Stark an deutschen Felsen: 6 unbekannte Spitzenkletterer

Deutsche Kletterer
Stille Stars am Fels

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Stark und unbekannt – wir haben mit sechs superstarken deutschen Kletterern gesprochen: Sarah Kampf, Heli Kotter, Toni Lamprecht, Charlotte Frank, Tilo Moser und Roland Hemetzberger.

Roland Hemetzberger klettert in Achleiten
Foto: Claudia Ziegler

Sie bohren, projektieren, reisen und klettern: Wir haben mit sechs deutschen Kletterern gesprochen, die an den Wänden vor der Haustüre und darüber hinaus ihren Hunger nach Fels und harten Zügen stillen.

In diesem Artikel:

  1. Sarah Kampf – Frankenjura
  2. Heli Kotter – Sparchen
  3. Toni Lamprecht – Kochel
  4. Charlotte Frank – Südpfalz
  5. Tilo Moser – Altmühltal
  6. Roland Hemetzberger – Achleiten

Sarah Kampf – Frankenjura

Vor zehn Jahren kletterte Sarah Kampf – damals noch Sarah Seeger – als erste Frau überhaupt eine fränkische 8c-Route, den Steinbock am Orakel, eine damals gerade ein Jahr alte Route von Markus Bock. Sarah legte dann noch einige Routen im gleichen Grad nach, ehe sie eine Babypause einlegte.

Sarah Kampf klettert im Frankenjura
Lars Decker
Sarah Kampf (ehemals Seeger) im fränkischen Fels.

Seit gut zwei Jahren ist die 38-Jährige Wahl-Fränkin wieder zurück, und nachdem sie 2018 mit Battle Cat (8c/8c+) ihre bisher nominell schwierigste Route überhaupt punkten konnte, ist klar, dass weder Kinder noch Beruf ihre Begeisterung für den Fels beschränken: „Meine Motivation für harte Routen ist immer noch groß. Ich mache gerne draußen Sport, ich liebe die Herausforderung und es gibt viele Routen, die in mir so einen inneren Prozess auslösen.“

Ins Fränkische kam die damalige Allgäuerin schon mit 17 Jahren mit ein paar starken Kletterfreunden: „Mir hat es da sofort gefallen, ich habe schon immer gerne athletische Sachen geklettert“. Und die Kombi aus Klettern, draußen übernachten und kochen begeistert Sarah bis heute.

Sarahs Highlights:Battle Cat war auf dem Papier meine härteste Route, aber nicht vom Aufwand her. Deshalb bedeutet mir meine Begehung von ChriSu (8c) am Rottachberg im Allgäu immer noch mehr. Da war ich so oft und es haben mich so viele Leute unterstützt – ich fand es einfach toll, wie die Szene zusammenhält und sich freuen kann.“

Sarahs Lieblingsziel: „Klar, der Frankenjura. Mir gefällt hier, dass das Gebiet so unglaublich vielfältig ist. Aber ich habe eigentlich keine Lieblingsfelsen, das hängt immer vom Projekt ab.“

Heli Kotter – Sparchen

„Hausbau, zwei Kinder bekommen, Vollzeitjob als Berufsschullehrer – die letzten Jahre war schon sehr viel los.“ Vom Klettern abhalten konnten diese Freuden des Erwachsenenlebens den 36-jährigen Rosenheimer Heli Kotter aber nie: „Klettern und trainieren ist für mich auch ein Ausgleich. Ich könnte sieben Tage die Woche trainieren.“

Heli Kotter klettert in Pinswang
Alpsolut
Heli Kotter in seinem Projekt in Pinswang.

Wozu ihm die Zeit aber vorn und hinten nicht reicht, deshalb müssen die abendlichen Sessions im häuslichen Boulderraum und am Beastmaker ausreichen. Heli scheint das aber zu genügen, er ist so stark wie eh und je. Mit 14 stieg er in Rosenheim ins Klettern ein und war schon bald mit der Szene unterwegs – und häufig mit Alexander Huber am Schleier Wasserfall: „Das hat mich geprägt. Mich reizen daher auch besondere alpine Projekte, die mich überzeugen.“ So wie seine Wiederholungen von Bellavista und Panaroma (beide 11-) an der Westlichen Zinne oder Sansara (10+) am Urlkopf – alles Kreationen von Alexander Huber.

Am liebsten eröffnet Heli aber seine eigenen Routen: „Ich stehe auf eigenständige Linien mit Charakter. Dieser Reiz, die Frage, ob es überhaupt geht, und es dann auch zu klettern, das zieht mich immer mehr in Bann.“ 2016 eröffnete er mit dem Beastmaker, einer 100 Meter langen 9a/9a+, die schwierigste Route in Sparchen. Auch letztes Jahr gelangen ihm wieder drei schöne Erstbegehungen im 8c+/9a-Bereich, und ein Ende ist nicht abzusehen: „Momentan habe ich echt Strom“, meint Heli und freut sich schon wieder auf sein aktuelles Projekt in Pinswang bei Füssen.

