Den Anfang machten die Bergführer. Ihr Beruf besteht immer noch darin, einen Gast gegen Bezahlung zum Gipfel und zurück zu führen. Sie waren die ersten, die direkt mit Bergsteigen und Klettern Geld verdienten. Und sind als staatliche geprüfte Berg- und Skiführer heute noch die am besten ausgebildeten Berufskletterer.
Der Boom des Kletterns, der Kletterhallen und auch der Vereine hat aber inzwischen ein relativ weites Betätigungsfeld geschaffen, in dem immer mehr versuchen, ihr Hobby irgendwie zum Beruf zu machen. Die Kletterhallen beschäftigen sehr viele Menschen im Servicebereich, in der Kursbetreuung, als Routenschrauber. Auch die gewachsenen Alpinvereine haben immer mehr hauptamtliche Mitarbeiter. Allein in der DAV-Zentrale in München arbeiten rund 70 Leute, weitere 30 sind für den DAV im alpinen Museum auf der Praterinsel und in der Jugendbildungsstätte in Hindelang tätig.
Hinzu kommt, dass die Kletterer auch die Nachfrage in der Bergsportindustrie ankurbeln. Bei den meisten Firmen, die Klettermaterial herstellen, sitzen in den Entwicklungsabteilungen – und nicht nur dort – Leute, die selbst in Fels und Eis aktiv sind. Auch im Vertrieb und Handel ist das so. Die eigene Erfahrung in ein Produkt und seinen Verkauf einzubringen, ist hier nicht nur ein Vorteil, sondern Notwendigkeit.
Eine eigene Schiene hat sich schließlich mit dem sogenannten Industrieklettern entwickelt. Dieser anspruchsvolle Beruf verlangt fundierte Kenntnisse der Sicherungstechnik und handwerkliches Können. Das, wovon die meisten träumen, nämlich von Sponsoren direkt fürs eigene Klettern bezahlt zu werden, gelingt immer noch nur wenigen. Die müssen in Fels und Eis und in der Medienpräsenz dann aber richtig gut sein.
Eines ist allen gemein: Wer sein Hobby zum Beruf macht, für den wird es schwieriger, Freizeit und Arbeit sauber zu trennen. Abschalten ist nicht mehr so einfach. Doch wer unsere Statements liest, sieht, dass keiner seine Berufswahl bereut.
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Vertikales Gewerbe: Sportartikel-Vertrieb
Stefan Donner, 37 Jahre, Thurnau:
"1999 habe ich die Handelsagentur Triple X gegründet und seitdem bin ich Großhändler für Bergsportartikel. Wie kommt man dazu, eine Handelsagentur zu gründen? Meine Kletterfreunde und ich fanden, dass es auf dem Markt keine gute Auswahl an Chalkbags gab. Auch das erhältliche Chalk genügte nicht unseren Ansprüchen.
Daraufhin designten wir unsere eigenen Chalkbags, suchten und fanden einen sehr guten Chalkproduzenten. So entstand meine eigene Marke a’Gaudi. Und dann brauchten wir noch jemanden, der die Sache zum Laufen und die Artikel in die Läden bringt – das war ich! Ich studierte damals noch BWL in Nürnberg und hatte am meisten Zeit. Das Ganze machte so viel Spaß, dass ich dabei blieb und die Agentur ausbaute, erst mit E9, später mit Metolius und Nemo Equipment.
Ob man studieren muss oder eine kaufmännische Ausbildung haben sollte, ist schwierig zu sagen. Mir haben die Erfahrungen aus den Lehr- und Arbeitsjahren sehr viel geholfen. Einen sehr großen Teil meiner Arbeitszeit sitze ich im Büro (Kalkulationen, Konzepte, Telefonate), den anderen Teil verbringe ich bei Kunden, im Auto, bei Produzenten und Vertriebspartnern. Dann gibt es noch einige Events und Messen im Jahr, wo wir die Neuheiten unserer Marken vorstellen.
Wir sind zu viert (zwei Mädels, zwei Jungs), dann habe ich noch vier Aushilfskräfte und einen Hund, der für gute Laune sorgt. Meine Firma sitzt im Herzen der Fränkischen Schweiz, die Klettergebiete sind teilweise nur zehn Minuten vom Büro entfernt. Der Beruf macht sehr viel Spaß, da die Arbeit nie eintönig wird. Der Kontakt mit den Geschäftspartnern ist angenehm (liegt wohl an dem Sport, den jeder ausübt, in welcher Intensität auch immer).
Es sind auch viele andere Großhändler in dem Beruf tätig. Ob alle noch den Bezug zum Klettern haben oder den Sport auch als Lebensinhalt betrachten, kann ich nicht sagen. Für mich gehört das Rausfahren in die Fränkische, das Klettern und das Bouldern dazu. Wer sich nach Reichtum, Macht und Status sehnt, ist in der Branche eventuell nicht ganz richtig. Wer aber davon anständig leben möchte, kann das auf jeden Fall. Ich bin zufrieden, mache meine Arbeit gerne und freue mich auf neue Herausforderungen."
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Vertikales Gewerbe - Verkäufer im Klettershop
Jürgen Knaub, 48 Jahre, Hersbruck:
"Ich unterscheide mich von den meisten anderen, die im Kletterbusiness ihr Geld verdienen: Bei mir kam erst der Beruf, dann das Hobby. Ende der 70er-Jahre habe ich meine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei Sport Scheck gemacht und arbeitete da in der Biwakschachtel. Dort bin ich mit dem Klettern in Kontakt gekommen und seither dabei geblieben. Ich war davor schon beim Trickskifahren im Weltcup unterwegs, später auch mal im Downhill mit dem Mountainbike, aber das Klettern ist der einzige Sport, bei dem ich geblieben bin.
Mein drittes Lehrjahr habe ich im Sportgeschäft Eisert in Erlangen gemacht. Dort habe ich dann auch die Bergsportabteilung mit aufgebaut. In der arbeite ich heute mit vier bis fünf Kollegen. Ich bin sowohl im Verkauf als auch im Einkauf tätig. Dass ich selbst regelmäßig draußen und in der Halle klettere, hilft auch im Beruf. Viele Kunden sehen mich am Fels oder an der Kunstwand und kommen mit Ausrüstungsfragen zu mir. Ich habe richtig Spaß am Job: Wenn Leute noch keine Ahnung haben, und ich kann ihnen die richtige Ausrüstung für ihren Sport verkaufen, so dass sie Spaß damit haben, dann gefällt mir das.
Im Sportartikelhandel gibt es zwar etliche Kletterer, aber so richtig exzessiv betreiben es nicht viele. Bei den meisten dominiert einfach die Arbeit. Mir bleibt zum Klettern noch genug Zeit. Ich habe eine Vier-Tage-Woche, mache also keinen Fulltime-Job, sondern 80 Prozent. Dadurch kann ich unter der Woche zwei Tage an den Fels, am Samstag arbeite ich, am Sonntag habe ich frei. Im Frühling und im Herbst kann ich mir immer ein paar Wochen Urlaub nehmen. Eins meiner drei Kinder, Felix, ist ja schon ein bisschen bekannter und klettert seit dem elften Lebensjahr besser als ich. Solange es mir noch ein paar Neuner im Jahr reicht, bin ich aber zufrieden. Ich wollte immer einen Sport, bei dem man nicht weit fahren muss. Jetzt habe ich die Fränkische vor der Haustür und genug Zeit zum Klettern. Perfekt."
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Vertikales Gewerbe - Routenschrauben
Daniel Hummel, 35, Stuttgart:
"Ich schraube nun seit rund 15 Jahren Kletterrouten. Zuerst ehrenamtlich, später habe ich dann nebenberuflich die Bewartung der Kletteranlage Stuttgart-Waldau übernommen und schraubte die ersten Wettkämpfe auf Landesebene. Als 2005 in Stuttgart eine große Kletterhalle gebaut wurde, habe ich die Wand geplant, die Erstroutensetzung gemacht und gemeinsam mit meinem Team aus sechs bis acht Routenbauern die weitere Wandbetreuung übernommen. Seither biete ich mit meiner Firma SolidRock nicht nur Routenbau, sondern auch Planung und Montage von Kletterwänden sowie Prüfungen, Wartungen, Sanierung und Erweiterung von Kletteranlagen aller Art an.
Ich habe zwar einige Routenbau- und Trainerlehrgänge besucht, das meiste aber aus eigenen Erfahrungen gelernt, vieles analysiert und dann selbst zahlreiche Routenbau-Schulungen durchgeführt. Zugute kommt mir dabei einerseits mein technisches Sachverständnis durch mein Maschinenbau-Studium, andererseits mein durch die Tätigkeit als Trainer und Kletterkursleiter geschultes Bewegungsrepertoire und -analysevermögen.
Hilfreich ist sicher auch, dass mein eigenes Kletterlevel nicht extrem hoch ist, so dass ich mich auch in Kletterer der mittleren Schwierigkeitsgrade noch gut hineinversetzen kann. Daneben sind für einen guten Routenbauer ein ausgeprägtes Sicherheitsbewusstsein, handwerkliches Geschick, die Bereitschaft zu ungewöhnlichen Arbeitszeiten und natürlich (Selbst-)Kritikfähigkeit besonders wichtig. Das Schöne am Routen schrauben ist, dass man kreativ sein kann und direkt offene Anerkennung oder Kritik bekommt. Zudem ist die körperliche Tätigkeit ein guter Ausgleich zu meinem sonstigen Schreibtischjob.
Obwohl viele Kletterhallen-Betreiber schon die Bedeutung von professionellem Routenbau und Wandbetreuung für Sicherheit und Kundenzufriedenheit erkannt haben, kann man allein davon bisher noch nicht leben. Alle anderen der etwa 15 gewerblichen Routenbauer, die ich kenne, machen das entweder als Student nebenbei oder haben wie ich noch andere berufliche Standbeine."
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Vertikales Gewerbe - Profikletterin
Nina Caprez, 25 Jahre, Grenoble:
"Als ich vor sechs Jahren die Diplommittelschule in Schiers abschloss, wollte ich ein Zwischenjahr machen, um mich voll und ganz auf meine Passion Klettern konzentrieren zu können. Ich fand aber so sehr Gefallen an diesem speziellen Lebensstil, dass ich dabei geblieben bin. Rein vom Klettern leben kann ich erst seit etwa zwei Jahren, vorher jobbte ich als Barfrau, arbeitete als Aushilfe in einer Schreinerei oder kreierte neue Routen in Kletterhallen oder bei Wettkämpfen.
Ich glaube, dass ich deshalb vom Klettern leben kann, weil ich meinen Träumen nachgehe. Ich hatte immer schon eine Schwäche für ästhetische Linien, verrückte Routen und vor allem für Abenteuer. Kletterprofi zu sein heißt schlussendlich, dass man diese Abenteuer richtig verpackt und sie den Leuten nahebringt. Das kann man in Form von Filmen und Fotos, Diashows, Berichten in Magazinen oder Vorträgen. Ich verbringe etwa zwei volle Tage pro Woche am Computer.
Heutzutage ist es ganz logisch, dass man eine eigene Internetseite hat, den persönlichen Blog gut füttert und auch eine Athletenseite auf Facebook hat. Medienpräsenz ist extrem wichtig, und heute geht ja alles übers Internet und Facebook. Ich bin sehr offen und teile extrem gerne meine Erfahrungen mit anderen und erwecke einen Kitzel in ihnen, so dass sie das Gefühl haben, dass sie da auch hin müssen.
Das Schönste an meinem Beruf ist, dass ich mein eigener Boss bin und sicher nie reich werde. Ich kann mir meine Ziele selbst definieren und darüber berichten, wie ich es für richtig halte. Meine Arbeitskollegen sind meine Kletterfreunde, die mit mir rausgehen und die verrücktesten Sachen mit mir erleben. Meine Geschäftspartner sind meine Sponsoren, die mir blind vertrauen und meine Ideen und Initativen sehr schätzen. Ich übernehme die volle Verantwortung für alles, was ich mache, und manchmal geht der Schuss auch so richtig nach hinten los, aber so kommt man weiter im Leben.
