Vent ist ein abgelegenes Dorf in den Ötztaler Alpen. Wer sich dort ein Quartier sucht, hat eine gute Starthöhe für Bergtouren bis über die 3000er-Grenze. Hier gibt's GPS-Daten, Tourentipps & Reiseinfos (auch als PDF zum Download):
Wie man nach Vent kommt?
Mit dem Auto auf der A12 Innsbruck Richtung Bregenz bis zur Abfahrt Ötztal. Weiter über die B 186 und durch das Ötztal bis nach Vent. Vignette nicht vergessen – österreichische Autobahnen und Bundesstraßen sind mautpflichtig. Noch bequemer reist man mit der Bahn an. Von München braucht man zweieinhalb Stunden bis Ötztal Bahnhof, von dort geht es mit dem Linienbus nach Vent.
Viele Wanderungen beginnen direkt in Vent. Wer es eilig hat, in die Höhe zu kommen, nimmt vom Ort aus den Wildspitzlift und gelangt in wenigen Minuten auf 2350 Meter – oder fährt mit der Sesselbahn Wildes Mannle noch ein Stockwerk höher auf 2646 Meter.
Die 5 Top Touren im Ötztal
Kreuzspitze
Am ersten Tag steigt man zur Martin-Busch-Hütte auf und übernachtet dort. Am nächsten Morgen wandert man den Schildern »Kreuzspitze« nach an der verfallenen Brizzihütte und Samoarsee vorbei zum Gipfel. Ab- wie Aufstieg.
Wildes Mannele
Mit dem Sessellift von Vent zur Stablein-Alm (2356 m). Auf Weg Nr. 919 Richtung Breslauer Hütte. Am Abzweig »Breslauer Hütte – Wildes Mannle« rechts abbiegen, unter dem Skilift durch und über Grashänge. Sicherungen helfen jetzt auf das Wilde Mannle (3023 m). Zurück via Breslauer Hütte und Weg 919 zur Bergstation.
Vent – Similaun – Ötzi-Fundstelle
Vom Wildspitzlift in Vent über die Venter und Niedertaler Ache und auf dem Forstweg ins Niedertal und bergan zur Martin-Busch- Hütte (2501 m). Dann den Schildern »Similaunhütte« folgen, zuerst über Schutt, später nach rechts in Kehren über einen Moränenrücken hinauf und unterhalb der Sayplatten zum Niederjochferner. Links weiter, über eine gesicherte Passage aufwärts zur Similaunhütte (3019 m). Nach einer Nacht dort weiter zur Ötzi-Fundstelle am Tisenjoch (3210m). Ab- wie Aufstieg.
Wasserläufer Mutsbühel
Dieser Rundweg startet hinter dem Hotel Similaun. Richtung Osten einen Trampelpfad in Kehren hinauf zur Baumgrenze und in einer Stunde auf den Gipfel. Oben folgt man dem Pfad auf flachen Weiden nach Norden, Richtung unbewirtschaftete Ramolalm. Nach einer Stunde in Kehren steil bergab durch Zirbenwald nach Vent.
Hochjoch Hospiz
Hinter der Feuerwehr in Vent den Spiegelbach queren und dem B-Art-Eb’ne-Weg folgen, der zur Rofenschlucht führt. Auf einer Hängebrücke über den Rofenbach zum Rofenhof und entlang des Cyprian-Granbichler-Weges stetig bergauf. Ab dem Schild »1850« hat man noch eine Stunde bis zum Hospiz. Rück- wie Hinweg.
Karten, Bücher, Infos
Der »Kompass Wanderführer Ötztal, Pitztal« stellt 60 Touren vor und enthält eine Extra-Tourenkarte im Maßstab 1:50000. GPX-Daten zum Download, 14,99 Euro. Auf der Kompass-Wanderkarte »Inneres Ötztal und Pitztal – Gurgler Tal – Venter Tal« findet man neben den Wanderwegen auch die Rad- und alpinen Skirouten der Region. 1:25000, 7,95 Euro.
Touristische Informationen zu Vent und seiner Umgebung finden sich auf vent.at/de/sommer.html. Auch Unterkünfte lassen sich über die Seite buchen. Allgemeine Info zum Ötztal unter oetztal.com
Beste Zeit
Von Mitte Juni bis Mitte Juli blühen an den Hängen des Ötztals die Alpenrosen. Die Berghütten um Vent haben von Mitte Juni bis Ende September geöffnet (Breslauer Hütte, Similaunhütte), beziehungsweise Ende Juni bis Ende September (Martin-Busch-Hütte). Das Brandenburger Haus (3272 m) bleibt im Sommer 2020 geschlossen.
