A long way down: Fahrradreise von Alaska nach Patagonien

A long way down
Fahrradreise von Alaska bis Patagonien

Sophie Planque und Jérémy Vaugeois über ihr Abenteuer der Superlative: ein Radtrip von Alaska nach Patagonien. Den Film dazu könnt ihr euch auf der European Outdoor Film Tour 2023/24 anschauen ...

EOFT: Fahrradreise von Alaska nach Patagonien
Foto: Sophie Planque, Jeremy Vaugeois

Wir konnten den beiden Protagonisten des Films bereits vor dem Start der EOFT ein paar Fragen stellen:

outdoor: Wie kommt man auf die Idee, mit dem Fahrrad von Alaska in den Süden Patagoniens zu fahren?

Sophie und Jérémy: Wir sind seit neun Jahren ein Paar, haben aber auch schon vorher individuell lange Touren unternommen. Sophie zum Beispiel einen Spitzbergen-Cross mit Ski und Pulka, Jérémy eine Wanderung von Korsika nach Istanbul. Als wir uns kennenlernten, war schnell klar, dass wir zusammen ein krasses Projekt angehen wollten. In einer Gegend, die wir beide noch nie bereist hatten. Auf einer Reise von Alaska nach Patagonien erlebt man so viele Landschaften: Dschungel, Wüste, den Altiplano, paradiesische Strände, die argentinische Pampa. Wir haben anfangs sogar überlegt, diese Tour zu Fuß zu machen.

Im Ernst jetzt – zu Fuß?

Ja. Weil wir all diese Länder, all diese Regionen mit sämtlichen Sinnen erfahren wollten. Aber dann haben wir uns gesagt, dass das mit dem Fahrrad auch geht und man eben deutlich schneller vorankommt.

Wie lang war diese Reise denn eigentlich?

28.743 Kilometer, durch 15 Länder. Ziemlich genau zwei Jahre und drei Monate.

outdoor empfiehlt ja oft eine gründliche Tourenplanung. Wie handhabt man das bei so einem Mammutprojekt?

Wir haben eine ungefähre Route entlang der kontinentalen Wasserscheide der beiden Amerikas in eine Karte eingezeichnet. Das Ergebnis haben wir dann immer wieder durchgesprochen, sind aber bei dieser Route geblieben. Natürlich ohne detaillierte Tagesetappen zu planen, da würde man ja verrückt bei so einer langen Distanz.

Seid ihr auch mal auf der Panamericana gefahren, also der berühmten Straße von Nord- nach Südamerika?

Nur ein kurzes Stück in Zentralamerika. Wir wollten ja Berg-, Küsten- und Wüstennatur mit wenig Verkehr erleben, außerdem in abgelegenen Dörfern mit den Einheimischen in Kontakt kommen.

EOFT: Fahrradreise von Alaska nach Patagonien
Sophie Planque, Jeremy Vaugeois

Via Hängebrücke von Chile nach Argentinien.

Wenn ihr die Kontinente miteinander vergleicht – gibt es da Unterschiede in Sachen Gastfreundschaft?

Das ist eine Frage, die wir echt nicht mögen. So nach dem anerzogenen Motto "Der Norden ist reich, aber teilt nicht gern, und der Süden arm, aber heißt jeden willkommen". Es gibt überall gute und schlechte Menschen. Wir haben aber für uns festgestellt, dass man sich grundsätzlich sehr auf die Gastfreundschaft der Native Americans verlassen kann. Egal auf welchem Kontinent und in welchem Land.

Ihr seid ja auch privat ein Paar. Übersteht man so eine Tour ohne viel Streit?

Der beginnt bei vielen Outdoor-Paaren ja schon auf Tagestouren ... Haha, klar haben wir ab und zu gestritten. Jérémy ist körperlich einfach stärker, und wenn er sein Tempo gefahren ist, musste er irgendwann warten – frustrierend für Sophie. Wir haben ziemlich schnell als Regel etabliert, dass wir uns unterwegs nie aus den Augen verlieren. Davon abgesehen sind wir sehr gut darin, vom Liebespaar in den "Reiseteam- Modus" zu switchen. Da bleibt man allgemein sachlicher, und es stört auch zum Beispiel weniger, wenn der beziehungsweise die andere mal nach Schweiß stinkt.

