Wandern im Naturpark Fanes-Sennes-Prags

Dolomiten: Naturpark Fanes-Sennes-Prags
Seekofel & Co.: Wandern in den Pragser Dolomiten

In der einsamen Karstwildnis der Südtiroler Fanes-und Sennes-Hochebene erwarten Wanderer grandiose Aussichten. Die schönsten Tageswanderungen im Naturpark Fanes-Sennes-Prags stellen wir Ihnen hier vor.

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Foto: Ben Wiesenfarth

Die Lichter der Stirnlampen formen kleine Kegel auf dem Weg, Kies knirscht unter den Schuhen. Hin und wieder schimmern helle Flecken aus der Dunkelheit, die sich bei näherem Hinsehen als Kalkfelsen entpuppen. Wie verschüttete Perlen bedecken sie die grasige Ebene. Nur die dunklen Schemen, die sich allmählich vom heller werdenden Himmel abheben, lassen erahnen, dass der Wanderer hier von hohen Bergen umgeben ist. Wer so im Halbschlaf auf den breiten Wegen der Sennes-Alm ins Morgengrauen trottet, glaubt kaum, dass die Gegend Spektakuläres zu bieten hat.

Doch Guide Luca hat seine Gäste nicht umsonst mitten in der Nacht aus den Stockbetten der »Munt de Sennes« geholt. Unmerklich erst, dann immer deutlicher wirft sich das Gelände zu einem Buckel auf, wird steiler und steiler, das Gras schwindet mehr und mehr, bis der Pfad nur noch über Felsen, Geröll und Steinplatten führt – zum Ziel der Bergtour, auf den 2810 Meter hohen Seekofel. Nähert man sich seinem Gipfel von Südwesten, ähnelt der Berg entfernt an den Halfdome im kalifornischen Yosemite-Nationalpark. [Link auf https://www.outdoor-magazin.com/touren/amerika/magic-places-yosemite-valley-in-kalifornien-usa.651900.3.htm]

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Ben Wiesenfarth
Abgrundtief schön: Blick auf den Pragser Wildsee.

Schönstes Gebirge der Welt?

Der Seekofel steht zwar nicht allein, ist nicht ganz so rundgeschliffen wie sein großer Onkel aus Amerika und anstatt aus Granit aus Kalkgestein, doch bricht er ebenso jäh gleich am höchsten Punkt senkrecht in die Tiefe. Auch in puncto Aussicht hält der Berg 15 Kilometer südöstlich von Bruneck in Südtirol durchaus mit, denn längst nicht nur Reinhold Messner ist der Meinung, dass die Dolomiten das »schönste Gebirge der Welt« sind. Davon können sich Lucas Gäste heute Morgen selbst überzeugen. Der 33-jährige hat die Tour so geplant, dass seine Gruppe zum Sonnenaufgang am Gipfel steht. Dichte Wolkenbänder bedecken den Horizont, nahezu unwirklich tauchen nach und nach die Berge aus dem Dämmer auf.

Im Norden, am Alpenhauptkamm, erstrecken sich die weißgrauen Eispanzer der Rieserfernergruppe, in den übrigen Himmelsrichtungen präsentiert sich, gleich hinter der Sennes-Alm, die High Society der Dolomiten: Im Osten ragen die Drei Zinnen empor, im Westen Peitlerkofel und Tofana, dahinter schimmern die Schneefelder der Marmolata. Ganz im Süden thront die gewaltige Bastion des Monte Pelmo.

Im wahrsten Sinne nur einen Steinwurf weit entfernt, wenn auch über 1400 Höhenmeter tiefer, ruht smaragdgrün der Pragser Wildsee. »Mehr Bergprominenz auf einen Blick ist in den Dolomiten schwer zu finden«, sagt der Guide aus St. Vigil. Fast ungläubig schweifen die Blicke seiner Gäste über die Szenerie. Zur Krönung bricht dann auch noch die Sonne durch und taucht die Bergwelt in warmes, goldenes Licht. Als ob er einen davor bewahren müsste, von der ganzen Pracht überwältigt zu werden, liefert Luca ein paar nüchterne Fakten. »Die ganzen Berggruppen, die ihr hier seht, waren vor mehr als 250 Millionen Jahren Korallenriffe im Urmeer Tethys. Das wird unter anderem durch Fossilien wie Ammoniten belegt«, sagt Luca.

Im Reich der Murmeltiere

Fast kann man es sich vorstellen, wie die Spitzen von Monte Pelmo, Pleitlerkofel und Drei Zinnen aus dem türkisfarbenen Wasser einer längst verebbten Südsee ragten, doch so einfach ist es dann doch nicht. »Später machten sich die Eismassen mehrerer Kaltzeiten ans Werk, schliffen Täler, Kare und Rundbuckel heraus«, fügt er hinzu. So trennt heute zum Beispiel das grüne Band des Rautals die bleichen Karstflächen der Sennes- und Fanes-Alm. Die Stichstraße, die durch das Tal zur Pederü-Hütte führt, ist vom Seekofel aus nicht zu erkennen, sie wird durch Bäume verdeckt. Vom Parkplatz am Talschluss aus gelangen Wanderer in gut zwei Stunden zur nördlich gelegenen Munt de Sennes. Wer auf die Fanes-Alm möchte, wandert von Pederü nach Süden und folgt der Markierung des Dolomitenhöhenwegs 1 hinauf ins Fanes-Tal.

