"Wenn wir so weitermachen, ist das Ende programmiert.", "Bis 2100 Erderwärmung bei mehr als drei Grad." ... Solche Sätze hören und lesen wir oft. Ähnlich dramatisch: "Scheitern ist keine Option", verkündete António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, beim Auftakt der Weltklimakonferenz in Glasgow im November letzten Jahres. "Scheitern ist ein Todesurteil."
Klimaschutzorganisationen wie "Greenpeace" und "Fridays For Future" prangerten bereits vor Ort in Schottland an, dass die geplanten Maßnahmen weder weit genug greifen würden noch verbindlich seien. Neben Klimaaktivisten übten auch Experten wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung Kritik: Er sah zwar "einige positive Anzeichen" unter den Konferenzresultaten. Klar sei aber, "dass die von den Staaten angekündigten Emissionsziele für 2030 bei weitem nicht ausreichen, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen". Und dass auch die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung geplanten Maßnahmen zur Energiewende nicht ausreichen würden, um Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, befand im November 2021 die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin in einer Studie. Und so fragt man sich, was eigentlich passieren muss, damit Politik, Wirtschaft und Privatleute den Empfehlungen der Wissenschaft folgen.
Sind wir zu bequem, kurzsichtig und egoistisch?
"Der wirtschaftliche Wohlstand der letzten Jahrzehnte basiert auf dem Einsatz fossiler Energie, insbesondere Öl, Kohle und Gas. Es gibt lange Pfadabhängigkeiten, und die bestimmen die Geschäftsmodelle", erklärt dazu die Energieökonomin Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. In Interviews und Fernsehsendungen betont sie immer wieder, dass die Kosten des vorbeugenden Klimaschutzes deutlich kleiner sind als die von möglichen Schäden aufgrund des Klimawandels. Nach dem Pariser Abkommen von 2015 hätten zwar viele Unternehmen ihren Kurs geändert. "Es fehlt aber noch immer der politische Wille, konsequenter zu handeln", sagt Kemfert. "Deswegen ist die Zivilgesellschaft wichtig. Die Jugend macht Druck auf der Straße, und sie hat recht."
"Mobilität und Konsum sind stark von Routinen geprägt", ergänzt Dr. Jürgen Landgrebe, der beim Umweltbundesamt den Fachbereich "Klimaschutz, Energie, Deutsche Emissionshandelsstelle" leitet. "Das über Jahre und Jahrzehnte eingeübte Verhalten ändert sich nur selten von allein." Und so sieht er eben doch entschiedenes politisches Handeln gefordert – etwa damit die Menschen überhaupt die Möglichkeit haben, umweltfreundlich mobil zu sein. "Das ist einerseits die Förderung des Fuß- und Radverkehrs sowie des öffentlichen Verkehrs, andererseits müssen Verkehrsmittel verursachergerecht bepreist werden", sagt der Ingenieur für Umwelt- und Verfahrenstechnik. Ähnliches gelte für den Konsum: Die Menschen bräuchten nicht nur Informationen, sondern auch mehr nachhaltige Angebote und Einkaufsmöglichkeiten.
Geht es konkret um Maßnahmen einer konsequenteren Umwelt- und Klimapolitik, etwa einen reduzierten Verbrauch von tierischen Produkten und eine geringere Nutztierdichte, steht allerdings schnell der Begriff "Ökodiktatur" im Raum. Dabei müssten Regeln und Gesetze, in der Landwirtschaft ebenso wie im Industriesektor als auch für Privatleute, doch viel strenger werden – oder nicht? "Zwischen dem, was mit Blick auf planetare Grenzen nötig ist, und dem, was wir derzeit an rechtlichen Regelungen haben, klafft in vielen Bereichen in der Tat eine Lücke", bestätigt Landgrebe. "Aber Umweltgesetze müssen genau wie andere Gesetze öffentlich debattiert, in Parlamenten abgestimmt und gerichtlich überprüfbar mit dem Verfassungsgericht vereinbar sein." Das Wort »Diktatur« hingegen suggeriert, man implementiere sie undemokratisch. "Es ist bedauerlich, dass Gegner von notwendigen Transformationsprozessen bewusst solche zugespitzten Begriffe benutzen", sagt Landgrebe. Und Claudia Kemfert ergänzt: "Vorgaben und Regeln sind einfach wichtige Leitplanken für den Umstieg hin zu einer emissionsfreien Wirtschaft. Leider besitzen rückwärtsgewandte Lobbyisten derzeit noch ziemlich viel Einfluss."
Noch vor privatem Konsum und Mobilität stehen für einen 1,5-Grad-Kurs Deutschlands, da sind sich führende Experten einig, der Ausbau erneuerbarer Energien und ein Kohleausstieg, der laut Kohleausstiegsgesetz bis spätestens 2038 vollzogen sein soll. Aber selbst wenn Deutschland und die skandinavischen Staaten, die in Sachen Klimapolitik vorne liegen, tatsächlich in den nächsten 20 Jahren CO₂-Neutralität erreichen: China, das erst im Jahr 2060 klimaneutral sein will, ist für rund 30 Prozent aller Treibhausgas- Emissionen verantwortlich, Indien für sieben. Australien liegt zwar klar darunter, aber die Regierung denkt nicht einmal daran, einen Kohleausstieg anzugehen. Wie bewegt man diese Länder dazu, dem Klimaschutz eine höhere Priorität einzuräumen?