Heli Highlights: „Bellavista und Panaroma haben mir sehr intensive Eindrücke verschafft. Die Sturmnacht im Hotel Supramonte (8b) auf Sardinien werde ich nie vergessen. Und an meine erste 9a, Mongo am Schleier Wasserfall, denke ich auch gerne zurück. Das war 2008.“

Helis Lieblingsziel: „Ich klettere momentan fast nur in der näheren Umgebung. Am Schleier Wasserfall bin ich groß geworden. Und in Sparchen gefallen mir vor allem die Wände ganz oben: megakompakter, rauer Alpenkalk, Aussicht über das ganze Inntal und ausgesetzt wie im alpinen Gelände – das taugt mir sehr gut.“

Toni Lamprecht – Kochel

Seit über 30 Jahren ist der Münchner in Kochel aktiv. Und 2018 war wieder ein erfolgreiches Jahr für ihn: „Die Wände waren so trocken wie schon ewig nicht mehr. Da gingen Routen, die sonst fast immer nass sind“, erklärt der 48-jährige Toni den Umstand, dass ihm 2018 in Kochel gleich fünf neue Routen im elften Grad gelangen, und fügt an: „Wobei das zum Teil ganz alte Projekte waren, die jetzt auch aufgrund der guten Bedingungen endlich geklappt haben.“ Darunter so ungewöhnliche Klettereien wie der Seitensprung (8c oder 11-/11), der seinen Namen einem spektakulären Dyno in der Mitte der Wand verdankt.

Toni Lamprecht klettert in Kochel
Margit Memminger
Toni Lamprecht klettert in Kochel.

Sein erstes Projekt in Kochel hatte Toni, der im zivilen Leben als Sonderpädagoge arbeitet, schon 1987. „Gelbes vom Ei nannte ich meine erste Erstbegehung dort. Das war so eine kurze Bouldertour und bestimmt nicht das Gelbe vom Ei. Ich glaube, die wurde nie wiederholt.“ Inzwischen haben sich über 300 Neutouren auf Tonis Routenkonto angesammelt, ein Großteil davon in Kochel: „Man denkt ja immer, man hat schon die schönste Route gemacht. Bis eine neue kommt. Zudem ist Kochel so abwechslungsreich und wir sind eine echt gute Crew, so dass das gemeinsame Projektieren einfach Spaß macht. Und die neuen Routen und Boulder kommen ja auf einen zu. Da denkst du, du hast keinen Bock mehr auf einen staubigen Überhang, und zwei Wochen später liegst du dann darunter.“

Tonis Highlights: „Meine Expeditionen nach Grönland waren Highlights, das Neuland dort hat alle Erwartungen übertroffen. Ansonsten ist es immer das Projekt, an dem ich gerade arbeite.“

Tonis Lieblingsziele: „Kochel gefällt mir, weil du da alles auf einem Fleck hast und es sehr abwechslungsreich ist. Noch schöner finde ich aber die Plankensteinnadel: Fels wie im Verdon und fantastische Lage. Wie geil ist das denn?“

Charlotte Frank – Südpfalz

Mit 15 begann die gebürtige Karlsruherin Charlotte Frank in der Pfalz mit dem Klettern. Und blieb seither dabei: „Klettern ist meine große Leidenschaft, um die ich alles drum herum strukturiere.“ Momentan lebt die 26-Jährige in ihrem Ford-Nugget-Bus, der mal in der Pfalz, mal aber auch im spanischen Oliana oder irgendwo in Frankreich, der Schweiz oder Italien unter den Felsen steht. Sogar bis nach Kalymnos und in die Türkei ist die Pfälzerin damit schon zum Klettern gefahren.

Charlotte Frank klettert in der Pfalz
Alex Wenner
Charlotte Frank fixiert kleinste Kiesel in einer Pfalz-typischen Crux.

Letztes Jahr flog sie erstmals in die USA, um die Sandsteinklettereien der Red River Gorge in Kentucky kennenzulernen. Dort scheint sich die Pfälzer Schule ausbezahlt haben, denn mit Omaha Beach (8b+) punktete Charlotte eine ihrer härteren Routen.

An den Pfälzer Felsen schaut sie heute nur noch gelegentlich vorbei: „Ich habe das Gefühl, es würde mich limitieren, wenn ich nur hier klettern würde. Zuletzt war ich sehr viel unterwegs, in Europa, den USA, auch schon in Australien. Rein vom Klettern her liegen mir mehr die Ausdauerrouten, und die harten Routen in der Pfalz haben oft extrem schwere Einzelstellen. Das ist dann fast wie Bouldern mit Seil.“

Charlottes Highlights: „Im Sportklettern ist das sicher Mind Control (8c) in Oliana. Ich war wirklich überrascht, die Route so schnell klettern zu können. Ansonsten meine Trips in die USA und nach Australien, wo ich jedes Mal alleine hingeflogen bin. Ich mag das: alleine irgendwo hinzugehen und zu sehen, was dabei rauskommt.“

