Schwierigkeitsgrade beim Klettern & Bouldern
Andere Länder, andere Sitten, andere Währungen. Nicht nur beim Geld, auch bei der Bewertung der Schwierigkeiten von Kletterrouten und Bouldern. Anhand der Tabelle unten lassen sich die Grade vergleichen. Diese Tabelle behandelt das Klettern und Bouldern am Fels, auf die Grade in der Halle gehen wir direkt im Anschluss ein.
Was bedeutet dieses 5.10, A3? 9+/10-? Fb 7A? Je nach Aufenthaltsort auf dieser Welt unterscheiden sich die Skalen der Schwierigkeitsgrade ganz erheblich. Nicht immer ist 6c das gleiche wie 6c. Was es mit den Schwierigkeitsgraden verschiedener Spielarten des Kletterns auf sich hat, woher sie kommen und wie sie funktionieren – hier gibt es die Antworten auf die drängendsten Fragen rund um die Schwierigkeitsgrade im Klettern.
In diesem Artikel: Klettern und Bouldern + Wo gilt welche Bewertungsskala? + Wie entsteht Schwierigkeit?
Schwierigkeitsgrade beim Bouldern + Sonderfall: Die britische Bewertungsskala + Exkurs: Die wunderbare Welt der Schwierigkeiten – Fragen & Antworten: Wie entsteht eine Schwierigkeitsbewertung? + Seit wann gibt es Schwierigkeitsgrade? + Wie vergleichbar sind die Schwierigkeitsgrade? + Der schwerste Schwierigkeitsgrad + B3 – die Boulderskala von John Gill + Welcher ist der beste Schwierigkeitsgrad?
Schwierigkeitsgrade in der Halle: Klettern
Prinzipiell werden in der Kletterhalle die jeweils gleichen Grade verwendet wie am Fels: An einer Kletterroute kann also 6- dranstehen, korrespondierend mit dem Grad 6-, den man auch am Fels vorfindet. Allerdings sind die Anforderungen an Kunstwänden (=Indoorklettern) meist deutlich andere als am Fels, deshalb können sich die Grade trotz nominell gleicher Schwierigkeit sehr unterschiedlich anfühlen. Allerdings fühlen sie sich auch von Klettergebiet zu Klettergebiet oder Route zu Route schon einmal unterschiedlich an, und das liegt an den vielen Faktoren, die die Kletterschwierigkeit ausmachen. Deshalb sind Schwierigkeitsgrade eher als grober Richtwert zu sehen und nicht als exakte Wissenschaft.
Schwierigkeitsgrade in der Halle: Bouldern
Baim Hallenbouldern gibt es unterschiedliche Schwierigkeitssysteme. In den meisten Hallen steht die Schwierigkeit an den Startgriffen, bei manchen sind die Boulder farblich nach Schwierigkeitsstufen geschraubt. Unterscheiden sich die Schwierigkeitskennzeichnungen nach Zahl statt nach Farbe, gilt: Je höher die Zahl, desto schwerer der Boulder. Die wenigsten Hallen nutzen dabei das gleiche System wie am Fels (mehr zu Bouldergraden siehe hier). Die meisten Hallen haben sich für eine abstrakte Schwierigkeitsabstufung entschieden, die sich auch mit der Zeit verändern kann. Diese abstrakten Stufen umfassen meist mehrere Grade, es ist also durchaus normal, dass der eine blaue (oder Fünfer-) Boulder schwerer oder leichter als ein anderer ist. Oft überlappen sich diese Stufen auch, sodass der schwerste Boulder einer Stufe schon einmal härter sein kann als der leichteste der nächstschwereren Stufe.
Wie entsteht Schwierigkeit beim Klettern und Bouldern?
Leichte Boulder und Routen verfügen über viele Griff- und Trittmöglichkeiten, die ausreichend groß und gut zu greifen sind. Werden diese Griffe und Tritte weniger, kleiner oder liegen sie weiter auseinander, wird es schon schwieriger. Dazu kommt: Manche Griffe sind zwar groß, aber trotzdem nicht gut zu greifen. Außerdem spielt die Wandneigung eine Rolle: Je überhängender die Wand, desto schwieriger ist es meist, sie zu erklettern. Bei anspruchsvoller Kletterei, egal ob am Seil oder beim Bouldern, werden auch die Anforderungen an die Klettertechnik höher, die Bewegungen werden komplexer.