Unterkünfte und Restaurants im Ötztal
- Ein kleines Stück außerhalb von Vent, am Ende der asphaltierten Straße, empfängt der urige Gasthof Geierwally seine Gäste. Inklusive sind Sauna und Infrarotkabine. Der Chef des Hauses ist geprüfter Bergwanderführer. DZ ab 64 Euro/ Nacht, geierwallihof.at
- Das 4-Sterne-Hotel Similaun bietet eine Finnische Sauna, Dampfbad, Zirbensauna, Infrarotkabine und ein 3-Gänge-Abendmenü. Doppelzimmer ab 68 Euro/Nacht. simi laun.com/hotel-vent-oetztal.html
- Die Einrichtung aus naturbelassenem Zirbenholz gibt den Apartments im Sonnhof etwas Frisches. Den Gästen steht eine gut ausgestattete Gemeinschaftsküche zur Verfügung, im hauseigenen Restaurant kommen Produkte aus eigener Landwirtschaft auf den Tisch. Apartments (2–6 Pers.) ab 63 Euro/Nacht/2 Pers., sonnhof-vent.at
- Österreichische, vegetarische, regionale, internationale und glutenfreie Küche serviert man im Hotel Alt Vent Tyrol in gemütlicher Atmosphäre. hotel-vent.at
- Zu den Spezialitäten im Natur- und Alpinhotel Alte Post zählen Lammgerichte aus familieneigener Landwirtschaft, aber auch vegetarische Speisen. Alpinhotel-post.com
- Wen nach dem Wandern die Lust auf Pizza und Pasta überkommt, der geht in die Venter Einkehr, das Restaurant des Hotels Bergwelt. venterbergwelt.at
Tipps unserer Autorin Lisa Alix Brandau
- WILDSPITZE: Der zweithöchste Berg Österreichs bringt es auf 3770 Meter. Mit einem Bergführer schaffen es konditionsstarke Wanderer auf den Gipfel und schauen oben bis zu den Berner Alpen. bergfuehrer-vent.at
- AB INS MUSEUM: Im ehemaligen Widum (Pfarrhof) von Vent widmet sich eine kleine, aber feine Ausstellung dem Naturraum Ötztal und seiner Besiedlungsgeschichte – die schon vor dem Ötzi begonnen hat. Venterstraße 35, Vent
- ZUM GEIER: Am Himmel über dem Ötztal kreisen Geier, Adler und andere beeindruckende Greifvögel. Wer sie aus der Nähe erleben will, besucht eine Flugvorführung im Greifvogelpark von Umhausen. umhausen.com
- DER MANN VOM TISENJOCH: Im heißen Sommer 1991 gab der Schnalstaler Gletscher den »Ötzi« frei, einen steinzeitlichen Jäger. Heute kann man die rund 5300 Jahre alte Mumie im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen sehen. iceman.it
Weitere Eindrücke unserer Wanderungen in den Ötztaler Alpen
Kalter Nebel liegt morgens um acht über Vent im Ötztal. Ungewöhnlich kühl für den 1. September? »A geh, erstaunlich ist nur, dass es noch nicht geschneit hat!« Kilian Scheiber ist Bergführer und einer der 133 Einwohner des zweithöchsten Kirchdorfs Österreichs. Auf stolzen 1900 Metern schmiegt es sich an die Berge. Eigentlich gehört es zur Gemeinde Sölden, aber das liegt fast zwanzig Kilometer entfernt und 500 Meter tiefer im Haupttal, während Vent sich ganz am Ende eines langen Nebentales versteckt. Es gibt nur wenige Orte in den Alpen mit solch einer Starthöhe für Wanderer – und mit solch einer Kulisse. Ringsum erheben sich Gipfel, die auch im Sommer eine Mütze aus Schnee tragen, allen voran die Weißkugel und die Wildspitze, die beide die 3700-Meter-Marke knacken. So hoch können wir heute nicht hinaus. Es fallen schon einige Regentropfen, Kilian blickt mit gerunzelter Stirn in die dunklen Wolken über uns: »Heute bleibt es regnerisch. Dann wandern wir heute zum Hochjoch-Hospiz und morgen auf den Mutsbühel. Von da hat man einen tollen Blick.« Und er kennt noch eine ganze Reihe anderer Touren, die gleich im Ort starten. So ist das in Vent. Der Weg zum Hochjoch-Hospiz beginnt hinter der Feuerwehr an der Brücke des Spiegelbaches, einer der vielen Gletscherflüsse der Region. Rechts von ihr verbindet sich das klare Wasser mit dem trüben Rofenbach zur Venter Ache. Die Trinkflasche sollte man besser links füllen. »Logisch, das Wasser könnt ihr trinken, der Spiegelbach kommt vom Gletscher«, bestätigt unser Guide.
Rund um Vent wandert man in die Vergangenheit
Kilians Wetterprognose stimmt leider: Kaum, dass wir unterwegs sind, schüttet es in Strömen. Hier unten stört es nicht großartig, aber weiter oben auf einer Gipfeltour möchten mein Freund Emmanuel und ich gerade nicht unterwegs sein. Kilian geht uns nach Westen voran, in Richtung des Rofenbach-Tals, an dessen schluchtartigen Hängen uns der Pfad zum Hospiz in gut 2400 Meter Höhe führen wird. Wir ziehen die Kapuzen enger und schauen erst wieder darunter hervor, als Kilian uns auf die Skulpturen am Weg aufmerksam macht – unsere Route nimmt einen Kunstweg mit dem etwas sperrigen Namen B-Art-Eb’ne mit. Bildhauer aus aller Welt schufen auf ihm zwischen 2007 und 2013 Werke aus Stein. Eines davon, einen geteilten Felsbrocken, nennen die Einheimischen den »Schluff«. Denn wenn sie sich durch die enge Steinspalte quetschen, dann heißt das im hiesigen Dialekt: »Ich schluff da durch.« Weniger offen für Interpretation ist das prähistorische Jägerlager kurz hinter den Skulpturen. Ein Zaun, ein Infoschild und eine Holzüberdachung verraten, dass die zwei unscheinbaren Felsen, umgeben von den mächtigen Gipfeln des Rofentals, Reste einer Feuerstelle sind. Bruchstücke von Speeren und anderen Waffen aus Stein und Holz wurden in der Umgebung gefunden. Sie stammen aus der Zeit um 7600 vor Christus und sind damit deutlich älter als der Steinzeitmensch Ötzi, der vor gut 5000 Jahren auf dem nahegelegenen Similaungletscher zwischen Österreich und Italien ermordet wurde. 1991 entdeckten Wanderer die Mumie des »Mannes aus dem Eis«, in dessen Rücken noch die Speerspitze steckte. Die Fundstelle liegt nur 15 Kilometer entfernt von Vent, und der Weg dorthin gehört zu den vielen Traumtouren, die im Dorf beginnen – sofern man die Kondition mitbringt, denn sie führt auf 3200 Meter Höhe. Da klingt die Runde, die Kilian morgen mit uns gehen will, ver-gleichsweise harmlos: zum Mutsbühel in den Ötztaler Alpen. Bühel bedeutet Hügel, und mag sein, dass die Einheimischen einen Gipfel von 2340 Metern so empfinden. Für Emmanuel und mich ist es ein Berg. Kilian sagt, dass wir von dort Aussicht auf die Gletscher und Täler des Naturparks Ötztal haben werden. Hoffentlich wird das Wetter morgen besser.
Momentan sieht es nicht so aus. Im Regen folgen wir einem Trampelpfad über eine grüne Wiese. Kilian zeigt uns ein Relikt aus nicht ganz so lange vergangenen Zeiten: das alte Gipfelkreuz der Wildspitze. Verschrammt steht es statt in 3770 Metern Höhe am Wegrand unten im Rofental – an einer nicht ganz zufällig gewählten Stelle. Denn bei Sonne öffnet sich hier der Blick auf die Wildspitze, nach dem Großglockner der zweithöchste Berg Österreichs. Das Kreuz krönte ihn von 1933 bis 2010, dann hatten das raue Klima und die Blitzein-schläge es zu stark beschädigt. »Ich war zum ersten Mal mit sieben Jahren auf der Wildspitze«, erzählt Kilian. »Mein Sohn war bei seiner Erstbesteigung sogar erst sechs Jahre alt. Das war am 3. September 2010, als das Gipfelkreuz ausgetauscht wurde. Er wollte mich unbedingt unterbieten!« Bis heute war Kilian 544 Mal auf dem Gipfel der Wildspitze in den Ötztaler Alpen, im Schnitt etwa 13 Mal pro Jahr. Kurz hinter dem Kreuz schwankt eine moderne Hängebrücke im Wind über den Rofenbach. Tief unten tost sein Wasser in einer mit Bäumen und Sträuchern bewachsenen Felsschlucht. In der Gaststätte Rofenhof, dem höchstgelegenen dauerhaft bewirteten Hof Österreichs, kennt man die Geschichte der Brücke. »Ursprünglich war sie aus Holz, und hier im Rofenhof gab es einen Stier«, erzählt der Besitzer Florian Klotz bei Kaffee und Käsekuchen. »Er wurde täglich auf dieser Seite des Rofenbaches runter nach Vent geführt und auf der anderen Seite wieder hinauf, um dort zu weiden.« Eines Tages folgte der Stier aber einer Gruppe Wanderer über die Hängebrücke. Er wog 1000 Kilo, viel zu schwer für das alte Holz, und brach nach wenigen Schritten ein. Wie durch ein Wunder konnte der Wirt das verängstigte Tier retten und am Nasenring zur anderen Seite führen. Danach wurde die alte Brücke in Vent durch eine aus Stahl ersetzt.
