Wie schont man im Urlaub die Umwelt?
Was sind effektive Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit im Alltag?
Der Sozialwissenschaftler Michael Bilharz hat die Antworten. Er promovierte über das Thema "Key Points nachhaltigen Konsums" und lebt klimaneutral. Seit elf Jahren arbeitet er beim Umweltbundesamt in Dessau und verantwortet dort unter anderem den CO2-Rechner:
uba.co2-rechner.de
Letzten Winter war ich mit meinen beiden Kindern und einer weiteren Familie im Bayerischen Wald Ski fahren. Im Jahr davor erstmals auch in den Alpen. Und vor zwei Jahren ging es im Sommer nach Korsika. Aber wir fahren immer mit Bus und Bahn in den Urlaub und suchen uns Ziele aus, an denen man auch ohne Auto viel erleben kann. Meine Erfahrung sagt: Das Hinkommen geht eigentlich immer, bei der Mobilität vor Ort ist es oft schwieriger. Als wir vor fünf Jahren in Südtirol eine Ferienwohnung suc hten, schieden viele aus. Mehr als zehn Minuten zur nächsten Bushaltestelle laufen geht gar nicht mit Kindern.
Ja, die letzte Tour sitzt mir sogar noch in den Knochen: 20 Kilometer im Schwarzwald, eine Rundtour vom Bahnhof Bärental über den Feldberggipfel. Zurück in Dessau muss ich leider sagen: Wandern macht ohne Berge nur halb so viel Spaß.
Dann werden Sie wohl das Auto nehmen. Ich empfehle Car-Sharing. Letztendlich gilt, wie bei allen klimarelevanten Alltagsentscheidungen: Die Bilanz zählt. Die Frage ist nicht, ob Sie jetzt am Wochenende 80 Kilometer für eine Wanderung fahren, sondern wie viele Kilometer sind Sie am Jahresende gefahren und mit welchem Spritverbrauch?
Entscheidend ist immer die Anreise. Wandern vor der Haustür: nicht zu toppen. Wandern in Neuseeland: riesiger CO2-Rucksack.
Wenn wir bei den Alpen von einer Autoanreise ausgehen, sind das bei 700 Kilometern hin und zurück rund 250 Kilogramm CO2. Das ist der Wert für das Auto, bei mehreren Reisenden sinkt der persönliche Wert entsprechend. Beim Neuseeland-Flug kommen dagegen rund 11,5 Tonnen CO2-Äquivalente pro Person zusammen. Das entspricht dem Jahresausstoß eines Deutschen. Als Faustregel gilt: Zug und Bus sind besser als das Auto. Dieses wiederum besser als das Flugzeug.
Das wäre die zweite Faustregel: Je einfacher die Unterkunft, desto geringer der CO2-Fußabdruck des Urlaubs. Beheizter Swimmingpool, Sauna, gehobene Ausstattung, das alles frisst Ressourcen und verursacht Emissionen. Eine niederländische Studie kommt auf 15 Kilogramm CO2 pro Tag im Zelturlaub gegenüber 35 Kilo beim Hotelaufenthalt.
Weil Fliegen praktisch ist. Wir kommen zu bezahlbaren Preisen schnell und bequem in ferne Länder und exotische Landschaften. So zu tun, als würde der Bayerische Wald ähnliche Erlebnisse bieten wie Costa Ricas Nebelwälder, halte ich für realitätsfern.
Kompensieren heißt, mit einer Geldspende den Ausbau erneuerbarer Energien oder Aufforstungsprojekte zu fördern. Das ist eine super Sache. Mit gemeinnützigen Anbietern wie MyClimate oder Atmosfair ist man auch qualitativ auf der sicheren Seite.
Fischratgeber sind ein gutes Beispiel für das Konsumentendilemma. Theoretisch können wir alle einen Beitrag zum Fischschutz leisten, wenn wir uns an die Tipps halten. Aber das tun die wenigsten. Die Lösung wären Schutzgebiete und strengere Fangquoten. Für den Einzelnen heißt das: Greenpeace als Lobbyorganisation zu unterstützen ist noch besser als Einkaufen mit dem Ratgeber.
Die zentralen Stellschrauben sind die »Big Points« der CO2-Bilanz: Wärmedämmung, Ökostrom, Investition in erneuerbare Energien, sparsames Auto oder besser noch Car-Sharing, Kompensation von Flugreisen, wenig Fleisch, mehr Biolebensmittel.
Weil Verbraucher solche Maßnahmen überschätzen. Ihre Kleiderschränke bleiben voll. Kunststoffverpackungen machen weniger als ein Prozent des durchschnittlichen CO2- Fußabdrucks eines europäischen Konsumenten aus, und bei den Ursachen von Mikroplastik in der Natur steht Abrieb von Autoreifen ganz oben. Klar ist Plastikvermeidung gut, aber es bringt der Umwelt mehr, wenn Sie Fahrrad statt Auto fahren. Die vielgescholtene Folie um die Bio-Gurke fällt da mit zehn Gramm CO2 unter Peanuts.
Schon gewusst?