Grundsätzliches zum Weg
Die Via Alta Idra verbindet auf 100 Kilometern mit 8.700 Höhenmetern im Aufstieg und fast 11.000 im Abstieg den Nufenenpass im Nordwesten mit Tenero im Südosten. Es handelt sich um eine anspruchsvolle Höhenwanderung mit ausgesetzten Passagen, die Kondition und Schwindelfreiheit erfordert. Die Etappen 7 bis 10 sind identisch mit dem Höhenweg Via Alta della Verzasca und besitzen überwiegend die Schwierigkeitsgrade T5 und T6.
Via Alta Idra: Wegverlauf & Etappenübersicht
- ZUR CRISTALLINA-HÜTTE, 10,8km, 7h: Offiziell geht es an der Corno-Gries-Hütte los, dorthin läuft man 1 Stunde von der Alpe Cruina. Eine der anspruchsvollsten Etappen (bis T6).
- ZUR CAPANNA GARZONERA, 15,4km, 7h: Die längste Etappe führt technisch nicht allzu schwer (T3/T4) auf einem traumhaften Höhenweg zahlreichen Gipfeln vorbei.
- ZUR CAPANNA LEÌT, 8,3km, 4h: Von steinigen Bergwelten geht es am dritten Tag auf eine liebliche Hochebene. Schwierigkeit T3/T4.
- ZUR CAPANNA CAMPO TENCIA, 4,3km, 2h: Auf dieser kurzen, einfachen Tour (T3) bietet sich Chillen am Lago Morghirolo an – oder ein Abstecher auf den Campo Tencia (3072 m).
- ZUR CAPANNA ALPE SPONDA, 6,5km, 4h: Geröll und glatte Felsen, der Ghiacciaione-Pass (2716 m) und schließlich der wilde Chironico-Talschluss kennzeichnen diese Etappe. T4.
- ZUR CAPANNA BARONE, 5,1 km, 3 h: Über Almgelände und steile Felsen vorbei am Barone-See geht es zu den Bergen über dem Verzasca-Tal. T4.
- ZUR CAPANNA CÒGNORA, 7,1km, 4h:Von hier an bewegt man sich auf dem Verzasca-Höhenweg – erst moderat, gen Etappenende auf schmalem Steig durch steile Flanken. T3/T4.
- ZUR CAPANNA EFRA, 8km, 6h: Mit luftigen Abschnitten und Handeinsatz verläuft die Route über drei Gipfel über 2700 Meter und eine sehr ausgesetzte Felsscharte. T5/ T6.
- ZUR CAPANNA CORNAVOSA, 13km, 8h: Interessantes Gestein und eine aussichtsreiche Passage, die wie ein versteinertes Rückgrat wirkt, beeindrucken auf Etappe 9. T5.
- ZUR CAPANNA BORGNA, 8,2km, 6h: Auf dem Gratfirst des Valle di Lodrino fühlt man sich fast wie ein Seiltänzer – drei Kilometer lang. T4/T6.
- ZUR CAPANNA MONTI MOTTI, 9,4km, 4h: Alpin und mediterran, mal dürr, mal fruchtbar: mit Kurs auf den Lago Maggiore eine kontrastreiche, technisch einfachere Etappe (T3).
- ZUM ZIELORT TENERO, 5,3km, 2h: Durch Wälder und vorbei an alten Trockenmauern geht es entspannt (T2) hinab in die Tenero-Ebene.
So kommt ihr auf die Via Alta Idra im Tessin
Der Ort Lavorgo ist per Bahn erreichbar, Fahrtzeit ab Zürich etwa 2:40 Stunden (sbb.ch). Wer mit dem Auto anreist, folgt von Norden kommend der Autobahn A 2 in Richtung Bellinzona bis Faido und weiter nach Lavorgo. Herumkommen Am Bahnhof Lavorgo parkt man für 5 CHF pro Tag /40 CHF pro Monat. Von dort per Bus mit Umsteigen in Airolo zur Alpe Cruina (Fahrtzeit ca. 1,5 Std.).
