14 Profi-Bouldertipps von Adam Ondra

Besser Bouldern
14 Profi-Bouldertipps von Adam Ondra

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Ob Anfänger oder bereits versiert: Diese Tipps vom Profi und Spitzenkletterer Adam Ondra lassen dich besser bouldern.

Adam Ondra's Tipps & Tricks
Foto: Adam Ondra

"Es geht immer darum, sich besser zu bewegen", erklärt Adam Ondra a.k.a. der beste Kletterer der Welt. Wie das funktioniert, wie man besser trainiert und wie man auf jedem Boulderlevel besser wird, erklärt der tschechische Profi hier. Vom optimalen Aufwärmen über Pausenzeiten und vom sinnvollen Projektieren bis zur Frage, warum Verbesserung leichter ist, wenn man nicht zu stark ist: Hier gibt‘s Adams Knowhow in komprimierter Form.

EFFIZIENTES BOULDERTRAINING (7 Tipps)

Adam Ondra: Bouldern ist mein Lieblingstraining! Das habe ich immer gemacht, es macht Spaß und ist relativ frei. Egal wie schwer du kletterst, es gibt einige Grundregeln, die immer gelten. Entscheide dich für herausfordernde Boulderprobleme, die du nicht im ersten Versuch klettern kannst oder vielleicht sogar gar nicht. Um dein Bouldertraining effizient zu gestalten, gebe ich folgende Ratschläge:

1. 30 Minuten aufwärmen, 90 Minuten bouldern

Bevor ich an die Wand gehe, mache ich ein allgemeines Warmup. Dann klettere ich mich sehr leicht ein, vielleicht sogar mit allen Griffen, versuche dabei die richtige Körperposition zu erfühlen. 'Bunt' klettern finde ich gut, weil die ersten Züge nicht unangenehm sein sollten, und ich möchte dabei alles unter Kontrolle haben. Besonders die Schultern und Finger sind empfindlicher, solange sie noch nicht aufgewärmt sind. Am Boden stehend an Griffen ziehen gehört auch zu meinem Warmup: Ich belaste einzelne Griffen und spüre dabei, ob meine Finger bereit sind, an kleineren Griffen zu ziehen. Das Aufwärmen sollte sich gut anfühlen und Spaß machen, und du solltest dich mit jedem weiteren Boulder immer besser fühlen. Das Warmup sollte dich nicht ermüden, sondern frischer fühlen lassen.

Adam Ondra's Tipps & Tricks
Adam Ondra

Kontrolliertes Ziehen, während die Füße am Boden bleiben, erwärmt die Finger auf sichere Weise.

2. Zum Aufwärmen angenehme Züge machen

Ich fange gern mit großen Griffen an, die Züge sollten eher leicht sein und einige Grade unter deinem Level. Versuche vom Boden aus abzuschätzen, ob ein Boulder sich zum Aufwärmen eignet oder ob vielleicht unangenehme oder zu schwere Züge darin vorkom- men könnten. Wenn ich merke, dass ich einen zu schweren Boulder gewählt habe, breche ich lieber ab – nicht weil der Boulder generell zu schwer ist, sondern weil ich meine optimale Leistungsbereitschaft noch nicht erreicht habe und die Züge fürs Warmup nicht geeignet sind. Wenn du Zweifel hast, ob ein Boulder zu schwer ist oder ob du ihn schon machen möchtest, ist es normalerweise klug, abzubrechen und dich noch weiter einzuklettern, bevor du ihn wieder angreifst.

3. Mindestens 2 Minuten Pause machen

Beim Aufwärmen müssen die Pausen nicht so lange sein wie bei schweren Bouldern. Man sollte auch nicht zu streng zu sich sein, aber vergiss nicht, gelegentlich innezuhalten, sodass dein Körper die Durchblutung hochfahren kann. Aufwärmen ist individuell, aber es ist klug, herauszufinden, was du brauchst, um in optimale Leistungsbereitschaft zu kommen. Das Warmup sollte auch keine lästige Pflicht darstellen, sondern kann und sollte bereits eine Gelegenheit sein, sich aufs flüssige und saubere Bewegen zu konzentrieren. Beim Training geht es nicht nur um Muskeltraining, sondern immer auch um Techniktraining. Wenn ich noch nicht konzentriert und fokussiert bin, ist das übrigens auch ein Zeichen, dass ich noch nicht optimal aufgewärmt und aktiviert bin.

Adam Ondra's Tipps & Tricks
Adam Ondra

Adam gibt auf seinem Youtube-Channel (www.youtube.com/@AdamOndra) Tipps und Tricks, wie man sich beim Bouldern verbessern kann. Hier in Episode 2 mit Schülerin Terezia.

4. Nicht nur einen Boulder probieren

Versuche verschiedene Boulder, hänge dich nicht an nur einem Projekt auf. Bei mir ist alles unter 8a Aufwärmen, danach geht das richtige Training los. Du kannst mit Plan trainieren, zum Beispiel mehrere Leistenboulder klettern, wenn du an Leisten besser werden möchtest. Abwechslung ist nicht nur sinnvoll, um die unterschiedlichen physischen Fähigkeiten zu verbessern, sondern auch, um vielfältige technische Herausforderungen zu meistern und damit dein Bewegungsrepertoire zu vergrößern.

5. Wähle 5 bis 10 Boulder fürs Training aus

Wähle fordernde Boulderprobleme zum Versuchen aus. Probiere die Züge. Entwickle ein Gefühl für die Bewegungen. Wenn sie schwer sind, oder wenn du schon nach dem ersten Zug abfällst, gib dir genug Zeit zur Erholung. Maximalkraft braucht ungefähr 5 Minuten Pause. Nutze sie, um Feinheiten herauszufinden. Welche Kleinigkeiten kannst du verändern, um die Bewegung zu verbessern? Die Pause ist nicht nur für die Muskeln nötig, sondern auch um die Haut wieder zu trocknen und abkühlen zu lassen. Wenn ich 5 Versuche mit angemessener Pause gemacht habe, ist es besser, weiter zu schauen und etwas anderes zu probieren. Besonders wenn zwei Boulder auf die Finger gegangen sind, wechsle ich an eine überhängendere Wand mit größeren Griffen, wo eher Körperspannung gefragt ist.

Adam Ondra's Tipps & Tricks
Adam Ondra

Terezia visualisiert den Schlüsselzug eines Boulders gemeinsam mit Adam.

6. Probiere unterschiedliche Boulderstile

Es hängt natürlich davon ab, ob du etwas Bestimmtes üben möchtest, eine bestimmte Griffart oder Bewegung. Wenn du zum Beispiel schlecht Zangen halten kannst, wähle Zangenboulder unter deiner Leistungsgrenze, um dich darin zu üben. Wenn du dranbleibst, wirst du merken, dass sich deine Zangenpower verbessert und deine Fähigkeiten heranreifen. Wenn du insgesamt besser klettern möchtest, musst du vielseitig sein, deshalb ist eine Mischung an verschiedenen Herausforderungen nötig. Nicht immer nur einseitig die gleiche Art von Zügen oder Griffen zu klettern, hilft auch dabei, Überlastungsverletzungen zu vermeiden.

7. Bleib nicht ewig in der Halle

Probiere Boulder, die dich fordern und die du nicht in nur ein oder zwei Versuchen klettern kannst. Klettere anderthalb Stunden mit maximalem Einsatz und ausreichend Pausen. Klettere nicht bis zur Erschöpfung. Maximalkraft funktioniert am besten im frischen Zustand, und wenn du zu platt bist, brauchst du zu lange, um für die nächste Einheit wieder erholt zu sein.

Adam Ondra's Tipps & Tricks
Adam Ondra

Adams Spezialität, Knieklemmer: Wer sie beherrscht, hat bessere Möglichkeiten, Ruhepunkte zu nutzen.

BOULDERN AN DER LEISTUNGSGRENZE (Tipps 7-14)

Adam Ondra: Wir haben in einer Klettersession nur begrenzt Zeit und Kraft, um Boulder zu klettern. Der kritische Punkt ist, dass ein Boulder genau die Muskeln ermüdet, die du brauchst, um ihn zu klettern. Es gilt, den Boulder zu analysieren, sich für die richtige Herangehensweise zu entscheiden und erst dann Versuche zu setzen. Wenn du erfolgreich an deiner Leistungsgrenze klettern willst, beachte folgende Tipps:

8. Probiere die Cruxzüge separat

Wenn alle Züge eines Problems schwierig sind, musst du nicht immer vom Start neu anfangen. Probiere die Schlüsselzüge einzeln. So kannst du erst die schwierigsten Bewegungen ausbouldern. Wenn du deine Kraft mit den Zügen verschwendest, die du bereits machen konntest, fehlt sonst an der Schlüsselstelle die Kraft und Kreativität, um die beste Lösung herauszufinden. Wenn du die Einzelzüge ausgebouldert hast, versuche sie zusammenhängend zu klettern.

Adam Ondra & Stefano Ghisolfi bouldern in Flatanger
Adam Ondra

Adam Ondra und Stefano Ghisolfi basteln an schweren Zügen, hier in der Trainingscheune in Flatanger.

9. Optimale Bewegungsabfolge herausfinden und einprägen

Finde heraus, wie sich der Griff am besten festhalten lässt, bürste und säubere ihn wenn nötig. Suche für jede Position die passenden Tritte. Beachte: Manchmal wenn nur ein Fuß steht, ist dennoch die Position des freien Fußes ausschlaggebend für die perfekte Körperposition. Erlaube dir, verschiedene Methoden auszuprobieren und erfühle, welche die beste Lösung für dich ist. Spiele die Bewegungsabfolge im Kopf durch und stelle sicher, dass du weißt was zu tun ist, wenn du an der Wand bist.

10. Konzentriere dich voll und ganz auf den Versuch

Beim Klettern an der Leistungsgrenze müssen wir alles geben. Stelle also sicher, dass du erholt und fokussiert genug bist. Und selbst wenn du nur einen Zug ausprobierst, konzentriere dich immer auf die Qualität der Bewegung. Ungeachtet meiner Empfehlung, Cruxzüge einzeln zu versuchen, ist es nicht falsch, immer wieder vom Start loszulegen. So lassen sich die Züge besser einschleifen, so dass man effizienter klettert und frischer bei den Schlüsselzügen ankommt. Entscheide selbst, in welchem Fall welche Taktik sinnvoller ist. Lass dich nicht verleiten zu denken, dass es beim Bouldern nur um die nötige Power geht: Es geht immer darum, sich besser zu bewegen. Manche Züge sehen wirklich profan aus, als gäbe es nichts mehr daran zu lernen – aber um sich zu entwickeln und besser zu werden, darf man nicht aufhören, nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.

Adam Ondra Boulder-EM München 2022
Adam Ondra by Petr Chodura

Bei der Boulder-EM in München sieht sich Adam mit komplexen Bewegungsabfolgen konfrontiert.

11. Versuche, die Schlüsselzüge auf verschiedene Arten zu klettern

Klettern ist ein technikabhängiger Sport. Es kommt selten vor, dass man einen Zug wirklich nur mit Kraft lösen kann. Wenn man das doch macht, bewegt man sich meist nicht gut und rutscht ab und fällt. Manchmal denke ich, dass ich einfach nur stärker ziehen muss – um dann einige Versuche später zu merken, wie ich die Bewegung verändern muss, um den Boulder klettern zu können. Indem du verschiedene Lösungen ausprobierst, lernt dein Körper unterschiedliche Bewegungen und auch, diese zu verbessern.

12. Konzentriere dich auf saubere Bewegungen und präzise Fußtechnik

Nicht so stark zu sein ist optimal dafür, die richtige Bewegungsabfolge und ein gutes Körpergefühl zu entwickeln. Stark werden kann man später immer noch und sich so über Jahre stetig steigern. Denn wenn man bereits verhältnismäßig stark ist, es ungleich schwerer ist, sich optimal zu bewegen und das Gefühl für gute Technik zu entwickeln. Setze den Fokus auf saubere Bewegungen und präzises Stehen, um dich zu verbessern.

Adam Ondra's Tipps & Tricks
Adam Ondra

Adam vermittelt Terezia, wie wichtig es ist, die richtige Trittposition zu finden und ermuntert sie zum Experimentieren.

13. Vor jedem Versuch die Bewegungen visualisieren

Wie bereits erwähnt, sollte man sich die optimale Bewegungsabfolge einprägen. Um alle wichtigen Details einer Bewegung an der Wand abrufen zu können, ist es hilfreich, sie vor dem Versuch noch einmal im Kopf durchzugehen. Dann braucht man sie nur noch auszuführen. Das ist zugegebenerweise schwierig, viele brauchen Jahre, um das Visualisieren zu lernen. Meist ist es einfacher für die Hände als für die Füße, aber bleib am Ball und du wirst es lernen. Es ist wichtig, auch die Bewegungen der Beine und die Tritte samt korrekter Reihenfolge in die Vorstellung mit einzubeziehen. Denn es kann kritisch sein, wenn man beim Klettern nicht mehr weiß, ob erst der Fuß oder erst die Hand weiterziehen sollte.

14. Wenn du müde wirst, lass es gut sein

Wenn du bei einem Boulder keine Fortschritte mehr machst, suche dir eine neue Herausforderungen in einem anderen Stil mit anderen Anforderungen. Wenn du erschöpft bist, kannst du nicht mehr gut lernen, und die Maximalkraft ist dahin. Deshalb ist es sinnvoller, dir Ruhe zu können und beim nächsten Mal wieder frisch anzugreifen. Setze den Schwerpunkt immer auf die Qualität deiner Versuche. Wenn diese nachlässt, ist eine Pause nötig.

Adam Ondra's Tipps & Tricks
Adam Ondra

Erfolge feiern: Je mehr Spaß wir beim Bouldern haben, desto besser lernen wir.

Mehr Input von Spitzenkletterer Adam Ondra gibt's in seiner Youtube-Serie Tips & Tricks by Adam Ondra (ansehen unter www.youtube.com/@AdamOndra).

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