Wer kennt ihn nicht, den Wunsch, direkt am Trail das Zelt aufzuschlagen und die Aussicht zu genießen? Ein Paar Packtaschen plus leichte Campingausrüstung, und los geht das Wagnis. Mal richtig raus aus allem. Ohne Hotelzimmer, Smartphone und Fernsehprogramm. Bikepacking heißt der jüngste Trend aus den USA und steht für die Synthese aus Mountainbiken und minimalistischem Camping. Doch anders als der zigste Techniktrend will uns diese Idee nicht schneller, sondern reicher machen: an Selbstvertrauen, Gelassenheit und Naturerfahrung.
Die Idee des Bikepackings wurde im Rahmen eines Selbstversorger-Rennens auf der Great Divide Mountain Bike Route geboren. Startend im kanadischen Banff, durchquert das "Tour Divide" genannte Rennen auf 4418 Kilometern die USA und endet in Antelope Wells an der mexikanischen Grenze. Über 60.000 Höhenmeter sind zu bewältigen, die Route zieht sich fast vollständig auf unbefestigten Wegen und Trails durch die Rocky Mountains. Anders als bei normalen Rennen, dürfen die Fahrer keine Hilfe annehmen oder Depots anlegen. Daher sind sie auf leichte Ausrüstung trotz Campingzubehör angewiesen. Aus diesem Renngedanken entstand der Bikepacking-Trend.
Neu und anders am Bikepacking ist, dass hier ein vollgefedertes Mountainbike zum trailtauglichen, leichten Survival-Reiserad mutiert. Dass auch ein bunter und nicht immer billiger Zubehörmarkt rund um den Trend aufblüht, verwundert kaum, schließlich soll das Abenteuer ohne große Umbaumaßnahmen an jedem Bike funktionieren. Anders als beim klassischen Radwandern sind vor allem leichte Taschen nötig, die per Klett am Bike befestigt werden. Von der überdimensionalen Satteltasche bis hin zur Foodbag am Lenker für Knabbereien unterwegs gibt es etwa zehn Taschentypen verschiedenster Hersteller. Eine Campingausrüstung besitzen viele Biker als naturverbundene Outdoor-Sportler ohnehin. Je minimalistischer diese ausfällt, desto höher der Fahrspaß. Auf den folgenden Seiten zeigen wir die Taschen und Campingausrüstung, die jeder Bikepacker haben muss. Darüber hinaus beantworten wir die wichtigsten Fragen rund ums Thema Tourenplanung und Bike-Umbau.
Ob "Overnighter" oder Wochen-Expedition, Bikepacking ist die Vollendung von Biken als Sport in der Natur. Jeder sollte seine Skepsis überwinden und den Ami-Trend ausprobieren, schließlich ist Mountainbiken auch nicht in Kassel, sondern in Kalifornien erfunden worden.
Welches Bike eignet sich?
Um den "Spirit" des Bikepacking zu erleben, ist jedes Bike mit grob profilierten Reifen geeignet. Ob Tourenfully, Enduro, Hardtail oder Fatbike – Hauptsache, das Bike kann mit mehreren Taschen bestückt werden, um die Campingausrüstung darin zu verstauen. Fullsuspension-Bikes haben den Vorteil, dass die Taschen – an Lenker, Sattelstütze und Rahmen befestigt – zur gefederten Masse des Bikes gehören. Der Platz am Rahmen kann jedoch gering ausfallen, beim Hardtail ist die Montage meist einfacher, da die Hebelage für die Hinterbaufederung entfällt. Durch das zusätzliche Gewicht und die fehlende Hinterbaufederung des Hardtails tritt der geringere Komfort von Hardtails mit Gepäck aber stärker hervor. Ganz gleich, ob Fully oder Hardtail, gilt: je leichter das Gepäck, desto höher der Spaßfaktor. Fatbikes beschleunigen träge und sind für eilige Reisende nicht erste Wahl. Bei Extrem-Bikepackern erfreuen sie sich dennoch großer Beliebtheit, da sie eine sehr freie Wahl der Strecke ermöglichen. Routen durch sandige Steppen, an der Küste, am Strand und durch Schneefelder werden durch die Ballonreifen von Fatbikes möglich. Zudem bieten sie einen gewissen Federungskomfort ohne die pflegeintensive Technik von modernen Luftfederelementen.
Was muss ich fürs Bikepacking an meinem Bike ändern?
