Wir konnten den beiden Protagonisten des Films bereits vor dem Start der EOFT ein paar Fragen stellen:
Sophie und Jérémy: Wir sind seit neun Jahren ein Paar, haben aber auch schon vorher individuell lange Touren unternommen. Sophie zum Beispiel einen Spitzbergen-Cross mit Ski und Pulka, Jérémy eine Wanderung von Korsika nach Istanbul. Als wir uns kennenlernten, war schnell klar, dass wir zusammen ein krasses Projekt angehen wollten. In einer Gegend, die wir beide noch nie bereist hatten. Auf einer Reise von Alaska nach Patagonien erlebt man so viele Landschaften: Dschungel, Wüste, den Altiplano, paradiesische Strände, die argentinische Pampa. Wir haben anfangs sogar überlegt, diese Tour zu Fuß zu machen.
Ja. Weil wir all diese Länder, all diese Regionen mit sämtlichen Sinnen erfahren wollten. Aber dann haben wir uns gesagt, dass das mit dem Fahrrad auch geht und man eben deutlich schneller vorankommt.
28.743 Kilometer, durch 15 Länder. Ziemlich genau zwei Jahre und drei Monate.
Wir haben eine ungefähre Route entlang der kontinentalen Wasserscheide der beiden Amerikas in eine Karte eingezeichnet. Das Ergebnis haben wir dann immer wieder durchgesprochen, sind aber bei dieser Route geblieben. Natürlich ohne detaillierte Tagesetappen zu planen, da würde man ja verrückt bei so einer langen Distanz.
Nur ein kurzes Stück in Zentralamerika. Wir wollten ja Berg-, Küsten- und Wüstennatur mit wenig Verkehr erleben, außerdem in abgelegenen Dörfern mit den Einheimischen in Kontakt kommen.
Das ist eine Frage, die wir echt nicht mögen. So nach dem anerzogenen Motto "Der Norden ist reich, aber teilt nicht gern, und der Süden arm, aber heißt jeden willkommen". Es gibt überall gute und schlechte Menschen. Wir haben aber für uns festgestellt, dass man sich grundsätzlich sehr auf die Gastfreundschaft der Native Americans verlassen kann. Egal auf welchem Kontinent und in welchem Land.
Der beginnt bei vielen Outdoor-Paaren ja schon auf Tagestouren ... Haha, klar haben wir ab und zu gestritten. Jérémy ist körperlich einfach stärker, und wenn er sein Tempo gefahren ist, musste er irgendwann warten – frustrierend für Sophie. Wir haben ziemlich schnell als Regel etabliert, dass wir uns unterwegs nie aus den Augen verlieren. Davon abgesehen sind wir sehr gut darin, vom Liebespaar in den "Reiseteam- Modus" zu switchen. Da bleibt man allgemein sachlicher, und es stört auch zum Beispiel weniger, wenn der beziehungsweise die andere mal nach Schweiß stinkt.
Wenn du einen großen Reisetraum hast, lass dich nicht von Geldfragen abhalten! Wir haben zwei Jahre auf die Reise hingespart, die Wohnung gekündigt, die meisten Möbel und das Auto verkauft. Ein bisschen Geld kam auch dadurch rein, dass wir einige Schulen in Frankreich regelmäßig über die bereisten Regionen informiert haben. Und wir hatten Sponsoren. Im Nachhinein rechnen wir einen Euro pro Kilometer. Die ganze Reise hat etwas über 30 000 Euro gekostet. Etwa 7000 Euro pro Person pro Jahr.
Als kleines Goodie haben wir fast jeden Abend Schokolade gegessen – ein Riesengenuss, wenn man sonst gerade auf so viel verzichtet. Eingekehrt sind wir vor allem in Lateinamerika öfter, da gibt es jede Menge interessante Gerichte. Und als echte Franzosen haben wir ständig nach Käse Ausschau gehalten. In Bolivien zum Beispiel war der »queso andino« eine erfreuliche Entdeckung. Essen spielt für uns eine große Rolle, wir haben fast täglich sowohl mittags als auch abends gekocht.
Genaues Kartelesen ist der Trick. Wir kennen unsere Durchschnittsgeschwindigkeit in Wüstenregionen. Also können wir ausrechnen, wie viele Tage wir ungefähr brauchen werden, um eine 100, 200 oder 300 Kilometer lange Wüste zu durchqueren. Und dann müssen wir eben zwei bis drei Liter pro Tag und Person mitnehmen. Außerdem hält man sich so eisern wie möglich daran, Wasser nur zu trinken, statt es zum Kochen und Spülen zu verwenden. Wir kochen dann schon Essen vor, nehmen viele trockene Nahrungsmittel mit, und das Geschirr haben wir dort mit Sand gereinigt.