Wo gilt welche Bewertungsskala?
Die UIAA-Skala kommt oft im deutschsprachigen Raum zum Einsatz, ebenso in Tschechien. Beim Sportklettern wird zwar auch im deutschsprachigen Raum oft die französische Bewertung verwendet, in Alpinrouten regiert aber nach wie vor die UIAA-Skala. Eine weitere Skala auf deutschem Boden ist die sächsische, die im Elbsandsteingebirge zu Hause ist.
Die französische Skala hat sich als die in Europa allgemeingebräuchliche Sportkletterbewertung etabliert. Die USA-Skala findet in den meisten Ländern Amerikas Anwendung. Soweit die wichtigsten Bewertungsskalen. Es gibt aber auch noch eine britische, schwedische, australische...
Die beste Methode, Schwierigkeits-Skalen beim Klettern alle kennenzulernen, ist natürlich, herumzureisen und sie zu klettern und zu vergleichen. Wer das gerade nicht kann, bekommt in der Tabelle eine – zumindest grobe – Übersetzung geliefert.
Sonderfall: Die britische Bewertungsskala
Bei der britischen Bewertungsskala für Trad-Routen wirken mehrere Kennzahlen und Buchstaben zusammen (zum Beispiel VS 5a oder E3 5c). Das kommt einem erst einmal verwirrend vor. Doch tatsächlich hat diese kombinierte Wertung einen Hintergrund. So gibt die erste Kennung E3 den Gesamt-Anspruch der Route an, also Länge, Absicherungsmöglichkeiten, Schwierigkeit. Die zweite Kennung 5c bezieht sich auf die reinen Kletterschwierigkeiten. So kann man aus der jeweiligen Kombination erkennen, was einen erwartet. Eine insgesamt eher anspruchsvolle Route mit niedriger Kletterschwierigkeit weist darauf hin, dass der Anspruch woanders wartet, vermutlich in der Absicherung. Eine im Verhältnis zum Gesamt-Anspruch höhere Kletterschwierigkeit weist auf eine eher gut absicherbare aber anstrengendere Route hin. Schwer verständlich? Dann hilft nur hinfahren und ausprobieren!
Schwierigkeitsgrade beim Bouldern
Beim Bouldern am Fels hat sich eine weltweit gebräuchliche Skala eingebürgert: Die französische Fontainebleau-Skala. Die Angaben ähneln der französischen Seilkletterskala. Bei uns findet sich üblicherweise ein "Fb" vor der Ziffernangabe, oder aber man erkennt den Bouldergrad an kapital geschriebenen Buchstaben, also beispielsweise 6C statt 6c. Verwirrend ähnlich, aber von der Bedeutung verschieden: Die Tabelle oben zeigt die immensen Unterschiede zwischen 6c und 6C. Im US-amerikanischen Raum hat sich die V-Skala eingebürgert, doch auch die Amis nutzen immer häufiger die Fontainebleau-Skala. Ebenfalls in Fontainebleau wurde auch eine Traversenbewertung geprägt, hier wurde dann ein "trav" an den Grad angehängt. Diese wird aber immer seltener genutzt.
Exkurs: Die wunderbare Welt der Schwierigkeiten – Fragen & Antworten
Wenn ich bisher immer im fünften Grad unterwegs war, darf ich erwarten, in einem Siebener erst mal zu scheitern. Wer regelmäßig Neuner klettert, darf dagegen erwarten, sich in einem Siebener aufwärmen zu können (Ausnahmen bestätigen die Regel!). Wichtig ist diese Information vor allem dann, wenn mit einem Scheitern Verletzungs- oder Lebensgefahr verbunden wären, also bei großen alpinen Routen oder schlecht abgesicherten Routen im Mittelgebirge.
Wozu überhaupt Schwierigkeitsgrade?
Man muss nicht immer alles messen. Aber als Richtungsweiser und damit sicherheitsrelevant sind Grade beim Klettern durchaus. Und dann ist Messen und Vergleichen ja nicht immer schlecht. So wie beim 100-Meter-Lauf die gute Zeit oder beim Hochsprung die gute Höhe die Athleten antreibt, so treiben die lustigen kleinen Zahlen uns Kletterer zu immer besseren Leistungen. Und zwar sowohl Einzelne auf allen Niveaus, als auch den Klettersport insgesamt.