Vom Klettern zu leben heißt, das Leben zu schätzen, und zwar jeden einzelnen Tag. Das ist ein Schatz, der nicht von Wertgegenständen abhängt, sondern der vom Herzen her ausstrahlt."
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Vertikales Gewerbe - Kletterfotograf
Rainer Eder, 47 Jahre, Baar:
"Als ich so mit 16 Jahren zum Klettern fand – das war über den österreichischen Alpenverein –, dauerte es nicht lange, bis ich mit einem der damaligen Bergsportmagazine in Kontakt kam. Die Bilder darin haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Es dauerte dann auch nicht lange, bis ich mir von meinem als Malerlehrling verdienten und ersparten Geld eine kleine Kompaktkamera kaufte. Eigentlich habe ich mir bis heute alles selbst beigebracht, wobei ich mich natürlich von anderen Fotografen und Zeitschriften sowie Büchern inspirieren ließ und dann mit meiner ersten digitalen Spiegelreflexkamera von Nikon sehr viel ausprobierte.
Seit über 20 jahren fasziniert mich die Bergsportfotografie, und seit rund sieben Jahren kann ich davon leben. Dass ich das einmal können würde, davon habe ich anfangs natürlich nur geträumt. Aber schon früh entwickelte sich in mir ein Trieb, es irgendwann einmal als Fotograf zu versuchen, nur sollte es noch einige lange Jahre dauern, bis es endlich soweit war.
Mittlerweile besteht meine Haupttätigkeit beim Fotografieren vor allem in Auftragsarbeiten für verschiedene Firmen der Outdoor- und Sportbranche, gefolgt von Reportagen für Zeitungen nicht nur im Outdoorbereich, und natürlich mache ich auch eigene Produktionen. Das Arbeitsumfeld besteht zum größten Teil aus sehr guten Freunden, Kollegen und Partnern, die es für eine langfristige Zusammenarbeit einfach braucht. Ich versuche, auch bei Shootings mit Models eine persöhnliche „Beziehung“ aufzubauen, da das beim Shooting mehr als nur hilfreich ist.
Mein Arbeitsplatz ist das freie Gelände, und so kann es schon einmal passieren, das ich von einem Shooting in Kirgistan direkt zum nächsten nach Griechenland fahre. Ich würde meinen Job mit nichts anderem auf der Welt eintauschen, ich war ja lange genug als Maler und Anstreicher unterwegs, vielleicht zu lange. Von meiner Sorte gibt es zum Glück nicht so viele, wenn auch in den letzten Jahren die „Konkurrenz“ dank Digitalfotografie etwas größer geworden ist. Schlussendlich sind es aber doch immer dieselben Namen, die man unter den Bildern liest, und das bestätigt meistens schon deren Qualität. Ich kann dank meinen Aufträgen und der Agentur visualimpact sehr gut vom Fotografieren leben."
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Vertikales Gewerbe - Angestellter im Verein
Markus Schwaiger, 33 Jahre, Oetz:
"Seit drei Jahren bin ich beim Österreichischen Alpenverein in der Hauptgeschäftsstelle in Innsbruck angestellt. Ich habe eigentlich mal studiert, aber zu viel Zeit am Fels verbracht und zu wenig an der Uni. Ich musste mir also was einfallen lassen, und so machte ich eine Spenglerlehre, denn irgendeinen Abschluss braucht man ja schließlich. Auf meinem „Bildungsweg“ habe ich immer wieder andere Dinge gemacht, die aber immer etwas mit dem Klettern zu tun hatten. Ich arbeitete bei einer Kletterwandfirma, habe einen Kletterführer über das Zillertal geschrieben, habe Kletterwettkämpfe organisiert, eine Zeit lang eine Sportkletterhomepage betrieben.