Wenn man alle zwölf Etappen der Via Idra von Cruina bis Tenero wandert, ist es angenehm, das Auto am Zielort zu haben: in Tenero parken, mit dem Zug über Bellinzona nach Airolo fahren und von dort mit dem Bus nach Cruina zum Start der Tour (Fahrtzeit ab 3 Std.). Fahrpläne und Kartenverkauf: sbb.ch
Karten und Infos
- SwissTopo Landeskarte Nufenenpass 265 T und SwissTopo Landeskarte Valle Leventina 266 T.
- Für die letzten fünf Etappen: SwissTopo Landeskarte Val Verzasca 276 T. Jeweils 1:50.000, 19 Euro. Erhältlich etwa über das-landkartenhaus.de
- Genaue Infos zum Weg, GPX-Daten, Höhenprofile und Links zu den Hütten finden sich unter viaidra.ch
- Beste Zeit: Je nach Schneeverhältnissen ist die Via Alta Idra von Ende Juni bis Mitte Oktober wanderbar.
Berghütten und Unterkünfte auf der Via Alta Idra
Übernachtet wird in Berghütten – teils bewirtschaftet, teils unbewartet. Die Kosten reichen von 13 CHF (12 Euro) in unbewarteten bis 80 CHF (74 Euro) in bewirtschafteten Hütten mit Halbpension. Reservierungen sind meist online möglich. Die Hütten im Überblick:
- Capanna Corno Gries (2338 m), 46 Schlafplätze, bewirtschaftet, corno-gries.ch;
- Capanna Cristallina (2572m), 120 Schlafplätze, capannacristallina.casticino.ch
- Rifugio Garzonera (1973 m), 20 Schlafplätze, unbewartet, satritom.ch;
- Capanna Leìt (2257m), 64 Schlafplätze, bewirtschaftet, capanna-leit.ch;
- Campo Tencia Hütte (2140 m), 39 Schlafplätze, bewirtschaftet, campotencia.casti cino.ch/de;
- Capanna Alpe Sponda (1997m), 46 Schlafplätze, bewirtschaftet, satchiasso.ch/capanna;
- Capanna Barone (2172 m), 35 Schlafplätze, unbewartet, sev-verzasca.ch/barone;
- Capanna Cògnora (1938 m), 20 Schlafplätze, unbewartet, sev-verzasca.ch/cognora;
- Capanna Efra (2039 m), 25 Schlafplätze, unbewartet, sev-verzasca.ch/efra;
- Capanna Cornavosa (1991m), 25 Schlafplätze, unbewartet, sev-verzasca.ch/cornavosa;
- Capanna Borgna (1912 m), 18 Schlafplätze, unbewartet, sev-verzasca.ch/borgna;
- Osteria Monti Motti (1072m), 12 Zimmer, Tel. 0041/(0)91/7450196
Unterwegs essen: Auf den bewirtschafteten Hütten gibt es Essen, auf den anderen meist Speisekammern, an denen man sich frei bedient (bitte ehrlich bezahlen!). Zudem empfiehlt sich ein Grundproviant.
Noch mehr Eindrücke vom Höhenwanderweg auf der Via Alta Idra
Steil ragen die Berge im südlichsten Kanton der Schweiz über grünen Tälern gen Himmel. Entsprechend reich an Höhenmetern fallen die meisten Wanderungen aus, sofern man nicht im Tal einem der unglaublich klaren Flüsse folgt. Halten Wanderer sich aber an einen der langgezogenen Bergzüge, sieht die Sache ein wenig anders aus: Tagelang bleiben sie in Höhenlagen um 2000 Meter. Es geht zwar auf und ab, aber nicht ganz so höhenmeterreich wie bei den Bergtouren, die im Tal beginnen und enden. Umso herausfordernder sind dafür die schmalen, oft holprigen und stellenweise sehr ausgesetzten Pfade.
Zu den Klassikern unter den Tessiner Höhenwegen gehören die Via Alta Vallemaggia, die auf der Bergkette zwischen dem Maggia-Tal unddem Verzasca-Tal verläuft, und die Via Alta della Verzasca zwischen Verzasca-Tal auf der einen und Levantina und Riviera auf der anderen Seite. Neu reiht sich seit 2018 die Via Alta Idra ein: Vom Nufenenpass im Nordwesten führt sie Richtung Südosten zur Capanna Barone oberhalb des kleinen Dorfes Giornico und dann – auf den folgenden vier Etappen identisch mit der Via Alta della Verzasca – weiter nach Tenero am Lago Maggiore. Insgesamt kommen rund 100 Kilometer, 8700 Höhenmeter im Aufstieg und knapp 11 000 im Abstieg zusammen. Wer nicht extrem bergfest ist oder nur eine Woche Zeit hat, geht die ersten sechs Etappen und steigt bei Giornico ab, bevor mit dem Verzasca-Höhenweg die härtesten Etappen anstehen.
Beim Tourauftakt auf 2000 Metern Höhe, an der Postautohaltestelle der Alpe Cruina, weht der Wind oft frisch. Gemütlich wandert man sich dann zwischen grünen Almweiden ein, nach einer Stunde ist die Capanna Corno Gries erreicht, der offizielle Start der Via Alta Idra. Mit ihrem ausladenden Holzbau auf den grauen Steinmauern erinnert die Hütte an ein Raumschiff, und wer pünktlich gestartet ist, leistet sich hier eine Kaffeepause und genießt den Blick auf die dramatisch gezackten Kämme des Valle Bedretto. Oder darf es schon etwas zu essen sein? Die Capanna Corno Gries gehört zu den drei Schweizer Hütten, die vom Alpenverein SAC als kulinarisch besonders lohnend hervorgehoben werden.
Gut gestärkt sollte man jedenfalls sein, wenn der Bergwanderweg am Passo San Giacomo (2254 m) in einen alpinen Steig übergeht. Gleich auf Etappe eins führt die Route schon über den höchsten Punkt der Tour, kurz unterhalb der Cima di Lago (2833 m). Die letzten zweihundert Meter dorthin bilden die größte Herausforderung des Tages, für manche Wanderer sogar der gesamten Via Alta Idra: Durch das steile Felscouloir des Canale del Becco geht es mit Hilfe von Fixseilen und Trittstufen. »T6«, die härteste Bewertungsstufe für Bergtouren, die so gerade noch als Wanderungen durchgehen, besitzt der Weg hier. Was für ein Hochgefühl, wenn diese Klettersteigpassage geschafft ist und der Blick wieder in die Weite schweift, statt sich auf den nächsten Schritt zu fokussieren! Und welche Zufriedenheit, wenn man eine gute Stunde später die Capanna Cristallina (2568 m) erreicht, ein modernes Holzgebäude, 2003 eröffnet. Sogar warme Duschen gibt es.
Auf den Spuren der Alphirten
Weniger komfortabel, aber dafür umso uriger fällt die Unterkunft nach Tag zwei aus: Beim unbewirtschafteten Rifugio Garzonera handelt es sich um eine ehemalige Alphütte, deren rustikales Flair beim Umbau zum Schutzhaus im Jahr 1988 erhalten blieb. Bruchsteinmauern, Steindach, viel Holz an den Innenwänden, großer Gemeinschaftsraum – ist das Smartphone einmal beiseite gelegt, fällt es gar nicht so schwer, sich das Leben der Hirten vor 100 Jahren vorzustellen. Inklusive deren rechtschaffener Müdigkeit am Abend, denn der heutige Tag war lang. 15,4 Kilometer liegen hinter einem, die weiteste Etappe des ganzen Höhenwegs. Zwischen zahlreichen Gipfeln laden dabei eigentlich gleich drei Seen zur Pause ein. Nicht aber, wenn man einen Regentag erwischt ... Dann lassen sich auch die hier zahlreich vertretenen Murmeltiere nicht blicken. Umso wohltuender ist jetzt das Feuer im Holzofen der Hütte, und zum Kochen steht auch ein Gasherd bereit. Wenn sich dann noch in der Hüttenspeisekammer etwas Trinkschokolade als Nachtisch findet und man etwas Gutes zum Lesen dabeihat, darf der Abend auch etwas länger werden – steht doch am nächsten Tag eine deutlich kürzere Tour an, und als Ziel wartet mit der Capanna Leìt (2257 m) wieder eine bemannte Hütte. Dort haben Besucher dann die Wahl, ob sie sich bekochen lassen oder selbst in der Küche zu Pfannen und Töpfen greifen.
Lockruf eines Dreitausenders
Was für Hobbybergsteiger ein Viertausender ist, ist für Wanderer ein Dreitausender: eine besondere Herausforderung. Und wenngleich es sich beim Pizzo Campo Tencia mit 3072 Metern nicht um den höchsten Gipfel des Tessins handelt – das Rheinwaldhorn (3402 m) überragt ihn deutlich –, darf man ihn immerhin als höchsten Berg, der sich vollständig auf Tessiner Boden befindet, bezeichnen. Während das Rheinwaldhorn auf der Grenze zum Nachbarkanton Graubünden steht. Die Via Alta Idra kommt dem Campo Tencia ganz nahe, die nach ihm benannte Hütte, mit nepalesischen Gebetsfahnen geschmückt, bildet das Ziel von Etappe vier. Und diese ist mit knapp viereinhalb Kilometern und etwa zwei Stunden Gehzeit die kürzeste aller Idra-Etappen. Was liegt da näher, als von der Capanna Campo Tencia aus einen Abstecher zu der markanten Pyramide mit bestem Rundumpanorama einzuplanen? Etwa drei Stunden dauert der Aufstieg auf der Normalroute (930 Hm).
Allerdings: Auch die weite Aussicht von der Terrasse der Tencia-Hütte auf die umliegende Bergwelt begeistert. Kein Wunder, dass im Jahr 1912 dieser Standort für die erste Alpenhütte im Tessin gewählt wurde! Cappuccino und Kuchen vor dem heutigen, moderneren Gebäude tun ihr übriges dazu, dass man es hier mehr als gut aushält. Und dann locken in direkter Umgebung auch noch Klettergärten mit Routen von ganzunterschiedlichen Längen und Ansprüchen.
Charmante Hüttenvielfalt
Keine Frage: Neben der spektakulären Hochgebirgsnatur, den steilen Flanken, grünen Almen und zahlreichen Bergseen sind es nicht zuletzt die unterschiedlichen Unterkünfte, die den Charme der Via Alta Idra ausmachen. Der Bergführer Giovanni Galli, Präsident des SAC Tessin, konzipierte die Wanderroute bewusst so, dass sie ansprechende Hütten und abwechslungsreiche Wege kombiniert. Überwiegen auf der ersten Hälfte noch die bewirteten Schutzhäuser, wandert man ab Etappe sechs – wenn der Idra-Höhenweg sich mit der Via Alta delle Verzasca vereint – bis Etappe elf von einer Selbstversorgerunterkunft zur nächsten. Ähnlich wie norwegische Selbstversorgerhütten besitzen sie Speisekammern oder Vorratsschränke mit haltbaren Lebensmitteln wie Polenta, Pasta, Haferflocken und Konserven, mitunter sogar Wein, die ebenso wie die Übernachtung auf Vertrauensbasis in die Hüttenkasse gezahlt werden. Ein fast kindliches Vergnügen, das Durchstöbern der Vorräte! Aber wenn sich am Vortag gerade ein Trupp besonders hungriger Wanderer bedient hat und das Aufstocken erst für den nächsten Tag angesetzt ist, kann es in den Regalen auch mau aussehen. In dem Fall lassen sich hoffentlich noch eigene Spaghetti aus dem Rucksack zaubern, und man hat für das Frühstück zumindest noch ein paar Müsliriegel am Start – denn wer auf diesen anspruchsvollen Pfaden mit Energiedefizit wandert, erhöht sein Unfallrisiko ganz immens.
Ganz egal, ob man nur die ersten sechs Etappen der Via Alta Idra wandert oder auch die Via Alta della Verzasca mitnimmt: Der Abstieg vondiesen wilden Höhenzügen, die sich wie das Rückgrat eines riesigen versteinerten Drachens dahinschlängeln, und die Rückkehr in die Zivilisation bedeuten nach Tagen fern von Lärm und Hektik eine Art Minischock. Am besten bleibt man da erstmal noch eine Nacht in einem kleinen Tessiner Bergdorf – als Zwischenstufe, bevor es wieder in den normalen Alltag geht.