In der 30 Kilometer langen Bergkette östlich der italienischen Stadt Trient scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Unberührte, wilde Landschaften und verwunschene Täler erinnern an eine Welt vor unseren Tagen. Stille Pfade führen den Wanderer durch duftende Nadelwälder, vorbei an glitzernden, tiefblauen Bergseen und hoch auf Zweitausendergipfel, von denen man bis zu den Felszitadellen der Kalkdolomiten im Südwesten blickt.
Wir stellen euch neben einigen lohnenswerten Tagestouren (weiter unten im Artikel) den 44 Kilometer langen Vier-Tages-Trek "Trans-Lagorai" vor. Er führt vom 2000 Meter hohen Manghen-Pass im Westen zum Rolle-Pass im Osten. Wenn sich im Sommer die Täler und Berge des Trentino mit Touristen füllen, sind die Lagorai-Berge das "Rifugio" der Einheimischen. Rifugio im Sinne von Zuflucht – Berghütten, die hier auch "Rifugi" heißen, gibt es im Lagorai nur sehr wenige. Einer der Hauptgründe, warum nur wenige Touristen diese Gegend aufsuchen. Mal hier ein Abenteurer, mal dort ein Romantiker – auf jeden Fall niemand, der Bergbahnen, kulinarische Highlights und komfortable Unterkünfte erwartet.
Trans-Lagorai – Übersicht der Etappen
1. Zur Lagorai-Scharte
Vom Start am Manghen-Pass geht es auf Weg 322 über die Forcella del Frate, die Forcella Ziolera und die Pala del Becco. Dann abwärts auf Weg 322 B zum Lago di Montalon und weiter auf Weg 362 aufwärts zur Forcella Montalon, wo man wieder auf Weg 322 kommt, der oberhalb des Bergsees Stellune entlangführt. Anschließend auf Weg 317 zur Forcella Valmoena und auf Weg 321 zur Lagorai-Scharte. Entweder hier oder bei den Bergseen Laghetti di Lagorai zelten. Trinkwasser gibt es in einem Zufluss der Seen.
2. Zum Rifugio Cauriol
Von den Laghetti di Lagorai wandert ihr zurück zur Lagorai-Scharte und, auf Weg 321 bleibend, über die Forcella delle Sute, die Forcella di Coppola und den Litegosa-Gipfel (2548 m) bis zum Sadole- Pass. Von hier führt Pfad 320 hinunter bis zur gemütlichen Berghütte Rifugio Cauriol.
3. Bivacco Paolo e Nicola
Beim Rifugio Cauriol beginnt man diese höhenmeterreiche Etappe auf Pfad 349 und gelangt zur Forcella Cadinon. Weiter geht es auf Weg 339 zur Forcella Coldosè und auf die Cima Cadinon (2274 m). (Dieser Gipfelabstecher lässt sich auch auslassen.) Auf Weg 349 erreicht man mit dem Brutto-See einen weiteren Bergsee und die Forcella Coltorondo. Von hier weiter auf dem Weg 349 zum Biwak Paolo e Nicola, das auf der Forcella Valmaggiore liegt (2180 m).
4. Zur Malga Rolle
Vom Biwak auf Pfad 349 bis zur Forcella Cece und über den Gipfel der Valbona (2349 m) zum Biwak Aldo Moro auf der Forcella Bragarolo. Auf dem Weg Nummer 349 wandert ihr weiter bis zur Forcella Ceremana, danach folgt ein kurzes verseiltes Stück (circa 50 m). Für diesen Kletterabschnitt ist kein Klettersteigset erforderlich. Immer auf Weg 349 bleibend geht es über den Colbricon-Pass bis zur Colbricon-Hütte (bewirtschaftet, keine Schlafmöglichkeit). Abschließend hinab zur Almhütte Malga Rolle unterhalb des Passo Rolle, der das Fleimstal mit dem Primörtal verbindet.
Wie kann ich mich auf Tour orientieren?
