Thomas, warst du in dieser Saison schon auf Berghütten und hast dir angeschaut, wie es da jetzt läuft?
Thomas Bucher: Ja, ich war neulich auf der Priener Hütte. Wir haben einen Filmbeitrag gedreht, der zeigt, wie Gastronomie und Übernachtungen in der aktuellen Situation auf Hütten aussehen. Mein Eindruck dort war, dass es funktionieren kann. Übernachtet haben wir allerdings nicht, zu dem Zeitpunkt herrschte noch reiner Tagesbetrieb.
Hattest du den Eindruck, dass sich die vielen ungewohnten Regeln auf die Stimmung der Besucher auswirken?
Soweit ich es beurteilen kann, wirkten da alle guter Dinge, die Gäste ebenso wie die Hüttenwirtin. Nun war das aber auch in der Zeit kurz nach der Öffnung. Viele Menschen freuten sich, überhaupt wieder etwas in den Bergen zu unternehmen und dort auch einkehren zu können. Inzwischen sind wir weiter und wissen, dass die Regeln in Deutschland anfangs extrem streng und für viele Hütten nicht umsetzbar waren.
Wie sieht es eigentlich grundsätzlich aus, wird wieder in gewohntem Umfang gewandert?
Oh, es ist richtig viel los in den Bergen, mehr als zu normalen Zeiten. »Overtourism« lässt grüßen. Gerade in der Gegend südlich von München – da gab es überfüllte Wanderparkplätze noch und nöcher, auch Freiflächen wurden zugeparkt. Vor allem natürlich an Schönwetterwochenenden. Man merkt, dass die Leute durstig nach Bergen sind.
Du möchtest das Interview lieber als Podcast anhören – dann klicke hier:
Oder auch auf einer der gängigen Plattformen: iTunes, Spotify, Deezer, Audio now, Soundcloud, Acast, The Podcast App, Google Podcast-App auf Android-Smartphones, Lecton sowie Castbox, Podcast Addict und vielen anderen Podcast-Apps und Verzeichnissen.
Worauf muss ich mich denn einstellen, wenn ich diesen Durst auch verspüre, am Wochenende in die Berge gehe und dort auch übernachten will?
Als allererstes: Reservieren! Wer spontan auf einer Hütte übernachten will, wird dort garantiert abgewiesen. Bei der Ankunft wirst du dann von jemand aus dem Hüttenteam begrüßt, der deine Daten checkt und dir eine Einweisung in die Regeln gibt.
Schafft man es innerhalb von Berghütten tatsächlich, den Mindestabstand einzuhalten?
Stimmt, gerade die Gänge sind nicht allzu breit. Daher hat man, ähnlich wie in Supermärkten, alle möglichen Pfeile angebracht, und oft herrschen Einbahnstraßensysteme.
Und wie sieht es mit Blick auf Mund-Nasen-Schutz aus?
Der ist Pflicht, zumindest auf bayerischen Hütten. Immer dann, wenn ich nicht am Tisch oder in meinem Zimmer bin, brauche ich eine Maske. Ins Gepäck gehört außerdem ein richtiger Schlafsack statt des Hüttenschlafsacks, denn es gibt die gewohnten Decken nicht. Kopfkissen liegen noch aus, aber um sie zu benutzen, muss man einen Bezug mitbringen. Das waren jetzt mal die grundsätzlichen Dinge. Details erfährt man von den Betreibern direkt, schließlich ist jede Hütte ein bisschen anders gebaut.
Wie werden denn die Schlafplätze verteilt?
Nachdem anfangs nur Personen aus maximal zwei Hausständen einen Raum teilen durften, hat es Ende Juni eine Lockerung gegeben: Jetzt können bis zu zehn Personen aus mehreren Hausständen zusammen übernachten, sei es in einem Zimmer oder einem Matratzenlager. Allerdings muss so eine Gruppe gemeinsam reserviert haben oder gemeinsam unterwegs sein. Ich rede hier übrigens nur von Bayern. In Österreich, Italien und in der Schweiz sehen die Regeln noch etwas anders aus.
Wenn die Schlafplätze so begrenzt sind, muss ich dann extrem lange im Vorfeld buchen?
Das ist schwer zu sagen, weil Hütten unterschiedliche Buchungssysteme nutzen und manche erst jetzt, nach den Lockerungen, öffnen. Mein Tipp: direkt dort anrufen und fragen, wie es aussieht.
Und wenn ich nach einem Wettersturz den Schutz des alpinen Schutzhauses suche – darf der Wirt mich abweisen?
Nein. In echten Notfällen gilt an erster Stelle die Sicherheit für Leib und Leben. Genauso übrigens, wenn bei voller Terrasse ein Gewitter ausbricht: Dann dürfen alle rein, bis es zumutbar ist, die Hütte wieder zu verlassen.
Apropos Terrasse: Was ist, wenn ich nur einen Kaiserschmarrn essen möchte, ohne Übernachtung?
Dann sagt man das der Person am Empfangstresen und bekommt einen Platz zugeteilt. Sofern nicht alles belegt ist.
Viele Bergfreunde befürchten, als Tagesgäste an den Eingängen lange Schlange stehen zu müssen. Zu Recht?
Ich bin nach dem Besuch der Priener Hütte als Tagesgast auf zwei weiteren gewesen, da gab es solche Probleme nicht. Das mag hier und da anders sein, aber insgesamt funktioniert der Betrieb trotz Regelwerk recht gut, so mein Eindruck.
Mit den Corona-Beschränkungen entgehen den Wirten Einkünfte. Wird das dem einen oder anderen finanziell das Genick brechen?
Schwer zu sagen. Niedriger gelegene Hütten mit großer Terrasse und vielen Tagesgästen sehe ich nicht ganz so gefährdet. Aber Hütten wie das Brandenburger Haus auf 3277 Meter in den Ötztaler Alpen werden zu kämpfen haben, denn sie hängen von Übernachtungsgästen ab.
Gibt es für die Hüttenbetreiber Aussicht auf Hilfe?
Hüttenwirte sind Pächter – sie pachten eine Hütte von der besitzenden Sektion. Ich gehe davon aus, dass alle Wirte jetzt intensive Gespräche mit ihrer Sektion führen und gewisse Deals gemacht werden, etwa die Pacht verringert. Eine Hütte zu führen ist ein harter Job, und gute Wirte findet man nicht so leicht, also werden die Sektionen alles daran setzen, ihre Wirte zu halten. Wie es für sie am Ende der Saison aussieht, lässt sich jetzt aber noch nicht sagen.
Von staatlicher Seite dürfen Hütten keine besondere Unterstützung erwarten?
Momentan gelten sie als normale Unternehmer. Wenn sie etwa Angestellte haben, können sie Hilfe beantragen. Was wünscht sich der Alpenverein von der Politik? Praxisgerechte Regeln für die Hütten. Was anfangs verlangt wurde, etwa nach jedem Gast den Waschraum zu desinfizieren, ist nicht machbar. Die bayerische Regierung hat Ende Juni gute erste Schritte gemacht. Dabei ist uns natürlich klar, dass es ohne Corona-Auflagen derzeit nicht geht.
Wagst du eine Prognose für die diesjährige Alpensaison?
Ich glaube, dass der Bergsportboom weiter zunimmt, auch im kommenden Jahr noch. Auf Hütten wird man 2020 wohl immer eine Portion Geduld mitbringen müssen. Das scheint bisher auch erfreulich gut zu klappen.