Das Schlimmste war der heftige Unfall, den Sophie gleich an Tag sieben erlitt. Ein Lastwagen hat sie erwischt: gebrochene Schulter, Kopfverletzung, außerdem ein schweres Trauma für uns beide. Wir mussten eine anderthalbmonatige Pause einlegen, die natürlich unsere Zeitplanung, das "wo radeln wir zu welcher Jahreszeit", durcheinander warf. Viel Kraft hat uns nach dem Unfall die unglaublich großzügige, liebevolle Hilfe der Menschen vor Ort gegeben.
Das ist bis heute ein emotionales Thema für uns. Wir dachten ans Aufgeben, hatten aber so lange auf diese Tour hingelebt. Wir sind vorsichtig gestartet, mit nicht zu langen Etappen. Die Fitness kommt dann schon wieder. Und Fitness brauchten wir für das Riesenhindernis Nummer zwei: die Anden. Rückblickend sagen wir immer, dass die Durchquerung von Nord- und Zentralamerika nur das Aufwärmen für die Anden war. 7000 Kilometer Luftlinie lang, was 11 000 Kilometer Radfahren bedeutet, und das oft in extremen Höhenlagen – irre!
Das kam nicht in Frage. Über unser Motto "Jamais on ne prendra de bus!" ("Niemals Bus fahren"!) haben wir uns zwar auch lustig gemacht, aber wir wollten die Anden aus eigener Kraft schaffen.
Da könnte man eine sehr lange Liste machen ... In Alaska, im Yukon-Gebiet und in British Columbia sind wir monatelang fast jeden Tag Bären begegnet, das fanden wir nervenaufreibend. Die krasseste Erfahrung war vielleicht die unglaubliche Trockenheit und Unwirtlichkeit in der Sur-Lipez-Wüste, nahe der Atacama Region. Null Prozent Luftfeuchtigkeit, Höhenlagen über 4000 Meter. Der Wind weht das Wasser aus deinem Körper, und du schaust zu, wie deine Hände austrocknen und schrumpfen. Wie eine Art Mumifizierung kam uns das vor, man sieht am eigenen Körper, dass Wasser Leben bedeutet.
Im Fünf-Sterne-Hotel. Nein, Spaß, das erste Fest bei Freunden in San Francisco. Und beim zweiten Tour-Weihnachten saßen wir Heiligabend mit ziemlich gutem Panetone vor einer Goldmine in den peruanischen Bergen. Tags drauf hat eine einheimische Familie uns spontan unter ihre Fittiche genommen, uns zum zeremoniellen Schlachten einer Ziege eingeladen, und dann gab es ein gemeinsames Festessen.
Nein, ein Film war anfangs nicht geplant. Doch dann haben wir eh regelmäßig kleine Videos für besagte Schulen in Frankreich gedreht. So wuchs unsere Freude an dieser Art der Reisedokumentation. Aber ja, wir sind Profis, ich als Journalistin mit viel Dreherfahrung und Jérémy unter anderem als Drohnenpilot.
Kurz gesagt: Es dauert eine Weile. Aber wir haben, nachdem wir 2019 aus Ushuaia zurückgekommen sind, auch in den Jahren 2020, 2021 und 2022 große Bike-Reisen unternommen. Zuletzt eine 5000 Kilometer lange Runde um die Ostsee, und zwar im Winter.
Ja. Sophies Fahrrad namens Nanuk ist noch im Einsatz, während Jérémys "Buck" leider in Peru aufgab. Aber sein Nachfolger, mit dem es dann weiter nach Patagonien ging, bewährt sich bis heute.
Die Zahlen zur Reise
Gesamtdistanz: 28 743 km
Platte Reifen: Jérémy 16 – Sophie 23
Rahmenbruch: Jérémy 1
Gerissene Kette: Sophie 1
Umwerfer defekt: Sophie 1 – Jérémy 1
Raddefekt: Jérémy 1 – Sophie 1
Hinterer Gepäckträger defekt: Jérémy 2
Vorderer Gepäckträger defekt: Sophie 1 – Jérémy 1
Gebrochene Sattelstütze: Sophie 1
Kassettentausch: Sophie 4 – Jérémy 4
Kettenwechsel: Sophie 7 – Jérémy 7
Reifenwechsel: Sophie 2 – Jérémy 2
Gebrochene Schulter: Sophie 1
Schädeltrauma: Sophie 1
Dornen im Körper: Sophie 187
Unfälle : Sophie 2
Durchfall: Jérémy 6 – Sophie 3