Mit dem Handy gibt es oft keinen Empfang. Wegmarkierungen sind teilweise schwer erkennbar, teilweise aber auch ganz frisch. Oftmals fehlen Wegweiser. Also: unbedingt mit GPS gehen. Wer die Tour abbrechen möchte, kommt vom Rifugio Cauriol mit dem Taxi ins Tal zurück. Karte von Kompass: Nr. 618 Val di Fiemme, Catena del Lagorai (10 Euro, freytagberndt.com). Karten von Tabacco: Nr. 14 Val di Fiemme, Lagorai, Latemar und Nr. 22 Pale di San Martino (11,90 Euro) oder digital in der App Tabaccomapp. Guiding: Mit Marco Bozzetta seid ihr gut beraten. guide-alpine.it/en
Wie komme ich ins Lagorai-Gebirge?
- Von München auf der A8 und auf der A93 Richtung Österreich. Ab der Grenze auf der A12 nach Innsbruck und von dort auf der Brennerautobahn nach Italien, bis Ausfahrt Neumarkt/Auer/Tramin, dann Richtung Cavalese bis Predazzo fahren. In Predazzo beim Busbahnhof das Auto stehen lassen (gratis) und per Taxi zum Startpunkt am Manghen-Pass. Keine Busverbindung zum Manghen-Pass, da die Straße zu schmal ist. Das Parken des Autos ist am Manghen-Pass möglich, jedoch müsste man dann am Ende ebenfalls mit dem Taxi hoch, um es abzuholen.
- Alternativ bis zur Ausfahrt Trento Nord fahren, die Straße verlassen und auf die Bundesstraße 47 in Richtung Valsugana abbiegen.
- Mit der Bahn von München nach Bozen oder Trient. Dann mit dem Bus weiter (s.o.). Bus vom Endpunkt Malga Rolle zum Ausgangspunkt Predazzo im Val di Fiemme. Infos: trentinotrasporti.it und visittrentino.info
Wann ist die beste Reisezeit?
Anfang Juli bis Ende September, je nach Witterung bis Mitte Oktober. Im Juli blühen rosa die Alpenrosen.
Touren auf den Berg Col di San Giovanni sind zur Rhododendron-Blüte Ende Juni bis Mitte Juli am schönsten. Die Gipfel des Monte Fravort und Monte Gronlait sind von April bis Oktober begehbar. Wege am Manghen-Pass sind von Mai bis September für Wanderer zugänglich. Auf der Alta Via del Granito, einer dreitägigen Trekkingtour, wandert es sich von Juni bis September am schönsten.
Wo kann ich mich informieren?
Allgemeine Informationen rund um die Gebirgskette Lagorai finden sich unter visitfiemme.it oder auch unter visittrentino.info
Wo kann ich im Lagorai übernachten?
- In Predazzo: Das Hotel Ancora ist ein 4-Sterne-Haus mit Wellnessbereich im Zentrum von Predazzo, im Herzen des Val di Fiemme gelegen. Guter Ausgangspunkt für Wandertouren. Übernachtung im DZ ab etwa 110 Euro. ancora.it
- Rifugio Cauriol: Die renovierte Hütte bietet eine gemütliche Stube und schöne Mehrbettzimmer mit großem Bad. Übernachtung mit HP und warmer Dusche 64 Euro pro Person im Mehrbettzimmer. rifugiocauriol.it
- Biwak Paolo e Nicola: Renoviertes Biwak mit Übernachtungsmöglichkeit für acht bis zehn Personen. In der Nähe des Biwaks findet man Trinkwasser. Die Übernachtung ist kostenlos, Reservierungsmöglichkeiten gibt es nicht.
- Im Valsugana gibt es weitere Hotels und Pensionen. Infos: visitvalsugana.it/de/
Wo kann ich einkehren?
- Restaurant ’l Bortoleto: Das Restaurant im Zentrum von Predazzo hat seinen Ursprung in einer Metzgerei. Spezialitäten des Hauses sind hauptsächlich Fleischgerichte, ebenso aber Tagliata oder Knödel. macelleriadellantonio.it/ristorante-bortoleto
- Malga Rolle: Die Almhütte liegt unterhalb des Passo Rolle, dem Ziel des Treks: Ideal für eine Einkehr nach der Tour. Traditionelle Gerichte stehen auf der Speisekarte, und im zugehörigen Laden werden Sennereiprodukte verkauft. Die Käseprodukte stammen aus der hauseigenen Käserei. caseificioprimiero.com
Wie sieht es mit meinem CO2-Fußabdruck während der Reise aus?