Nach Unwettern sind Teile der Strecke mit Schutt überspült, heller Staub klebt an den Zweigen der Latschenkiefern. Erst an der Kleinfanes-Alm wird die Umgebung lieblicher. Durch blütenreiche Wiesen und baumbestandene Hochmoorflächen windet sich gemächlich der Vigilbach. Wenige Wegbiegungen später ziehen sich die Felsbänder des Parlaments der Murmeltiere wie gigantische Treppen am Hang entlang. »Willkommen im Herzen der ladinischen Sagenwelt«, sagt Luca. Und erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Untergang des Fanes-Volks. Murmeltiere, so heißt es, verhalfen den letzten Überlebenden der Fanes zur Flucht ins Innere der Berge, wo sie noch immer im Verborgenen leben. Die Nager hingegen bekommt man oft zu Gesicht – oder hört zumindest ihre schrillen Warnpfiffe an den steinigen Hängen widerhallen.

Seen und Aussichten auf der Fanes-Hochfläche

Nur einen Katzensprung entfernt liegt die Lavarella-Hütte. Tagesausflügler gönnen sich eine Einkehr, Tourengeher nutzen die Hütte als Basis für eine Gipfelbesteigung: Mehr noch als die Sennes-Alm biegt sich das Fanes-Plateau wie eine riesige Pfanne im Südwesten zu den teils mehr als dreitausend Meter hohen Spitzen von Neuner-, Zehner-, und Heiligkreuzkofel sowie Lavarella und Conturines auf, um dann in gewaltigen Steilwänden in das Gadertal abzufallen. Kletterern sind sie ein Begriff, am Heiligkreuzkofel etwa schrieben 1968 Günther und Reinhold Messner [Link auf https://www.outdoor-magazin.com/themen/reinhold-messner.542476.3.htm] mit ihrer Erstbegehung des »Mittelpfeilers« Alpingeschichte – der damals schwierigsten Kletterroute überhaupt. Glücklicherweise muss man sich nicht mit Bergsteigerlegenden messen, um den beeindruckenden Fernblick vom Gipfel zu genießen: Von der Fanes-Hochfläche aus erklimmen Wanderer den 2907 Meter hohen Berg Heiligkreuzkofel über die Kreuzkofelscharte auf einem langen, aber gut zu bewältigenden Weg.

Empfehlenswert: Wanderung zur Großfanes-Alm

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Ben Wiesenfarth
Auf der Großfanes-Alm kann man nur einkehren, nicht übernachten.

Viel gemütlicher spaziert man dagegen zur Großfanes-Alm. Still mustert der Grünsee die Vorbeiwandernden aus seinem moosgrünen Auge. Als einziger See im Naturpark mit oberirdischem Zu- und Abfluss ist er eine kleine Besonderheit, denn das Fanes-Sennes-Gebiet ist wie kaum ein anderes in den Dolomiten von Karst-Verwitterungsformen geprägt. Fast überall verschwindet das Wasser im zerklüfteten Gestein. Gut hundert Höhenmeter weiter oben steht man am Ufer des gelbgrünen Limosees. Kleiner Enzian und Edelweiß blühen am Weg, der nun wieder sanft bergab zur Großfanes-Hütte leitet. Die Wasserflaschen werden am Brunnen gefüllt, die Brotzeit auf der Terrasse serviert. Die Aussicht ist großartig. Von bizarren Gipfeln umgeben und unzähligen weißen Gesteinsbrocken übersät, mutet das wilde Hochtal an wie eine andere Welt. Edisch klingt es, wenn Luca sich mit dem Hüttenwirt auf Ladinisch unterhält. Die einst in den Alpen weit verbreitete Sprache wird nur noch in wenigen Regionen gesprochen.

Vor der Hütte weht neben der italienischen auch die ladinische Flagge. »Ihre Farben symbolisieren die Farben der Landschaft«, erklärt Luca. »Blau für den Himmel, Grün für die Wiesen, Weiß für die schneebedeckten Berge.« Ebenso gut könnte das Weiß für die bleichen Felsen stehen, die das Gesicht dieser Gegend so sehr prägen. Nicht nur für Kletterer stellt diese Felswildnis eine permanente Versuchung dar. Immer wieder wandert auch der Blick der Wanderer in die höchsten Höhen, immer wieder stellen sich auch Lucas Gäste die Frage, ob es dort oben noch gangbare Wege gibt. Im Falle der 3063 Meter hohen Conturines-Spitze, des höchsten Bergs der Fanes-Gruppe,weiß der Guide die Antwort: »Man sollte absolut trittsicher und schwindelfrei sein.« Jetzt, kurz vor Mittag, bilden sich Quellwolken über den bleichen Zinnen. »Ach ja«, fügt er hinzu, »Und Frühaufsteher muss man natürlich auch sein.«