Wie finanziert man eigentlich so eine Megatour?

Wenn du einen großen Reisetraum hast, lass dich nicht von Geldfragen abhalten! Wir haben zwei Jahre auf die Reise hingespart, die Wohnung gekündigt, die meisten Möbel und das Auto verkauft. Ein bisschen Geld kam auch dadurch rein, dass wir einige Schulen in Frankreich regelmäßig über die bereisten Regionen informiert haben. Und wir hatten Sponsoren. Im Nachhinein rechnen wir einen Euro pro Kilometer. Die ganze Reise hat etwas über 30 000 Euro gekostet. Etwa 7000 Euro pro Person pro Jahr.

Habt ihr euch unterwegs auch mal etwas Luxus gegönnt, zum Beispiel Restaurantbesuche?

Als kleines Goodie haben wir fast jeden Abend Schokolade gegessen – ein Riesengenuss, wenn man sonst gerade auf so viel verzichtet. Eingekehrt sind wir vor allem in Lateinamerika öfter, da gibt es jede Menge interessante Gerichte. Und als echte Franzosen haben wir ständig nach Käse Ausschau gehalten. In Bolivien zum Beispiel war der »queso andino« eine erfreuliche Entdeckung. Essen spielt für uns eine große Rolle, wir haben fast täglich sowohl mittags als auch abends gekocht.

EOFT: Fahrradreise von Alaska nach Patagonien
Sophie Planque, Jeremy Vaugeois

Riesige Kakteen prägen die Wüste in Baja California.

Und wie habt ihr eure Wasserversorgung in Wüsten geregelt?

Genaues Kartelesen ist der Trick. Wir kennen unsere Durchschnittsgeschwindigkeit in Wüstenregionen. Also können wir ausrechnen, wie viele Tage wir ungefähr brauchen werden, um eine 100, 200 oder 300 Kilometer lange Wüste zu durchqueren. Und dann müssen wir eben zwei bis drei Liter pro Tag und Person mitnehmen. Außerdem hält man sich so eisern wie möglich daran, Wasser nur zu trinken, statt es zum Kochen und Spülen zu verwenden. Wir kochen dann schon Essen vor, nehmen viele trockene Nahrungsmittel mit, und das Geschirr haben wir dort mit Sand gereinigt.

Was waren die größten Hindernisse eurer Reise?

Das Schlimmste war der heftige Unfall, den Sophie gleich an Tag sieben erlitt. Ein Lastwagen hat sie erwischt: gebrochene Schulter, Kopfverletzung, außerdem ein schweres Trauma für uns beide. Wir mussten eine anderthalbmonatige Pause einlegen, die natürlich unsere Zeitplanung, das "wo radeln wir zu welcher Jahreszeit", durcheinander warf. Viel Kraft hat uns nach dem Unfall die unglaublich großzügige, liebevolle Hilfe der Menschen vor Ort gegeben.

Wie schafft man es nach so einem Unfall weiterzufahren?

Das ist bis heute ein emotionales Thema für uns. Wir dachten ans Aufgeben, hatten aber so lange auf diese Tour hingelebt. Wir sind vorsichtig gestartet, mit nicht zu langen Etappen. Die Fitness kommt dann schon wieder. Und Fitness brauchten wir für das Riesenhindernis Nummer zwei: die Anden. Rückblickend sagen wir immer, dass die Durchquerung von Nord- und Zentralamerika nur das Aufwärmen für die Anden war. 7000 Kilometer Luftlinie lang, was 11 000 Kilometer Radfahren bedeutet, und das oft in extremen Höhenlagen – irre!

Kann man da nicht auch mal ein bisschen Bus fahren?