Laut CO₂-Rechner unseres Umweltpartners Wilderness International verursacht diese Reise für zwei Personen ab Frankfurt folgenden CO₂-Ausstoß: etwa 872 kg bei Anreise mit dem Auto und etwa 400 kg bei Anreise mit dem Zug. Das kannst du ab 14,54 bzw. 6,65 Euro in unserem outdoor-Wald-Projekt kompensieren. Mach mit auf outdoor-magazin.com/wald
Der komplette Reisebericht zum Download
Schwarz, rötlich und grün schimmernde Felsen zeugen von der vulkanischen Tätigkeit vor rund 300 Millionen Jahren. Ein bisschen fühlt man sich in ein Land vor unserer Zeit zurückversetzt, so menschenleer und wild wirkt die Landschaft. Tatsächlich zählt sie geografisch sogar zu den Dolomiten – geologisch aber nicht, denn anders als die bekannten Berge weiter im Norden bestehen die Berge hier aus Porphyr und sind etwas dunkler. Ein echter Geheimtipp also, den Marco mir zeigen wird...
Den kompletten Artikel inklusive aller Tourentipps gibt es hier als PDF zum Download:
Weitere Reiseberichte aus der Lagorai
"Hier kommen nur wenige Urlauber hin", berichtet Elio Gonzo, der Wirt der Caldenave-Hütte. Hohe Granitfelsen schirmen das Steingebäude ab, das mit der Holzterrasse und den hellbraunen Fensterläden eher wie ein rustikales Wohnhaus aussieht als eine Berghütte auf knapp 1800 Höhenmetern. Gleich nebenan plätschert ein Bach und spiegelt die untergehende Sonne. Im Nordosten ragt die Cima d‘Asta in den Himmel, mit 2847 Metern der höchste Berg der Region. Doch selbst dieser Koloss aus Granit verliert im weichen Licht an Strenge – an lauen Sommerabenden strahlt der Gipfel Frieden aus.
Gegenüber, getrennt durch ein sanft auf- und abschwingendes Tal, liegen die Berge der Lagorai-Kette. Geologen unterscheiden sie von der Cima d‘Asta, weil sie nicht aus Granit, sondern aus schimmerndem Porphyr bestehen. Für den Wanderer gehören die beiden Massive aber zusammen. Sie bilden ein Revier, das zu den wenigen verbliebenen Geheimtipps der Südalpen zählt, mit einer weitgehend sich selbst überlassenen Natur und einer bewegten Vergangenheit.
Dass nur wenige Gäste an den Tischen der Hütten sitzen, liegt weder an den freundlichen Wirten oder an den italienischen Köstlichkeiten, sondern einzig an der mangelnden Bekanntheit der Region. "Die meisten Wanderer fahren lieber an den Gardasee oder in die prominenteren Gebiete der Dolomiten", erklärt Elio Gonzo. Sie wissen nicht, was ihnen entgeht: Gerade das Rifugio Caldenave liegt an einem traumhaften Trekkingweg, der Alta Via del Granito. Über drei Tage schlängelt er sich auf einsamen Pfaden, durch verträumte Täler und unter scharf geschnittenen Granitzacken entlang. Am ersten Tag führt er zur Brentari-Hütte, die unmittelbar unter dem Gipfel der Cima d‘Asta wartet. Der Aufstieg hat es in sich: Über 1000 Meter Höhenunterschied sind zu überwinden. Doch es lohnt jeder Schritt.
Durch lichten Lärchenwald und leuchtend grünen Farn zieht der Wanderer, und während er bergan steigt, sieht er schon die vielfach zerklüfteten Granitspitzen des Asta-Massivs aufragen. Immer höher windet sich der Weg, bis die Bäume lichter stehen. Jenseits der Waldgrenze blühen in Juni und Juli rot die Alpenrosen auf den Hängen, durchsetzt von groben, flechtenbewachsenen Felsblöcken. In der Luft liegt der erdige Duft der Berge, und die ganze Zeit über begleitet einen das aufregende Gefühl, allein in dieser wilden Landschaft unterwegs zu sein.
