Preisdruck versus Ökologie – die Kletterbranche

Klettern & Umweltschutz
Preisdruck versus Ökologie

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Kletter-Equipment, Klettergriffe, Sohlen von Kletterschuhen – wie umweltfreundlich oder umweltschädlich sind sie? Hier geht es um die Frage: Wie öko ist die Kletterbranche?

Anfang der 90er-Jahre kostete ein 50-Meter-Seil 350 DM, heute gibt‘s 70-Meter-Seile für unter 100 Euro, Expressschlingen ab 8,49 Euro. Die Hardware-Branche hat einen Jahrzehnte dauernden Preiskampf hinter sich. Gleichzeitig unterliegt das Gros der Produkte den strengen Normen für persönliche Schutzausrüstung (PSA), Abstriche bei der Qualität verbieten sich. Einige Firmen haben ihre Produktion deshalb in Länder verlagert, in denen die Lohnkosten niedriger sind, nicht selten auch die Umweltauflagen.

Made in Europe

Doch es gibt weiterhin Firmen, die in Europa produzieren: Edelrid im Allgäu, Austrialpin und Stubai in Tirol, DMM in Wales, Camp, Climbing Technology und Grivel in Italien. Bei Petzl kommen 80 Produzent der Produkte aus zwei Werken nahe der Firmenzentrale im französischen Crolles. So sind Transportwege und CO2-Emissionen gering, Metalle und Kunststoffe werden gemäß europäischer Umweltauflagen verarbeitet und die Arbeitsverhältnisse sind sozialverträglich.

Anstrengungen in Sachen Nachhaltigkeit gibt es auch bei der Energieversorgung und bei der Vermeidung von Verpackungsmüll. Grivel setzen in ihrem Werk in Courmayeur seit langem auf Solarenergie. Bei Petzl ist ein Teil der Stirnlampen-Verpackungen aus kompostierbarem Material, Metallprodukte werden nur noch mit Etikett samt Produktinfos ausgeliefert. Recycling ist im Hardware-Bereich nur eingeschränkt zu betreiben. Millet und Beal nehmen alte Seile zum Recycling zurück, Edelrid betreibt ein Upcycling-Programm, um Garn- und Seilreste weiterzuverwenden

Was wird aus den Plastikgriffen?

"Bislang ist noch kein Griff in der Tonne gelandet", meint Tom Brenzinger, "die haben alle ein zweites oder sogar drittes Leben in einem privaten Trainingsraum." Sobald Recycling-Bedarf entstehe, werde es schnell Lösungen geben, so der Besitzer von Boulders Kletterhallenservice. Benni Hartmann von Wataaah ist da weniger optimistisch: "Außer der Funktion und dem Style zählt für viele Käufer leider nur der Preis." Der schwäbische Griffe-Hersteller produziert recycelbare PU-Griffe ohne Quarzsand, während PE-Griffe in der Regel viele Füllstoffe enthalten. Allgäu-Holds wiederum bietet einen Upcycling-Service: Sie beschichten gebrauchte Griffe neu. Für die großen Produzenten in Bulgarien und Slowenien ebenso wie die meisten Hallenbetreiber scheint das Recycling von Klettergriffen bislang aber kein großes Thema zu sein.

Von den Sohlen an die Hände

In vielen Kletterhallen ist die Vermeidung von Plastikmüll und der Verkauf von örtlichen Bio-Produkten selbstverständlich. Bei energieeffizienten Gebäude-Konzepten besteht aber noch Luft nach oben. 2012 eröffnete die Nordwandhalle in Hamburg: Geheizt wird mit Holz-Hackschnitzeln, große Fenster sorgen stromfrei für Lüftung, die Kletterwände sind aus nachhaltigem Holz, und zur Vermeidung von Plastikmüll hat die Halle eine eigene Wasseraufbereitungsanlage. "Am Anfang haben sich zwei, drei potenzielle Hallenbetreiber unser Konzept angeschaut, danach gab es kaum noch Interesse", berichtet Geschäftsführer Christian Erenyi.

Den ohnehin von der Corona-Krise gebeutelten Hallenbetreibern droht ein bislang kaum diskutiertes Problem: polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Diese gelten als krebserregend und befinden sich in den Sohlen von Kletterschuhen. Durch den Abrieb auf Griffen ist direkter Hautkontakt kaum vermeidbar. Seit Ende 2015 gelten laut EU-Verordnung verschärfte Grenzwerte für acht PAK-Substanzen in Bedarfsgegenständen, die "in längeren oder wiederholten direkten Kontakt zur Haut oder Mundhöhle kommen". Bei Tests wiesen einzelne Schuhmodelle verschiedener Hersteller zu hohe Werte auf. Vibram lässt sich seine Sohlen inzwischen auf PAK-Konformität zertifizieren, andere Schuhhersteller kontrollieren ihre Sohlen. Bei manch kleinem Schuhhersteller könnte das Problem dagegen noch gar nicht bekannt sein.

Nicht vergessen: Auch Kletterer können zu mehr Nachhaltigkeit im Hardware-Bereich beitragen: Zum Beispiel, indem man nur noch uneloxierte Karabiner kauft, um Ressourcen zu sparen.