Claudia Kemfert rät von Urteilen à la "da bewegt sich nichts" ab. "Erstens ist es so, dass China und Indien schon sehr viel tun, um Emissionen einzusparen – insbesondere durch den Ausbau der erneuerbaren Energien. In Australien gibt es zugegebenermaßen noch immer eine sehr starke Kohlelobby, die den Umstieg verhindert. Aber zweitens, und das ist wichtig: International werden immer mehr Finanzmärkte die Finanzierung von fossilen Energien ablehnen." So will China international keine Kohlekraftwerke mehr finanzieren.
Treibhausgas-Ausstoß in Deutschland
Wer in der Klimadebatte darauf verweist, dass Deutschland doch aktuell "nur" zwei Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortet, vergisst neben den hohen historischen Emissionen der Industrienationen auch unseren immer noch beachtlichen Pro-Kopf-Ausstoß von knapp zehn Tonnen CO₂-Äquivalenten im Jahr. "Damit tragen wir eine große Verantwortung, müssen also auch jetzt beim Wandel eine Vorreiterrolle einnehmen und bis 2045 klimaneutral sein", sagt Jürgen Landgrebe. Dass Deutschland solch einen Beitrag rein durch Technologiefortschritte leisten kann und Verzicht dabei kein Thema zu sein hat, betonen bestimmte Politiker immer wieder. Dabei zeigen die letzten Jahre, wie wenig diese Behauptung der Realität entspricht: Zwar wurden etwa Verbrennungsmotoren immer effizienter. Aber die Autoindustrie baute und verkaufte gleichzeitig immer schwerere Fahrzeuge – und der CO₂-Ausstoß stieg. Neben solchen sogenannten Rebound-Effekten tragen auch Wachstumseffekte dazu bei, dass Effizienzgewinne oft nicht so stark zu Buche schlagen wie erwartet. Energieeffizientes Bauen und sparsame Haushaltsgeräte sind nicht nur begrüßenswert, sondern notwendig. Doch wenn Menschen ommer mehr Wohnraum pro Kopf beanspruchen und immer mehr Geräte besitzen, verliert sich der positive Umweltaspekt schnell wieder.
Was kann ich als Einzelner tun?
Schlussendlich stellt sich die Frage: Was kann ich als Einzelperson für den Klimaschutz tun, ohne mich in Kleinkram zu verzetteln? – "Machen Sie im Alltag das, was die Politik im Großen schaffen sollte: die Rahmenbedingungen so ändern, dass sich klimafreundliches Verhalten quasi von alleine ergibt", rät Jürgen Landgrebe. "Ob Carsharing oder E-Auto, vom Ökostrom bis zur Wärmedämmung – damit erzielen Sie dauerhafte Wirkung. "Mit dem Fokus auf sogenannte Big Points wie Energieerzeugung, Mobilität und Ernährung beuge man dem Verzetteln in Nebensächlichkeiten vor. Und: "Wichtig ist es auch, andere Menschen vom Klimaschutz zu überzeugen – damit die Gesellschaft als Ganzes die richtigen Entscheidungen trifft."
Wenn es in den Urlaub geht, ist der größte Klimafaktor die Mobilität. Immerhin fünf Prozent der globalen CO₂- Emissionen lassen sich laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen dem Tourismus zuordnen. 75 Prozent davon entspringen dem Verkehr, vor allem der An- und Abreise zum Reiseziel. Davon wiederum stammen 40 aus dem Flug- und 32 Prozent aus dem Autoverkehr. Die übrigen drei werden bei Reisen mit Bus und Bahn freigesetzt. Wer also Urlaubsziele wählt, die ohne Flugreise und am besten auch ohne Auto erreicht werden können, darf sich auf die Schulter klopfen. Nebenbei kommt es auch auf die Summe an. Erfüllt man sich den jahrelangen Traum von einem Trekking in Nepal, sollte nicht gleich im Jahr darauf Patagonien folgen. Und bei der Unterkunft gilt die Faustregel: Je einfacher sie ist, desto klimafreundlicher. Eine niederländische Studie ermittelte vor einigen Jahren einen CO₂-Ausstoß von 15 Kilogramm pro Tag beim Zelturlaub – gegenüber 35 Kilo für einen Hotelaufenthalt.
Immerhin – und das schenkt auch etwas Hoffnung – hat das Thema Klimaschutz inzwischen Eingang in alle Bereiche unseres alltäglichen Lebens gefunden, vom Kindergarten bis zum Supermarkt. Und anders als noch vor ein paar Jahren gibt es auch weltweit Einigkeit darüber, dass Handlungsbedarf besteht. Es muss allerdings zügig gehandelt werden.
Outdoor-Equipment und Nachhaltigkeit? Das geht – wie die Hersteller mit ihren Produkten in der Fotostrecke beweisen: