Ort: Kirgisistan, auch bekannt als die Schweiz Asiens, ist umgeben von Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan und China. Berge bedecken fast 80 Prozent des Landes – ein Paradies für Skifahrer. Das Tian-Shan-Gebirge erstreckt sich entlang der fast 900 Kilometer langen Grenze zu China. Kein Staat der Erde liegt weiter entfernt vom Meer als Kirgisistan.
Beste Reisezeit für Skitouren: Von Januar bis März.
Reiseroute Basics: Flüge ab Frankfurt über Istanbul nach Bischkek sind im Winter ab um die 400 Euro erhältlich. Vor Ort haben wir mit den Reiseveranstaltern nomadsland.kg (Roadtrip) und travel-kyrgyzstan.com (Aksuu Yurt Lodge) gute Erfahrungen gemacht. Die Jurten im Aksuu-Tal kosten 109 Dollar pro Person/Nacht bei Gruppen unter 5 Personen.
Nicht verpassen: Die Tiermärkte in Kochkor und Karakol. Auf der Südseite des Issyk-Kul-Sees lockt der Skazka Canyon, auch bekannt als Fairy Tale Canyon. Die Lehm- und Sandstein-Formationen leuchten in den unterschiedlichsten Rot- und Gelbtönen.
Lokale Küche: Korut sind Schafskäsebällchen, die sich einfach transportieren lassen. Sie schmecken am besten zusammen mit einem Bier! Schafs- rumpf gilt als Delikatesse und fermentierte Stutenmilch ist ein Grundnahrungsmittel.
Hilfreiche Phrasen: Salaam alaikum – ein allgemeiner Gruß, der »Friede sei mit dir« bedeutet, bazar jok – kein Problem, rakhmat – dankeschön.
Reiseroute:
Tag 1: Ankunft in Bischkek und Transfer nach Suusamyr, Skifahren
Tag 2: Skifahren, Tour in Suusamyr
Tag 3: Skifahren und Beginn der Fahrt nach Kochkor (auf halber Strecke zwischen Suusamyr und Karakol)
Tag 4: Fahrt nach Karakol am Fairy Tale Canyon.
Tag 5: Tiermarkt am Morgen, dann Schneemobil-Transfer zur Jurten-Unterkunft, Skifahren
Tag 6-9: Hinterland-Tagestouren von der Aksuu Yurt Lodge
Tag 10: Per Pferd/Bus nach Bischkek
Tag 11: Rückflug von Bischkek aus
Kirgisistan: Exotisches Skiabenteuer in Zentralasien
»Ist der Tunnel immer noch geschlossen?«, fragt unser Reiseleiter und Fahrer Alex einen Mann an der Tankstelle. Der hebt die Schultern. »Das müsst ihr schauen.« Es ist die einzige verlässliche Antwort, die er geben kann. »Ak jol«, wünscht er uns – eine weiße Straße, was in etwa »eine gute und sichere Reise« bedeutet. Die beiden nicken sich mit ihren hohen Kalpak-Hüten zu, und wir fahren müde vom Jetlag weiter in den Morgen hinein. Vier Stunden dauert die Fahrt von der Hauptstadt Bischkek ganz im Norden Kirgisistans in Richtung Südwesten bis zu dem Tunnel – der vielleicht offen ist und vielleicht auch nicht. Der magische Tunnel, wie Simon ihn nennt, sticht in 3000 Meter Höhe unter dem Töö-Ashuu hindurch, dem Kamelpass. Nach knapp drei Kilometern in der Röhre wartet auf der anderen Seite eines der wenigen Skigebiete Kirgisistans – eine Ansammlung einfacher Hütten, dazu ein einziger aus der Schweiz importierter Lift.
Simon Duverney, unser Freund, Bergführer, Klettererkumpel und Held, hatte von dem magischen Tunnel von einem anderen Freund gehört. Es soll weiß glitzern auf der anderen Seite, auch wenn es auf unserer überhaupt nicht danach aussieht. Immerhin haben wir Frühlingsanfang. »Ihr werdet schon sehen«, sagt Simon.
Riesige Gipfel ohne Namen
In unserem russischen Bukhanka, einem Bus, der wie ein Brotlaib aus Metall aussieht, holpern wir endlich in den Tunnel. Wir halten den Atem an, als wir hindurchfahren – und tatsächlich erwartet uns auf der anderen Seite das versprochene Weiß. Soweit das Auge reicht. Der Kamelpass und das dahinterliegende Suusamyr-Tal gehören zum Tian Shan, den himmlischen Bergen, die sich auf mehr als 2500 Kilometern durch Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan und China ziehen.
Drei 7000-Meter-Gipfel ragen in Kirgisistan auf, einem Land etwas mehr als halb so groß wie Deutschland: der Peak Lenin, Khan Tengri und der größte im Land, der Pobeda (7439 m). Daneben stechen eine Menge anderer Berge in den Himmel, die es noch zu erklettern und auf denen es Ski zu fahren gilt, oder denen überhaupt erst einmal ein Name gegeben werden müsste. Alex stoppt den Bus, damit wir die Aussicht in uns aufnehmen können. Schon von hier erkennen wir mehr Tourenpotenzial als wir ausschöpfen werden können.
Während unserer Zeit im Suusamyr-Tal lernen wir, wie man sich vorsichtig, wenn nicht sogar misstrauisch gegenüber 20- bis 25-Grad-Hängen verhält. Alles Steilere ist unsicher. Überall reißt und knirscht es, und doch finden wir gute Linien und haben Spaß. Drei Tage erkunden wir das Tal, dann treten wir die Fahrt nach Karakol an, weit im Osten von Kirgisistan. Die Strecke führt durch menschenleere Weite und beträgt nur etwas über 400 Kilometer. Aber es braucht sehr viel länger, über Schotterpisten als über die Autobahn zu reisen. Pferde und Kühe nutzen die Route, Schafe versperren den Weg.