Reiseinfos Pragser Dolomiten

OD 0414 Südtirol Sextener Dolomiten Pragser Wildsee Naturpark Fanes-Sennes-Prags
Ralf Bücheler
Sextener Dolomiten Pragser Wildsee

Über den Naturpark Fanes Sennes Prags
Der 1980 gegründete Naturpark Fanes Sennes Prags liegt in den Südtiroler Dolomiten zwischen Gadertal und Pustertal, rund 80 Kilometer nordöstlich von Bozen. Das über 250 Quadratkilometer große Gebiet ist geprägt von Almen und Hochflächen, die von zahlreichen Gipfeln eingerahmt werden. Höchster Gipfel im Park ist die Hohe Gaisl (3146 m).

Hinkommen
Mit dem Auto von München via Innsbruck und über die Brennerautobahn bis Ausfahrt Brixen-Pustertal und nach St. Vigil in Enneberg. Von dort erschließt sich der Naturpark über das Rautal. Bahnreisende fahren bis Franzensfeste, wo sie auf den Lokalzug nach Bruneck umsteigen. Dann weiter mit dem Bus.

Herumkommen
Es gibt Busse, die auch Wanderparkplätze ansteuern (sii.bz.it). Manche Gastgeber vergeben den »Premium Pass«, mit dem man während der Sommersaison öffentliche Verkehrsmittel kostenlos nutzen kann.

Beste Reisezeit
Je nach Schneelage vom späten Frühjahr bis in den Herbst, die meisten Hütten haben von Juni bis Oktober geöffnet.

Informieren
Der Rother-Wanderführer »Dolomiten 3« gibt viele detaillierte Tourenvorschläge, Preis: 14,90 Euro.
Auf der Website des Tourismusverbandes sowie dem Online-Portal Sentres finden sich zahlreiche weitere Tipps zu Unterkünften und Touren. www.kronplatz.com, www.sentres.com

Karten: Tabacco-Wanderkarte Pragser Dolomiten, Blatt 031, im Maßstab 1:25.000, Preis: 10 Euro. Kompass-Wanderkarte 145, Pragser Dolomiten, Naturpark Fanes-Sennes-Prags, im Maßstab 1:25.000, Preis: 7 Euro.

Unterkünfte im Naturpark Fanes-Sennes-Prags

Berggasthaus Albergo rifugio Pederü
Das am Ende des Rautals gelegene Gasthaus Pederü ist eine ideale Basis für Wanderer. Näher an Fanes und Sennes übernachtet man nur auf den Berghütten. Neben Einzel- und Doppelzimmern gibt es auch ein Bettenlager. Doppelzimmer mit Frühstück ab 50 Euro. www.pederue.it

Campingplatz in St. Vigil
Der Campingplatz Al Plan am Ortsausgang von St. Vigil liegt nur wenige Autominuten vom Naturpark entfernt. Ein Erwachsener zahlt in der Hauptsaison 18,50 Euro mit Zelt, 23 Euro mit Wohnmobil. campingalplan.com

Wellnessoase Almhof Call in St. Vigil
Viel Komfort bietet das Vier-Sterne-Wellnesshotel Almhof Call in St. Vigil. Nach dem Wandern entspannen Gäste in der Wellnesslandschaft mit Pool und Sauna. Übernachtung im DZ ab ca. 110 Euro. almhof-call.com

Essen, Trinken, Aktivangebote in den Pragser Dolomiten

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Ben Wiesenfarth
Nach einem Tag im bleichen Fels der Fanes-Gruppe lockt ein goldenes Bier!

Hausgemachtes im Ciastel bei St. Vigil
In einem Schloss bei St. Vigil speisen Liebhaber der Südtiroler Küche in besonderem Ambiente. Die Zutaten für die Gerichte stammen aus hofeigener Landwirtschaft. Besonders lecker: Knödeltris aus Spinat-, Speck- und Käseknödel. www.ciastel.it

Ladinische Küche in der Osteria Garsun
Genuss ganz persönlich: Auf Voranmeldung kocht Luisa Obwegs für ihre Gäste ein hervorragendes ladinisches Menü aus vier bis fünf Gängen. Ein Anruf am Vormittag genügt. Preis ca. 25 Euro. Osteria Garsun, Tel. 0039/0474/501282.

Erlebnis Paragliding-Tandemflug am Kronplatz:
Über die Dolomiten zu gleiten ist ein absoluter Traum. Flugbegeisterte starten vom Kronplatz zu einem Tandemflug mit erfahrenen Guides. www.tandemflights-kronplatz.jimdo.com

Die schönsten Berge der Welt? – Impressionen im Video:

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