine oder andere kaputtmachen. Es muss nicht immer mehr werden, aber eine Sanierung sollte ordentlich sein, sollte sicher sein und sollte bewertbar sein.
Kann denn der kletternde Laie die Qualität eines Bohrhakens einschätzen?
Dass wird nicht funktionieren. Das können eventuell Leute, die in den 70er- und 80er-Jahren als Erschließer unterwegs waren. Die kennen das Material und haben gelernt, das zu beurteilen. Das ist aber nicht mehr die Klientel, mit der wir es in Zukunft zu tun haben. Der Bergsport wandelt sich weiterhin massiv. Und das ist auch nichts Schlimmes. Heutige Kletteranfänger sind auch nicht dumm, wenn sie sich nicht so tief mit der Thematik auseinandersetzen wollen. Das ist einfach eine andere Herangehensweise. Für die ist das mehr Sport und weniger ein Abenteuer.
Was macht für dich gute Absicherung aus?
Sicheres, bewertbares Material. Das können aber auch Keile sein, wenn das im Topo entsprechend beschrieben wird. Ich selbst versuche meine Routen so zu erschließen, dass maximal viel Erlebnis daraus entsteht. Dieser Erlebniswert setzt sich aber nicht nur aus dem Einzelerlebnis, sondern aus der Summe der Personen, die dort ein Erlebnis haben, zusammen. Man kann eine Route sehr wild erschließen, das klettern dann drei Leute im Jahr. Die werden sich ein Leben lang an die Tour erinnern, weil sie sich zu Tode gefürchtet und nur knapp überlebt haben. Oder ich kann so erschließen, dass das jedes Jahr 300 Leute klettern können. Die haben dann vielleicht nicht den maximalen Kick, aber dennoch ein sehr schönes Klettererlebnis.
Zum Thema Umlenker: Ist Redundanz notwendig, sinnvoll, übertrieben?
Wenn wir an unserer aktuellen Lehrmeinung festhalten, dann stellt ein normkonformer, gut gesetzter Klebehaken erstmal kein Risiko dar. Der aktuelle Unfall im Frankenjura zeigt eine klare Abweichung: Der Haken war zwar normkonform, aber die Setzweise entsprach nicht den Vorgaben der Gebrauchsanleitung, sprich es war ein Setzfehler. Also ist das Defizit hier nicht die mangelnde Redundanz, sondern die Ausbildung der Leute, die diese Haken setzen. Aber Redundanz hätte das natürlich verhindern können. Deswegen mache ich es bei Umlenkern so: Ich setze in gutes Gestein, wähle einen normkonformen, korrosionsbeständigen Haken mit großer Schaftlänge, klebe sauber mit geeignetem Kleber und mache nach dem Aushärten eine Drehprüfung. Ich setze als Umlenker zwei Haken so, dass ich in einen davon ein Maillon Rapide und einen Stahlkarabiner hänge. Dann kann man oben ankommen, klippen und ablassen. Wenn man topropen will, klippt man den zweiten Haken mit einer Exe dazu. Die Belastung beim Ablassen zum Schluss ist nachrangig und der Haken wird ja schon geprüft, wenn der Vorsteiger abgelassen wird.
Wie sieht es denn mit der Eigenverantwortung der Kletterer aus? Unfälle passieren ja nicht nur wegen Materialversagen, sondern auch wegen zu weiten Hakenabständen und anderen Fehlern.
Häufig hört man auf diese Frage: Wenn sie es nicht können, dann dürfen sie eben solche Routen nicht klettern. Aber wenn man sich die Einzelfälle anschaut und sich fragt: Was sind das denn für Leute? Egal ob jung und übermotiviert oder alter Hase und routiniert – keiner ist sich seiner Fehleinschätzung der Situation bewusst. Und dann sind sie nach einem Unfall womöglich querschnittsgelähmt oder fallen lange Zeit aus und haben Folgeschäden. Das ist so der Punkt, wo ich mich frage: Haben wir es wirklich derart nötig mit unserer Moral und Kletterethik? Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir im Bergsport ein klares Ausbildungsdefizit haben.
Danke, Daniel!
Wir empfehlen Redundanz – Stefan Winter vom Alpenverein im Interview
Stefan Winter, beim DAV Bundesverband für die Sportentwicklung verantwortlich, erläutert haftungsrechtliche und sicherheitstechnische Aspekte rund um das Einbohren von Routen im Klettergarten.
Gibt es vom DAV eine Handreichung für Erschließer und Sanierer?
Fürs Einrichten und Sanieren von Klettergärten in Deutschland hat der DAV die sogenannte Bohrhakenbroschüre herausgegeben. Die informiert über die aktuell empfehlenswerten Hakensysteme, welcher Hakentyp für welches Gestein geeignet ist, und auch über Hakensysteme, die in der Vergangenheit verwendet wurden. Die Broschüre gibt außerdem Rechtshinweise und Hinweise zum Naturschutz.
Existieren gesetzliche Mindeststandards für Erschließer und Sanierer?
Der Gesetzgeber gibt in Deutschland keine direkten Hinweise zum Setzen von Haken in Klettergärten. Das ist nur abzuleiten aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Strafgesetzbuch, indem man sagen könnte: Wenn jemand einen Verkehr eröffnet, dann muss das mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgen. Der Staat hat natürlich das Ziel, Leib und Leben des Menschen so gut wie möglich zu schützen. Das Recht verliert dabei aber nie den Blick auf die Realitäten. Und die Realität ist, dass in deutschen Klettergärten hunderttausende Bohrhaken stecken. Und das Recht wird auch anerkennen, dass es nicht leistbar ist, jeden einzelnen dieser Haken in einen Zustand zu bringen, dass er auf Dauer in einer natürlichen Umgebung 100 Prozent sicher ist.
Haftet ein Erschließer oder Sanierer für die Absicherung, die er anbringt?
In Deutschland kann man davon ausgehen, dass es Analogien zu Österreich gibt, wo Juristen dieses Thema aufgearbeitet haben. Dort unterscheidet man zwischen gewachsenen Klettergärten, die im Lauf der Jahrzehnte entstanden sind – das ist die Regel in Deutschland –, und eingerichteten Klettergärten. Wenn eine Einzelperson oder eine Seilschaft privat in einem gewachsenen Klettergarten eine Erstbegehung machen, dann sind geringe bis gar keine Haftungsansprüche zu erwarten. Wenn aber jemand wie eine DAV Sektion oder zum Beispiel ein Sportgeschäft gezielt und breitflächig zum Beispiel 20 Routen an einem Felsen für den Verkehr eröffnet, das veröffentlicht und vielleicht auch noch aus gewerblichen Gründen betreibt, dann spricht man von einem eingerichteten Klettergarten. Da kann der Betreiber in den Bereich der Haftung kommen. Das kommt aber immer auf den konkreten Einzelfall an. Man muss davon ausgehen, dass die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht und die Pflege, Betreuung und Reparatur wesentlich höher sind und dass in so einem Klettergarten die Absicherung regelmäßig gewartet und geprüft werden muss
Haften AKNs und ähnliche Organisationen für den Zustand der Absicherung an den Felsen, die sie betreuen?
Wenn ein Arbeitskreis Klettern & Naturschutz, der ja oft verschiedene Organisationen wie DAV-Sektionen, Bergwacht, Naturfreunde oder IG Klettern umfasst, flächendeckend eine Erschließung oder Sanierung unternimmt, dann kommen diese in den Bereich der Haftung. Das wird dann nicht mehr als privates Freizeitvergnügen von wenigen Einzelnen angesehen, sondern da entsteht ein übergeordnetes Interesse und Bewusstsein, dass da viele Menschen klettern werden und ein Verkehr eröffnet wird. Dies muss dann wirklich nach dem Stand der Technik gemacht. Was der Einzelerschließer natürlich hoffentlich genauso macht.
Hat der behördliche Naturschutz Einfluss auf die Qualität der Absicherung?
Wenn eine Privatperson als Hobby eine Route bohrt und das nicht groß kommuniziert, wird das manchmal gar nicht bemerkt. Wenn aber eine Organistion oder ein AKN erschließt oder saniert, dann gibt es meistens eine lokale Kultur, ein Selbstverständnis, wie etwas auszusehen hat. In der Fränkischen, Sächsischen und Pfalz zum Beispiel hat es sich seit langer Zeit etabliert, dass oben nur ein Umlenker steckt. Aus sportfachlicher Sicht ist das in Ordnung, wenn dieser Haken perfekt gesetzt ist. Dennoch sollten Kletterer zur Redundanz die letzte Zwischensicherung beim Topropen einhängen. Grundsätzlich sind wir aber in einer Zeit, in der wir ganz klar die Redundanz empfehlen. Also Umlenkung an zwei Haken.
Ist das Prinzip der Eigenverantwortung bei überwiegend mit Bohrhaken gesicherten Routen noch adäquat?
Der DAV weist in seiner Ausbildung, zum Beispiel zum Kletterschein Outdoor, in der Trainerausbildung sowie auf der Homepage über die Initiative "Von der Halle an den Fels" aus unfallpräventiven Gründen darauf hin, dass jeder im Vorfeld einen Risikocheck für die Route machen muss. Wir gehen davon aus, dass man von Kletterern soviel Einsicht und Verstand erwarten kann, dass sie davon ausgehen, dass auch mal ein schlechter Haken anzutreffen ist, und dann entsprechend darauf reagieren können. Also entweder verzichten oder hintersichern. Wir klären aber auch darüber auf, dass es zum Eigenrisiko des Sports gehört, zu akzeptieren, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Es ist Aufgabe der Organisationen und auch der Führerliteratur, das zu kommunizieren.
Danke, Stefan!