Wenig, denn Bikepacking-Taschen werden ohne Schraubverbindungen oder Gepäckträger, sondern meist per Klettverschluss oder mit Zurrgurten montiert. Probleme treten an den Schaltzügen bei Anbringung der Lenkerrolle auf, da diese vor und über den Griffen von Schaltung und Bremse am Cockpit sitzt. Damit die Bremsleitungen und Schaltzüge nicht durch die Rolle abgeknickt und beschädigt werden, müssen vor der ersten Montage eventuell längere Züge über der Tasche verlegt werden. Auch die per Klett an der Sattelstütze fest verzurrte Satteltasche kann die Funktion einer Vario-Stütze beeinträchtigen. Viele Bikepacker verzichten meist auf eine technisch anfällige Vario-Stütze und ersetzen diese durch eine klassische. Wer nicht auf "Handabsenkung" umstellen möchte, kann eine groß dimensionierte Satteltasche am Sattelgestell montieren. Außerdem muss der Druck der Federelemente an das höhere Gewicht durch die Gepäckzuladung angepasst werden. Zuletzt ist die Montage von Plattformpedalen sinnvoll, da auch bei akkurater Streckenplanung etwa durch Wetterumschwünge der schönste Trail zur glitschigen Schiebepassage werden kann.
Wo darf ich campen?
In Deutschland ist wildes Campen verboten. Da ein Tarp jedoch nicht als Zelt gilt, bewegt man sich damit in einer rechtlichen Grauzone. Tabu sind Gebiete, in denen Campen ausdrücklich verboten ist, etwa Naturschutzgebiete, Nationalparks, landwirtschaftlich genutzte Flächen, Jagdreviere. Zum Kochen kein Feuer machen, sondern den Gaskocher nutzen und etwas Löschwasser für den Notfall parat halten. Feuerstellen vor Schutzhütten können aber bedenkenlos verwendet werden. Nicht in größeren Gruppen campen, nichts hinterlassen und nach einer Nacht weiterziehen. Wer außerhalb Deutschlands wild campen will, sollte zuvor die Regelungen des Landes studieren. In Schweden, Norwegen, Irland und dem Balkan etwa ist wildes Campen fast überall erlaubt.
Wie transportiere ich mein Gepäck?
Wie navigiere ich am besten?
GPS-Track aufs Navi ziehen und der blauen Linie folgen? Es kann so einfach sein, doch erst ohne Stromquelle, USB-Stecker und Smartphone kommt echtes Abenteuer-Feeling auf. Zudem sind Navis teuer und durch den hohen Stromverbrauch nur für Wochenendtrips geeignet. Sie verleiten auch dazu, das Terrain ohne Vorwissen zu befahren, was je nach Situation riskant sein kann. Durch die klassische Streckenplanung per Karte (im Idealfall Maßstab 1 : 25.000 bzw. 1 : 50.000) erhältst du ein besseres Bild, was dich erwartet. Präge dir bei Zwischenstopps markante Punkte (Abzweig an Hütte, See, Weggabelung) ein, um nicht alle 500 Meter auf die Karte schauen zu müssen. Wer nur ein paar Tage unterwegs ist und auf elektronische Hilfsmittel nicht verzichten will, sollte für GPS und Smartphone einen Nachladeakku wie die Intenso Powerbank S10000 (ca. 20 Euro) mit 10.000 mAh/5V einpacken. Noch simpler: einfach einem ausgeschilderten Radwanderweg folgen.
Wie plane ich eine Bikepacking-Tour?
Die wichtigste Frage lautet: Rundkurs oder Einfachstrecke? Bei Touren durch echte Wildnis bietet sich ein Rundkurs an, da Bike und Equipment sonst vom Ziel zum Startpunkt transportiert werden müssen, was je nach Infrastruktur sehr aufwendig sein kann. Einfachstrecken sind meist landschaftlich reizvoller, da größere Gebiete durchquert werden können. Plane deine Route möglichst entlang einer Reihe von Schutzhütten, denn bei Starkregen schützt auch das beste Tarp nicht vor der Nässe von unten. Je nach Geländebeschaffenheit und zu bewältigenden Höhenmetern sollte das Tagespensum zwischen 20 und 80 km bzw. 1000 und 2000 Höhenmetern liegen.
Was brauche ich fürs Bikepacking unbedingt?
Bikepacking bedeutet Verzicht – auf Stress, Termine und überflüssiges Gewicht. Mit diesem Zubehör komplettierst du deine Bike-Ausrüstung für echte Abenteuer in der Wildnis.
1. Isomatte
Leichtmatten wie die Exped Synmat UL Lite M (ca. 140 Euro) bieten 183 x 52 cm Liegefläche bei 5 cm Dicke, wiegen gerade mal 380 Gramm und benötigen ca. 20 x 10 cm (1,6 l) Stauraum. Wer es noch leichter will, kann mit einer kürzeren und schmaleren Form im Bereich der Beine Gewicht sparen. Im Winter spenden dickere Matten bessere Isolation.