Zum Finale geht es steil und weglos über vom Wasser geformte Platten aufwärts, während das Wasser in großen Kaskaden dem Tal entgegenrauscht. Nach gut vier Stunden ist endlich die Brentari-Hütte in Sicht, umgeben von rosa-grau schimmerndem Granit. Hinter dem Rifugio funkelt der je nach Licht mal dunkelblaue, mal stahlgraue Lago di Cima d‘Asta – ein Bild von beinahe kühler Schönheit. Wer von der Brentari-Hütte noch auf den Gipfel der Cima d‘Asta will, muss Wadenkraft für 400 Höhenmeter mehr mitbringen: der Weg zum Gipfelkreuz beginnt oberhalb des Sees. Von oben überblickt man die ganzen Dolomiten, bei extrem klarem Himmel sieht man sogar das Mittelmeer.
Doch auch die Cima d‘Asta selbst ist einen Anblick wert. Es lohnt sich, am nächsten Morgen früh aufzustehen, um sie im ersten Licht gold schimmern zu sehen – ein Schauspiel, das umso stärker wirkt, weil sich die umliegenden, kaum weniger wuchtigen Berge bläulich hinter der Cima d‘Asta abzeichnen.
Touren
Lagorai-Trekking auf der Alta Via del Granito
Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass hier oben im Ersten Weltkrieg ein erbitterter Stellungskampf zwischen Italien und Österreich-Ungarn tobte. Nach dem Krieg wurde das vormals zu Österreich-Ungarn gehörige Tirol geteilt; das Trentino und Tirol südlich des Brenners wurden italienisches Staatsgebiet.
Auch manche Klettersteige sind Relikte dieser Zeit: Sie dienten den Truppen als Nachschubwege. Am Socede-Pass führt der ein Kilometer lange Sentiero Gabrielli den Berg hinunter. Leitern helfen über die schwierigste Stelle, eine 20 Meter hohe Steilwand. Wem sie nicht geheuer ist, der kann den Klettersteig ganz leicht umgehen: Ein Wanderweg führt vom Pass rechterhand zur Forcella Magna, einer Kreuzung, an der sich die beiden Pfade wieder treffen.
Am Etappenziel, der Caldenave-Hütte, freut man sich einmal mehr an seinem Glück, diese Tour in vollkommener Ruhe erleben zu dürfen: Ein Gefühl, das dem Wanderer auch am letzten Tourentag bleibt, auf dem Weg zurück zum Startpunkt, der Sennerei Malga Sorgazza.
Die Alta Via del Granito ist nicht das einzige Glanzlicht der Region
Gegenüber, auf dem 2251 Meter hohen Col di San Giovanni, genießt man die Aussicht auf die Cima d‘Asta sowie auf die Bergkette der Lagorai. Das wussten schon die Strategen im Ersten Weltkrieg, die vom Gipfel das Umland beobachten ließen. Heute führt über den umkämpften Gipfel eine sechsstündige Rundwanderung. Sie kreuzt einen der bemerkenswertesten Fernwanderwege der Alpen, den Sentiero della Pace, einen 500 Kilometer langen Friedensweg, der sich an der alten Frontlinie durch die Dolomiten schlängelt. Der Weg ist Teil eines Versöhnungsprojektes zwischen Italien und Tirol und nutzt die alten Kriegssteige. Hier genießen Wanderer heute den Frieden einer Bergwelt, in der einst geschossen und getötet wurde.
Auch auf dem Gipfel des Monte Fravort, einem stolzen Zweitausender südwestlich des Col di San Giovanni, herrscht längst wieder Stille.Am besten erwandert man ihn auf einer sechsstündigen Dreigipfelrunde, die ein Stück auf dem Sentiero della Pace entlangführt – und nimmt dabei noch den Monte Panarotta und den Monte Gronlait mit. Oben wird man dann alte Schützengräben entdecken, zwischen denen Alpenrosen, Butterblumen und Vergissmeinnicht wuchern, ganz so, als wolle die Natur die Geschichte des Bergs für sich behalten.
Vom Gipfel reicht der Blick hinab ins liebliche Suganatal, doch auch den letzten Gipfel der Runde, den Monte Gronlait sieht man schon. Im Vergleich zum Granit der Cima d‘Asta, die am Horizont stets zu sehen ist, wirkt sein Gestein lebendiger – der Porphyr funkelt je nach Lichteinfall rot, blau oder grün. Etwas Magisches haftet diesem Fels an – und Zauberei ist es sicherlich auch, die einen immer wieder hierher zurückkehren lässt in die einsamen Berge der Lagorai.