Wie entsteht eine Schwierigkeitsbewertung?
Beim Klettern in Fels, Eis oder den Bergen und auch beim Bouldern läuft es so: Wer die Route oder den Boulder erstbegeht, schlägt aufgrund bisheriger Erfahrung und im Vergleich zu anderen Routen, einen Schwierigkeitsgrad vor. Der gilt zunächst einmal. Wird die Route dann wiederholt, bestätigen oder korrigieren die Wiederholer die Bewertung. Halten sie die Route für schwieriger, spricht man von Aufwerten, finden sie einen niedrigeren Grad richtig, von Abwerten. Je mehr Begeher sich zur Bewertung äußern, desto gesicherter ist der Grad.
Irgendwann (meist nach der Erstbegehung, manchmal auch nach mehreren Begehungen) wird eine Route in der Alpinliteratur (Kletterführer, Magazine, Webseiten, soziale Medien), veröffentlicht. Auch die Autoren von Kletterführern nehmen manchmal Einfluss auf den Schwierigkeitsgrad. Bekannt ist das Beispiel eines Kletterführerverlags, der in einem Führer die Zwischenwertungen abschaffte und dabei konsequent abwertete (beispielsweise also statt 7+/8- nur noch 7+ angab). Der Aufschrei in der Kletterszene war groß.
Ein Schwierigkeitsgrad kann sich auch ändern. Bricht zum Beispiel ein wichtiger Griff aus, wird die Route vielleicht schwieriger und der Schwierigkeitsgrad angepasst. Meistens jedenfalls. In der Kletterhalle steht meist der Grad schon fest, ehe die Route geschraubt oder der Boulder gesetzt wird. Für die Routenbauer heißt es dann: "Wir brauchen eine Route im Grad xy." Die schrauben dann die Route, dann wird getestet, gegebenenfalls werden noch ein paar Griffe oder Tritte getauscht oder ergänzt, bis der Grad dann passt.
In vielen Hallen können die Kletterer ihre Einschätzung der Schwierigkeit der Route abgeben und damit eine Korrektur des angegebenen Grades bewirken.
Seit wann gibt es Schwierigkeitsgrade?
Erstmals aufgetaucht sind sie in einem Kletterführer in Österreich 1894. Der Autor, Fritz Benesch, verwendete eine Skala mit sieben Stufen zur Bewertung der Anstiege auf die Rax, ein Bergmassiv im Osten Österreichs.
Der deutsche Bergsteiger Hans Dülfer schlug 1913 eine Skala mit fünf Graden vor, die der Münchner Willo Welzenbach 1923 um den sechsten Grad ergänzte. Welzenbachs sechsstufige Skala hatte im Grundsatz bis Ende der 70er-Jahre Bestand. Sie wurde verfeinert, eine Unterscheidung zwischen freier und technischer Kletterei eingeführt. Per Definition galt dann lange der Grad 6+ als Grenze des Menschenmöglichen im Freiklettern.
Ende der 70er-Jahre wurde die UIAA-Skala nach oben geöffnet. Seither werden immer wieder neue Toprouten begangen, so dass wir im Sportklettern als aktuelle "Grenze des Menschenmöglichen" inzwischen dank Adam Ondra den Schwierigkeitsgrad 12 (UIAA) oder französisch 9c erreicht haben. Beim Bouldern hat Nalle Hukkataival das Level auf Fb 9A angehoben.
Wie vergleichbar sind die Schwierigkeitsgrade?
Meist wird eine Kletterroute im Vergleich mit anderen Routen bewertet. Es gibt auch Unterschiede bei der Routenbewertung von Gebiet zu Gebiet, von Gesteinsart zu Gesteinsart, von Routentyp zu Routentyp, von Erstbegeher zu Erstbegeher, von drinnen zu draußen. Ein Siebener-Riss im Granit stellt völlig andere Anforderungen als eine fränkische Lochkletterei im gleichen Grad oder gar ein großgriffiger Überhang in der Kletterhalle, selbst wenn diese – absolut gesehen – den gleichen Schwierigkeitsgrad haben.
Schwierigkeits-Bewertungen von Kletterrouten stammen oft von Locals, also von Kletterern, die eine bestimmte Art der Kletterei gewöhnt sind. Wer in einem Gebiet fremd ist, sollte sich darauf einstellen, dass ihm die Routen dort schwerer fallen als im Heimatklettergebiet oder der Kletterhalle.