Etwa zwei Stunden dauert es vom Rofenhof noch bis zum Hochjoch-Hospiz. Geradeaus leitet der Pfad zwischen den immer karger werdenden Alpenhängen sanft bergan. Kleine Bäche strömen auf beiden Seiten der Schlucht von den Gletschern herab in den Rofenbach in der Mitte des Tals. Am Weg grasen Schafe, Ziegen und eine Herde Haflinger. Für den Bartgeier, der hoch oben in der Luft kreist, sind sie wohl nur winzige Punkte in den Berghängen. »Sicherlich liegt irgendwo ein totes Tier«, sagt Kilian. »Die Geier fressen das Knochenmark der Kadaver. Um die Knochen dafür aufzubrechen, lassen sie sie von hoch oben auf Steine fallen.« Er zeigt auf die andere Talseite. »Früher verlief der Pfad dort drüben, bis sie 1927 das neue Hochjoch-Hospiz auf unserer Seite eröffnet haben.« Gegenüber erinnert eine Gedenktafel an den Bergführer Cyprian Granbichler, erzählt Kilian. Er starb 1868 in einem Schneesturm, als er seine letzte Kraft opferte, um seinen Freund, den Pfarrer Franz Senn, zu retten. Ein Unwetter überraschte sie auf dem Rückweg von Meran über das Hoch-joch nach Vent, sie versanken bis zur Hüfte im Schnee. Als Granbichler stürzt und im Schnee verschwindet, braucht Senn lange, bis er den stark unterkühlten Bergführer findet. Senn kann sich selbst kaum mehr auf den Beinen halten und Granbichler weiß, dass eine Rast für beide den Tod bedeutet. Er übernimmt mit letzter Kraft das Spuren, um Senn zu retten. Als nach gut 30 Stunden endlich die Rofenhöfe in Sicht kommen, bricht Granbichler keine 15 Minuten von ihnen entfernt zusammen. Zugedeckt lässt Senn seinen Freund zurück, um Hilfe zu holen, doch als diese ihn erreicht, ist der Bergführer bereits tot.
Franz Senn war es, der die verarmte und schwer zugängliche Venter Region für den Tourismus öffnete. Ohne ihn gäbe es wohl weder das Hochjoch-Hospiz noch eine der höhergelegenen Hütten. Zu Lebzeiten fand der Sohn eines Kleinbauern wenig Unterstützung für seine Ideen. Der Österreichische Alpenverein ignorierte seine Bitte um finanzielle Hilfe, Senn verschuldete sich hoch und landete schließlich im Gefängnis. Als er 1884 an Typhus starb, ahnte er wohl nichts von seinem heutigen Ruhm und dass sogar ein Berg in den Ötztaler Alpen nach ihm benannt werden würde, der Sennkogel. Je näher das Hochjoch-Hospiz kommt, desto mehr weichen die grünen Tannen Sträuchern, Gras und Stein. Kleine Brücken führen über die Gletscherbäche des Blatai- und Vernagtgletschers. Zwischen zwei von ihnen steht ein unscheinbares Holzschild am Weg: »Gletscherstand 1850«. Heute ist hier vom Eis keine Spur mehr, er schwindet um gut 20 Meter pro Jahr. Noch eine halbe Stunde schlängelt sich der Trampelpfad bergauf, dann endlich, auf 2413 Meter, kommt das Hochjoch-Hospiz. Den Blick auf den Sennkogel und die Kreuzspitze genießen wir bei einer riesigen Portion Kaiserschmarrn. Und endlich bricht auch die Sonne in Vent hinter den Wolken hervor. Kilian blinzelt ins Licht. »Und morgen am Mutsbühel wird es genauso«, sagt er.