Charlottes Lieblingsziel: „In der Pfalz ist es der Retschelfels, weil es da sehr steil ist und sportklettermäßig abgesichert. Da kannst du dich richtig auf die schweren Züge konzentrieren. Ansonsten mag ich den Frankenjura sehr.“

Tilo Moser – Altmühltal

Einen Klassiker im zehnten Grad ohne Bohrhaken? Tilo Moser liebt solche speziellen Projekte. 1984 eröffnete Wolfgang Güllich mit Kanal im Rücken an der Kastlwand im fränkischen Altmühltal den ersten glatten Zehner weltweit. Über drei Jahrzehnte später gelang Tilo Moser aus München die erste Clean-Begehung. Was in diesem Fall bedeutet: Erst mal knapp zehn Meter im neunten Grad ungesichert hoch, dann einen Cliff und einen Tricam unterbringen und dann die Crux durchziehen.

Tilo Moser klettert im Altmühltal
Hannes Huch
Tilo Moser lässt im Altmühltal die Haken weg.

Für den 42-jährigen Familienvater war es nicht die erste Begegnung mit dieser Art des Kletterns: „2000 habe ich beim Studium in England das Tradklettern kennengelernt. Ich liebe diesen Prozess, wo du dich langsam hintastest und schrittweise das Risiko reduzierst.“

Auch sonst ist der promovierte Mathematiker, der in Karlsruhe geboren wurde und in Erlangen aufwuchs, mit Leib und Seele Kletterer: „Für mich ist das Klettern mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Als ich mit 16 in der Fränkischen erstmals geklettert bin, war das ein Aha-Erlebnis: Das ist der Sport, den ich machen will.“

Wichtig ist Tilo dabei, immer ein Ziel vor Augen zu haben: „Ich kann mir das Klettern ohne Projekte gar nicht vorstellen. Mit dem Kanal im Rücken habe ich mich zum Beispiel fast drei Jahre immer wieder beschäftigt. Neben dem harten Sportklettern, wo ich immer noch weiterkommen will, begeistern mich auch solche speziellen Sachen.“

Tilos Highlights: „Auf jeden Fall meine bisher schwierigste Route, Odd Fellows (8c) im Frankenjura. Dann die Tradroute Slab and Crack (E8, 6c) in Curbar im Peak District, aber auch New Age (10-) im Rätikon, die ich letztes Jahr punkten konnte.“

Tilos Lieblingsziel: „Immer noch der Nördliche Frankenjura. Wobei das Altmühltal mit seiner speziellen Kletterei auch seine Reize hat. Und ich finde das Sportklettern in den Alpen wie am Schleier Wasserfall großartig, diese Kombi aus Klassefels und riesen Aussicht ist einfach sensationell.“

Roland Hemetzberger – Achleiten

Roland Hemetz­berger macht die Felsen am Fuß des Kaisergebirges Route um Route zum Topgebiet. „Inzwischen habe ich weltweit Referenzen, und die harten Routen in Achleiten, die sind schon Weltklasse!“ Keine Frage, Roland Hemetzberger hat an den Wänden unterm Wilden Kaiser einen Narren gefressen. Als er vor 12 Jahren in Oberaudorf ins Klettern einstieg, fand er schnell Anschluss an die dortige Sportkletterszene. Und bezeichnet sich, zumindest in der aktuellen Lebensphase, als durchaus fanatisch: „Klettern ist meine liebste Beschäftigung und das Tüfteln an schweren Routen macht mir einfach Spaß.“

Roland Hemetzberger klettert in Achleiten
Claudia Ziegler
Roland Hemetzberger klettert in Achleiten.

Seit knapp zwei Jahren wohnt der 28-Jährige jetzt in Innsbruck, doch die regelmäßigen Fahrten nach Achleiten unternimmt er immer noch: „Vor einigen Jahren habe ich begonnen, dort den steilsten Wandteil einzubohren. Inzwischen ist Achleiten von der Anzahl der harten Routen her eines der schwersten Gebiete in Österreich.“ Und hat mit Outro (9a+) 2016 auch seine derzeitige Spitzenroute erhalten – natürlich von Roland. Wenn der umtriebige Bayer mal nicht am Projektieren ist, dann klettert er gerne im Kaiser oder Karwendel schöne Grate, denn: „Ich finde den Alpinismus allgemein sehr interessant. Die Vielseitigkeit des Kletterns begeistert mich.“

Rolands Highlights: „Mein größtes Highlight ist sicher die Rotpunktbegehung von WoGü (8c, im Rätikon) im Herbst 2016, auch, weil ich da viel Zeit und Aufwand investiert habe. Daneben die zweite Begehung von Fugu, einer harten 9a von Adam Ondra am Schleier Wasserfall.“

Rolands Lieblingsziel: „Das Kaisergebirge und speziell Achleiten natürlich. Da dauert die Saison vom Herbst bis April, die Wände sind nach Süden ausgerichtet, selbst im tiefsten Winter kann man klettern. Und es gibt schöne Routen von 6a bis 9a+.“