127 Hours: Die Aron Ralston-Story

Der Outdoorer und Extremsportler im Interview
127 Hours: Die Aron Ralston-Story

127 Stunden steckte Aron Ralston in einem Canyon fest – bis er seinen eingeklemmten Arm mit einem Messer amputierte. Seine Geschichte ist so spektakulär, dass sie verfilmt wurde und ein Buch darüber erschien. Wir vom Outdoor Magazin haben im Interview mit Aron Ralston über sein Leben gesprochen.

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Foto: Kurt Markus

Wie ist die Geschichte von Aron Ralston?

Aron Ralston ist Extremsportler und hatte vor seinem Unfall schon unzählige Touren als versierter Wanderer und Bergsteiger allein unternommen, oftmals ohne eine Nachricht bei der Familie oder Freunde zu hinterlassen, wohin er aufbrechen würde. Während seiner Klettertour im April 2003 durch den Bluejohn Canyon Utahs löste sich dann jedoch ein tonnenschwerer Felsbrocken und klemmte seinen Arm ein. Nach der schmerzhaften Amputation musste sich Ralston selbst abseilen und zehn weitere Kilometer durch den Horseshoe Canyon laufen, bis er auf Touristen traf, die den Notruf wählten. Sein Buch gibt es um 10 Euro auf Amazon

Was macht Aron Ralston heute?

Aron Ralston hat gemeinsam mit seiner Ex-Frau Jessica Tusty (Heirat 2009 – Scheidung 2012) einen Sohn: Leo Ralston. Outdoorer ist er geblieben, allerdings geht er auf deutlich weniger und vor allem leichtere Touren – in Begleitung. Gelegentlich arbeitet er als Bergführer und besteigt auch den ein oder anderen Berg mit Freunden. Allerdings geht es ihm heute vielmehr darum, Zeit mit den Liebsten zu verbringen, als Trips zu machen, die das Ansehen und das Ego steigern.

Worum geht es im Film" 127 Hours"?

Der Film "127 Hours", der am 29. Juli 2011 auf DVD erschien, erzählt die wahre Geschichte des Kletterers Aron Ralston, der während einer Tour durch den Bluejohn Canyon Utahs in eine üble Situation gerät. Ein Felsbrocken klemmt seinen Arm ein. Da Ralston in einer isolierten Schlucht steckt und niemandem eine Nachricht hinterlassen hat, wo er unterwegs ist, sind seine Chancen auf Rettung miserabel. Fünf Tage lang hofft er und versucht alles, um sich zu befreien. Schließlich erkennt er, dass er nur eine Wahl hat, um zu überleben: Er amputiert sich selbst den Arm. Die DVD/Blu-ray/Prime Video könnt ihr hier auf Amazon kaufen

Aron Ralston im Interview mit dem Outdoor Magazin

Im Gespräch mit outdoor spricht Ralston über seine Gefühle und Ängste, seine Meinung zum Film und die Bekanntheit, die er dadurch erlangt hat.

outdoor: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie den Film zum ersten Mal gesehen haben?

Ralston: Jedes Mal, wenn ich ihn mir anschaue, bin ich sehr bewegt. Ich muss an vielen Stellen weinen, besonders, wenn ich den Film mit meiner Mutter Donna Ralston oder meiner Schwester ansehe. Vor allem bei den Rückblenden, in denen ich mich an meine Familie erinnere: die Szene, in der ich mit meinem Vater zum Grand Canyon fahre, die, in der wir im Wohnzimmer sitzen und Klavier spielen. Das erinnert mich an all das, was mir meine Familie gegeben hat.

outdoor: Fanden Sie sich im Film gut getroffen? Sie kommen als ziemlicher Draufgänger rüber.

Ralston: Ich bin damals arrogant gewesen, und das hat sich nach dem Unfall eher noch verstärkt. Nachdem ich überlebt hatte, war ich davon überzeugt, dass meine Fähigkeiten noch größer wären, als ich ohnehin schon dachte. Ich habe weiterhin Alleingänge unternommen (Anm. d. Red.: Ralston bestieg in der Zeit vor und nach seinem Unfall alle 59 Viertausender im US-Bundesstaat Colorado im Alleingang). Ich wollte zeigen, dass unser Geist das größte Werkzeug ist, das wir haben, wenn wir draußen unterwegs sind. Und dass wir unsere Ängste überwinden können, um immer größere Abenteuer zu erleben.

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich die Lektion begriff, die mir der Canyon erteilt hatte. Erst nach und nach habe ich mich verändert. Ich habe innerhalb eines Jahres drei Freunde durch Selbstmord verloren, ich hatte selbst eine schwere Depression, die ich überwinden musste. Dann traf ich meine jetzige Frau, wir haben geheiratet und ein Baby bekommen. Das waren ganz schön viele Veränderungen, und ich bin glücklich, dass ich mich weiterentwickelt habe. Ich musste erwachsen werden – sehr viel erwachsener.

outdoor: Konnten Sie sich den Arm nur abtrennen, weil Ihr Wille so stark war, oder würde in dieser Situation jeder so handeln?