Hinzu kommt, dass sich die Bewertungen regional stark unterscheiden können. Klettergebiete, die in den 80er-Jahren erschlossen wurden, als das Sportklettern so richtig begann, zeichnen sich meist durch eher harte "Old-School"-Bewertungen aus.
Die Freikletterbewertung bezieht sich üblicherweise auf eine Rotpunktbegehung, also einen sturzfreien Durchstieg ohne Hängen oder Pausieren und ohne die Sicherungspunkte zur Fortbewegung zu benutzen. Dies gilt analog auch für die Eis- und Mixedkletter-Skalen. Im sächsischen Elbsandstein wird die Bewertung für die a.f.-Begehung einer Route ausgegeben, also mit Ruhen an den Ringen. Wenn verschieden davon, wird noch ein Rotpunkt-Grad zusätzlich angegeben ("RP").
Der schwerste Schwierigkeitsgrad
Die Skalen sind nach oben offen. Wenn eine neue Route oder ein neuer Boulder alles bisher Gekletterte an Schwierigkeit deutlich übertrifft, dann wird dafür ein neuer Grad eingeführt, wie Adam Ondra das für Silence (9c) in Flatanger getan hat.
Weil es nicht viele Menschen gibt, die am aktuellen "Rande des Menschenmöglichen" klettern und solche grenzwertigen Schwierigkeiten Zeit und Mühe kosten, dauert es manchmal eine ganze Weile, bis ein neuer Grad bestätigt oder verworfen wird. Manche Erstbegeher scheuen sich auch, einen neuen Grad auszurufen. So hatte Adam Ondra 12 Jahre nach Alexander Hubers Erstbegehung Open Air am Schleierwasserfall wiederholt und den Grad nach oben korrigiert – somit wurde die Huber-Route zur ersten 9a+ der Welt.
Immer wieder gab es Tendenzen, die Skalen und Grade zu vereinfachen, zum Beispiel die von dem prägenden US-Boulderer John Gill entworfene B-Skala. Diese in den 1950ern entworfene Skala bestand aus drei Stufen: B1, B2 und B3. Die Definition war, dass B1 "die höchste Schwierigkeit im traditionellen Seilklettern" darstellte; B2 war schwerer ("Boulder-Level") und B3 war reserviert für Klettereien, die nur einmal geklettert werden konnten, obwohl sie oft versucht worden sind. Wenn eine B3 von einer zweiten Person geklettert wurde, dann erfolgte die Abstufung nach B2 oder gar B1. Gills Idee hinter der B-Skala war wohl, Kletterer für das damals noch kaum entwickelte Bouldern zu begeistern, ohne die Jagd nach Zahlen übermäßig zu befeuern. Aus offensichtlichen Gründen hat sich die B-Skala nicht durchgesetzt.
Welcher ist der beste Schwierigkeitsgrad?
Zugegeben: Jetzt wird es sehr subjektiv. Aber ja, es gibt tolle Grade, und es gibt Grade, die die Welt nicht braucht. Nur ein paar Beispiele:
UIAA 6+: Jahrzehntelang als Grenze des Menschenmöglichen im Fels definiert und im Gebirge auch heute noch sehr anspruchsvoll. Ein historisch bedeutender Grad, klingt auch gut.
UIAA 7: Die heilige Zahl und der Einstieg ins richtige Sportklettern. Siebener können verdammt hart sein. Oft sind es die modernen Klassiker eines Gebiets.
UIAA 9: Wow! Echtes Sportklettern, winzige Griffe, harte Züge, wunderbare Nummer im Routentagebuch.
Französisch 8a: Die etwas härter Entsprechung zur UIAA 9 in den südeuropäischen Gebieten. Für viele Sportkletterer ein Höhepunkt und Traum ihrer Kletterkarriere.
UIAA 7+: Es gibt auch miese Grade. Zumindest bei uns in der Halle oder auch im Fränkischen ist 7+ immer viel zu schwer. Weg damit – dann lieber gleich ‘ne 8-!
UIAA 8+: Den braucht wirklich kein Mensch. Einzelstellen oft genau so hart wie bei einer 9-, ähnlich anstrengend – und am Ende steht doch nur eine 8 vorne dran. Gehört komplett abgeschafft.
So, jetzt wisst ihr's.