2. Schlafsack
Wer einen leichten Schlafsack mit starker Isolierung und kleinem Packmaß sucht, sollte einen Daunenschlafsack wie den Yeti Shadow 300 (ca. 350 Euro) wählen. Mit ca. 660 Gramm (S) und einem Packmaß von ca. 16 x 16 x 34 cm kann er per Zurrgurt auf der Lenkerrolle befestigt werden. Auf die Größe achten!
3. Tarp
Wer im Sommer unterwegs ist und sich auf eine Minimalausrüstung beschränken will, sollte eine leichte Schutzplane (Tarp) statt eines Zelts mitnehmen. Abfallend zwischen zwei Bikes oder einem Bike und einem Ast oder Baum aufgespannt, dient es etwa als Regenund Windschutz. Das Rab Siltarp 1(ca. 80 Euro) mit den Abmessungen 1,5 x 2,4 Meter wiegt nur 218 Gramm und ist verpackt wenig größer als eine Cola-Dose.
4. Zelt
Wer in Gegenden mit viel Niederschlag unterwegs ist, nächtliche Insektenattacken, Zugluft und Blicke von Wanderern, Waidmann und Co. vermeiden möchte, sollte als Komfort-Upgrade ein Zelt in der Lenkerrolle verstauen. Ultraleicht-Modelle wie das Nordisk Telemark 1 ULW bieten Platz für eine Person (220 x 98 x 86 cm) bei 770 Gramm Gewicht und ca. 41 x 12 cm Packmaß (ca. 680 Euro). Tipp: Die Zwei-Personen- Variante ist nur etwa 110 Gramm schwerer.
5. Gaskocher
Durch seine clevere Wärmetauschkonstruktion arbeitet der Jetboil Flash (ca. 130 Euro) extrem effizient und sparsam. Für eine Person konzipiert, ist der Topfkocher sehr platzsparend (ca. 19 x 10 cm) und wiegt nur 440 Gramm inklusive Topf, ohne Kartusche. Die Kochzeit für einen Liter Wasser beträgt etwa fünf Minuten. Perfekt für Tütengerichte geeignet.
6. Stirnlampe
Mit einer Stirnlampe hast du beim Hantieren in der Dunkelheit die Hände frei. Batterieleuchten wie die Princetontec Sync (ca. 40 Euro) halten je nach Helligkeitsmodus bis zu 100 Stunden. Zwar sind sie zum Biken weniger geeignet, müssen jedoch nicht an einer externen Stromquelle nachgeladen werden.
7. Trinkblase
Wasser ist schwer und wird auf Tour reichlich benötigt. Um Quellen wie Brunnen, Bäche und Seen ohne gesundheitliche Risiken zu nutzen, ist die Source Widepac mit einem Filtersystem ausgestattet (ca. 30 Euro). Dieses soll ohne Einsatz von Chemikalien 99,99 Prozent aller Bakterien und Protozoen aus dem Wasser filtern.
8. Tütennahrung
Trekking-Fertiggerichte aus der Tüte (ab 7 Euro) wiegen um 150 g und sind kaum größer als ein Taschenbuch. Für Selbstverpfleger sind sie perfekt, denn sie halten das Gewicht in Grenzen. Etwas heißes (oder kaltes) Wasser in den Beutel gießen, kurz ziehen lassen und mit deinem Leichtbesteck aus der Tüte löffeln.
9. Handtuch
Baumwollhandtücher trocknen langsam, sind schwer und sperrig. Das Cocoon Microfiber Towel Ultralight (ca. 25 Euro) wiegt in Größe M (90 x 50 cm) nur ca. 95 Gramm.
Kleine Helfer fürs Bikepacking-Abenteuer
- Diese unscheinbaren Kleinteile sind in deiner Abenteuer-Ausrüstung unverzichtbar.
- Heringe aus Aluminium wiegen wenige Gramm und garantieren die sichere Befestigung von Tarp und Zelt.
- Löffel: Wer sich mit Trekkingmahlzeiten verpflegt, benötigt nur einen Löffel. Extrem leichte Modelle wiegen nur wenige Gramm.
- Zahnpasta und Co.: Tuben in Reisegrößen für etwa eine Woche Anwendung kaufen.
- Mückenmittel: Wer in Schutzhütten oder unterm Tarp nächtigt, sollte sich vor Blutsaugern schützen.
- Löslicher Kaffee: Manch einer kommt ohne die Koffeinspritze am Morgen einfach nicht aus den Daunen.
- Ohrenstöpsel nehmen Schnarchern und anderen Störgeräuschen ihre schlafraubende Wirkung.
- Unterwäsche: Wenn dein Schlafsack im Herbst an seine Grenzen kommt, wirkt lange (Merino-)Unterwäsche als Wärmespender.
- Bike-Ausrüstung: Deine gewohnte Ausrüstung für Mehrtagestouren gehört ebenso in den Rucksack.
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