Deswegen werden wir einen Zwischenstopp einlegen und bei einer Familie in Kochkor übernachten.Wir reisen an der Südseite des Yssykköl entlang, nach dem Titicaca der zweitgrößte Bergsee der Welt – 180 Kilometer ist er lang. Die Landschaft, eben noch ein weißes Plateau, wird karg, rot und felsig. Wir halten an, um Kindern dabei zuzuschauen, wie sie auf der Straße Murmeln spielen: mit Schafswirbeln.
Jurtencamp auf 2600 Metern
Die nächste Pause kommt unfreiwillig: Unser Bukhanka stottert und säuft schließlich ganz ab. Nach fast acht Stunden und einem Dutzend weiterer Ausfälle kommen wir bei unserer Gastfamilie in Kochkor an. Ein langer Tisch voller Brot und süßer Leckereien erwartet uns, satt und müde ziehen wir uns ins Gästehaus zurück und häufen die Decken auf dem Boden übereinander. Anderntags erreichen wir Karakol ohne Pannen.
Die 70 000-Einwohnerstadt am Ostende des Yssykköl liegt auf 1700 Meter Höhe, wir wollen hinauf in die Berge im Osten der Stadt zu unserem Camp im Aksuu-Hochtal auf 2600 Metern. Das einzige Problem: kein Schnee. Statt auf den Ski steigen wir zu Fuß hinauf in höhere Lagen, bis zu einer Reihe von Schneemobilen, auf denen wir funken- schlagend zu riesigen weißen Jurten gelangen, unserem Camp. Wind streicht durchs Tal, eine dünne Schicht Neuschnee überzuckert die Hänge.
Spuren entdecken wir keine, auch keine Schilder. »Ich möchte meinen Weg nur mit meinem Gefühl finden«, sagt Simon, »ohne Tourenführer.« Genau deswegen sind wir hier: Um unberührte weiße Hänge zu fahren, um ein Abenteuer zu erleben. Das Gelände ist nicht steil, fordert aber ein waches Bewusstsein für Lawinen und solides Fahrkönnen. Wir sinken ein, brechen durch die Kruste und sinken tiefer, einmal treten wir eine Scholle los: in einem 6-Grad-Hang.
Es gibt die unausgesprochene Regel, dass man keinen guten Schnee verlassen soll, um nach besserem zu suchen. Aber als aus den Alpen Berichte über Puderschnee eintreffen, fangen wir an, darüber zu sprechen. Im Lager slacklinen wir, veranstalten Liegestütz-Wettbewerbe in den Jurten und lassen uns, ein russisches Bier in Händen, in der Hot Tub aus Zedernholz versinken.
Einer der besten Tage des Jahres
Wir murren höchstens ein bisschen über die Schneebedingungen. Es fällt auch schwer, sich von einer warmen, farbenfrohen Jurte in einem fernen Tal in Kirgisistan aus zu beschweren. Skitouren von Basislagern aus fühlen sich oft ungemütlich, klamm und nass an. In den Jurten erleben wir genau das Gegenteil, sie waren einer der ursprünglichen Beweggründe, überhaupt nach Kirgisistan zu reisen.
Am letzten Skitag stehen Wolken am Himmel, es schneit. Wir beschließen, wieder gleich hinter dem Camp zu fahren, wo noch viele neue Linien locken. Wir hasten die Hänge hinauf. Oben warten wir ein paar Minuten, und sobald die Sonne durch die Wolken bricht, schießen wir herunter. 300 Meter, dann ziehen wir sofort wieder die Felle auf, um eine weitere Runde zu drehen. Und eine dritte. »Ich kann dein Grinsen durch dein Buff sehen«, bemerkt Dan. Wir alle strahlen über das ganze Gesicht.Als wir die dritte Runde beenden, verschlucken die Wol- ken unseren Spielplatz. Wir haben unsere Runden gedreht und heizen mit dem Himmel und der Mittagswärme um die Wette ins Tal.
Ich bin rundum zufrieden: Diese letzten Runden mit ihren butterweichen Kurven haben für einen der besten Skitage der Saison gesorgt. Am nächsten Morgen kitzelt das Licht, das durch die Nähte der Jurte hindurch- strahlt, unsere Nasen. Wir packen und reiten aus dem Camp, drei Stunden auf Pferden, die nur ein wenig sturer sind als der Bukhanka oder die Schneemobile, auf denen wir ins Camp gekommen sind.
In Kirgisistan ging es uns mehr noch als um das Skifahren ums Reisen. Und das war genau richtig. Das Skifahren hat uns gefallen, aber sogar noch besser gefielen uns der Roadtrip in einem launischen Bukhanka, die farbenfrohen Jurten, russisches Bier und das Unerwartete hinter jeder Ecke. Kirgisistan war für uns eine Mischung aus Komfort und Abenteuer, Vertrautheit und Ungewiss- heit.
Es ist ein gastfreundliches Land mit nomadischen Traditionen, einem kollektiven süßen Zahn und himmlischen Bergen. Jenseits der Gipfel lockt es mit der historischen Seidenstraße und lädt zu den Weltnomadenspielen. Der Tourismus wächst jedes Jahr, aber vor allem im Winter werden Sie sich vielleicht wie die einzigen in der Gegend fühlen. Reisen Sie dorthin, und Sie werden erleben, was es heißt, eine weiße Straße zu haben.
Diese und weitere Tourentipps findet ihr im aktuellen Skitouren-Special (outdoor 12/2018) Heft bestellen
Oder in unserem Skitouren-PDF zum Download, siehe oben.