Ralston: Ich denke, dass jeder Mensch in einer ähnlichen Situation über sein Leben nachdenkt, und wenn er hoffnungslos und motiviert genug ist, dann kann er sich auch den Arm amputieren. Natürlich wird man umso motivierter, je länger man der Situation ausgesetzt ist. Solche Schwierigkeiten ermöglichen es einem herauszufinden, was im Leben wichtig ist. Und wenn etwas wichtiger ist, als der Schmerz, den man beim Abtrennen eines Armes erleidet, tut man es. Im Film wird das an der Stelle deutlich, in der ich mir die Arme breche. Jedes Mal, wenn ich mir diese Szene anschaue, muss ich lächeln.

Aron Ralston über das Leben, Helden und den Blue John Canyon

outdoor: Und was ist für Sie das Wichtigste in Ihrem Leben?

Ralston: Es ist das, woran ich während dieser fünfeinhalb Tage am meisten gedacht habe: meine Familie und meine engsten Freunde. Für sie habe ich mich mit einer Kamera gefilmt, die ich zufällig dabeihatte. So habe ich die mir nächsten Personen in den Canyon gebracht, um ihre Liebe zu spüren und um meine Dankbarkeit ihnen gegenüber auszudrücken für alles, was sie für mich getan haben. Es waren diese nahen Beziehungen, für die ich im Angesicht des Todes am dankbarsten war und die ich bis dahin viel zu wenig geschätzt hatte. Auf den Videos habe ich mein Bedauern darüber geäußert. In den Jahren danach entwickelte ich diesen Gedanken weiter. Dabei habe ich für mich herausgefunden, dass es auf die Beziehungen zu Menschen ankommt und darauf, eine erfüllende Arbeit zu haben, etwas, das größer als mein eigenes Leben ist. Und das verbindende Element in diesen drei Dingen ist, dass es nicht um mich geht, sondern um andere. Mir geht es darum, von diesem Egoismus loszukommen, der mein früheres Leben bestimmt hat. Ich tue das, indem ich meine Geschichte mit anderen teile. Ich möchte, dass der Film die Leute berührt, inspiriert und ermutigt.

outdoor: Was hat Ihr Leben mehr verändert, der Verlust Ihres Armes oder die Bekanntheit, die Sie dadurch erlangt haben?

Ralston: Den Verlust meines Armes habe ich nicht wirklich als Verlust empfunden, denn ich habe ja mein Leben dafür zurückbekommen. Die Veränderung kam durch die Erfahrungen, die ich im Nachhinein gemacht habe. Ein Ereignis hat mich besonders berührt: Nach meinem Unfall schrieb mir eine Frau, dass ihr mein Schicksal geholfen hat, aus einer schweren Depression herauszukommen. Ihr Brief ermutigte mich, ein Buch zu schreiben. Ich begriff, dass ich meine Geschichte dazu verwenden kann, um anderen Leuten zu helfen, dabei zu helfen, die Wildnis zu erhalten, die Umwelt zu schützen. Die Geschichte, wie ich meine Hand verloren habe, war das größte Geschenk meines Lebens. Ich hätte meine zerschmetterte Hand ja sowieso verloren, auch ohne eine Selbstamputation, etwa wenn ich mit einem Partner unterwegs gewesen wäre oder wenn man mich früher gefunden hätte. Es hat mein Leben in jeder Hinsicht geändert. Die Erfahrung mit den Medien war natürlich ein Teil davon, ich konnte dadurch viele Leute erreichen.

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Kurt Markus
outdoor: Manchmal werden Sie als Held bezeichnet, was ist Heldentum für Sie?

Ralston: Ich habe meine Probleme mit diesem Begriff, denn was ich im Canyon tat, habe ich für mich getan. Helden tun Dinge für andere. Ich war eher ein Antiheld, als ich in die Schlucht ging, ein überheblicher, selbstbezogener Draufgänger, und im Großen und Ganzen bin ich das auch noch ein paar Jahre lang geblieben. Die Helden in meiner Geschichte sind die Rettungskräfte oder die holländische Familie, die mich entdeckt hat, oder meine Mutter, die die Rettung organisiert hat. Wir sind immer dann am heroischsten, wenn wir etwas für andere tun.

outdoor: Im Frühjahr 2010 wurde Ihr Sohn geboren. Hat sich dadurch Ihre Einstellung zum Risiko geändert?

Ralston: Geändert hat sich, wem ich meine Zeit widme. Ich verbringe nicht mehr so viel Zeit mit Outdoor-Abenteuern, und wenn, unternehme ich viel leichtere Touren als früher und mache auch keine Alleingänge mehr. Ich arbeite gelegentlich ein bisschen als Bergführer, hin und wieder besteige ich auch mit meinen Freunden einen Berg, aber dann geht es mir mehr darum, Zeit mit ihnen zu verbringen, als darum, mein Ansehen zu steigern oder mein Ego zu füttern. Ich möchte meine Aufmerksamkeit meinem Sohn widmen, und ich will nichts tun, was das gefährden könnte.

outdoor: Würden Sie den Blue John Canyon empfehlen?

Ralston: Definitiv. Es ist ein fantastischer Canyon. Ich würde die ganze südliche Wüste von Utah empfehlen. Für mich ist das eine sehr spirituelle Landschaft. Natürlich hat der Canyon eine unglaubliche Bedeutung für mich erlangt, ich war seit meinem Unfall bestimmt zehn Mal dort. Die Hälfte davon mit dem Filmteam, um ihnen zu zeigen, wie es ist, in der Einsamkeit unterwegs zu sein. Aber ich empfehle auch, sich gut vorzubereiten und sich immer abzumelden. Und nehmen Sie ein Messer mit!

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