Das kam nicht in Frage. Über unser Motto "Jamais on ne prendra de bus!" ("Niemals Bus fahren"!) haben wir uns zwar auch lustig gemacht, aber wir wollten die Anden aus eigener Kraft schaffen.

Welche anderen Extremsituationen gab es auf der Tour?

Da könnte man eine sehr lange Liste machen ... In Alaska, im Yukon-Gebiet und in British Columbia sind wir monatelang fast jeden Tag Bären begegnet, das fanden wir nervenaufreibend. Die krasseste Erfahrung war vielleicht die unglaubliche Trockenheit und Unwirtlichkeit in der Sur-Lipez-Wüste, nahe der Atacama Region. Null Prozent Luftfeuchtigkeit, Höhenlagen über 4000 Meter. Der Wind weht das Wasser aus deinem Körper, und du schaust zu, wie deine Hände austrocknen und schrumpfen. Wie eine Art Mumifizierung kam uns das vor, man sieht am eigenen Körper, dass Wasser Leben bedeutet.

Wie feiert man auf so einer Langzeitreise Weihnachten?

Im Fünf-Sterne-Hotel. Nein, Spaß, das erste Fest bei Freunden in San Francisco. Und beim zweiten Tour-Weihnachten saßen wir Heiligabend mit ziemlich gutem Panetone vor einer Goldmine in den peruanischen Bergen. Tags drauf hat eine einheimische Familie uns spontan unter ihre Fittiche genommen, uns zum zeremoniellen Schlachten einer Ziege eingeladen, und dann gab es ein gemeinsames Festessen.

EOFT: Fahrradreise von Alaska nach Patagonien
Sophie Planque, Jeremy Vaugeois

Nur mäßig weihnachtlich: Heiligabend in Peru.

Sophie, du bist das Gesicht der diesjährigen European Outdoor Filmtour, bei der »The Great Traverse« läuft: der Film über euren Trip. Hat der Dreh einer Dokumentation euch zusätzlich zu dieser Reise motiviert?

Nein, ein Film war anfangs nicht geplant. Doch dann haben wir eh regelmäßig kleine Videos für besagte Schulen in Frankreich gedreht. So wuchs unsere Freude an dieser Art der Reisedokumentation. Aber ja, wir sind Profis, ich als Journalistin mit viel Dreherfahrung und Jérémy unter anderem als Drohnenpilot.

Wenn man so lange auf Reisen war, ständig in Bewegung, wie gelingt dann eine Rückkehr in einen sesshaften Alltag?

Kurz gesagt: Es dauert eine Weile. Aber wir haben, nachdem wir 2019 aus Ushuaia zurückgekommen sind, auch in den Jahren 2020, 2021 und 2022 große Bike-Reisen unternommen. Zuletzt eine 5000 Kilometer lange Runde um die Ostsee, und zwar im Winter.

Noch mit den gleichen Rädern wie in Amerika?

Ja. Sophies Fahrrad namens Nanuk ist noch im Einsatz, während Jérémys "Buck" leider in Peru aufgab. Aber sein Nachfolger, mit dem es dann weiter nach Patagonien ging, bewährt sich bis heute.

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Die Zahlen zur Reise

Gesamtdistanz: 28 743 km

Platte Reifen: Jérémy 16 – Sophie 23

Rahmenbruch: Jérémy 1

Gerissene Kette: Sophie 1

Umwerfer defekt: Sophie 1 – Jérémy 1

Raddefekt: Jérémy 1 – Sophie 1

Hinterer Gepäckträger defekt: Jérémy 2

Vorderer Gepäckträger defekt: Sophie 1 – Jérémy 1

Gebrochene Sattelstütze: Sophie 1

Kassettentausch: Sophie 4 – Jérémy 4

Kettenwechsel: Sophie 7 – Jérémy 7

Reifenwechsel: Sophie 2 – Jérémy 2

Gebrochene Schulter: Sophie 1

Schädeltrauma: Sophie 1

Dornen im Körper: Sophie 187

Unfälle : Sophie 2

Durchfall: Jérémy 6 – Sophie 3