Durch eine gute Freundin bin ich dann auf die Ausschreibung für meinen jetzigen Job gestoßen. Die Ausschreibung beinhaltete eigentlich all die Dinge, die ich in den letzten Jahren gemacht hatte, und so habe ich mich beworben und den Job bekommen. Ich bin in der Bergsportabteilung und da für den Bereich Sportklettern zuständig. Meine Aufgaben sind hauptsächlich die Betreuung unserer 195 Sektionen in Österreich. Wenn die Fragen zu Kletteranlagen, Klettergärten, Kursen, rechtlichen Dingen im Bereich Sportklettern oder ähnliches haben, versuche ich so gut wie möglich weiterzuhelfen. Wir machen auch Fachbücher, entwickeln Kursinhalte oder organisieren Wettkämpfe wie die Europameisterschaft 2010.
Mein Arbeitsplatz mitten in Innsbruck im Klettermekka liegt perfekt, es ist nicht weit in die umliegenden Klettergebiete, und für den Winter habe ich die Kletterhalle Tivoli direkt gegenüber. In meiner Abteilung arbeiten sechs Leute, einer davon ist mit mir im Büro.
Ich bin zwar 40 Stunden pro Woche angestellt, aber durch unser Gleitzeitmodell kann ich eigentlich immer abhauen, wenn ich will oder das Wetter passt. Natürlich bin ich kein Student mehr und die Zeit fürs Klettern ist beschränkt, immerhin bin ich mittlerweile auch glücklicher Familienvater. Die Zeit fürs Klettern nutze ich jetzt aber viel bewusster und ich finde auch effektiver. Ich kann von meinem Job gut leben und fühle mich sehr wohl."
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Vertikales Gewerbe - Bergführer
David Göttler, 33 Jahre, München:
"Mit sieben Jahren habe ich durch meine Eltern mit dem Klettern und Bergsteigen angefangen. Nach dem Abitur und während des Zivildienstes war ich dann einer der Teilnehmer beim Expedkader des DAV. Dort habe ich Bergführer als Ausbilder gehabt, zum ersten Mal den Beruf kennengelernt und schnell gewusst, dass ich das sehr gerne machen will.
Da ich mich ganz auf die Ausbildung zum Bergführer konzentrierte, hatte ich alle Kurse in drei Jahren gemacht. Viele studieren aber oder machen andere Berufe nebenher. Leider bin ich am Ende bei der Staatlichen Prüfung im Bereich „Skitouren“ einmal durchgefallen. Das hat mich ein Jahr gekostet. Jetzt arbeite ich seit 2005 als „staatlich geprüfter Berg- und Skiführer“.
Das Schöne ist für mich, dass ich (fast) auf der ganzen Welt arbeiten kann. Bei meinem Beruf habe ich mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun. Meine Tätigkeiten sind sehr abwechslungsreich und haben oft nur gemeinsam, dass sie nicht hinter dem Schreibtisch stattfinden und immer irgendwas mit den Bergen zu tun haben.
Am Anfang dachte ich zwei Dinge: Da ist nicht genug „Hirnarbeit“ mit dabei, und du musst nur gut Skifahren und Klettern können, um ein guter Bergführer zu sein. Doch da gibt es noch viel mehr. Gerade das Thema „Risikomanagement“ verlangt mir oft ganz viel „Hirnarbeit“ ab. Man muss meistens auch ein wenig Psychologe sein, um Ängste, Tatendrang und Selbsteinschätzung der Gäste handzuhaben.
Oft höre ich: „Der David ist ja nur im Urlaub!“ Stimmt aber nicht: Meine Gäste sind im Urlaub, ich beim Arbeiten. Ich trenne es ganz klar: Wenn ich mit Gästen unterwegs bin, muss ich mich als Dienstleister sehen. Wenn ein Gast dann am Ende glücklich einen Gipfel erreicht, den ich vielleicht schon zigmal bestiegen habe, dann ist das perfekt.
Natürlich ist ein Bergführer sehr viel und unregelmäßig unterwegs. Familie und Partner müssen da schon mitspielen. Leben kann ich gut davon. Ich arbeite im Alpenraum für die Bergschule Vivalpin und führe ab und zu Expeditionen für Amical Alpin, daneben habe ich natürlich noch ein paar Privatgäste. Seit drei Jahren bin ich außerdem der Trainer für den DAV Expedkader. Der Deutsche Bergführer Verband hat derzeit 550 Mitglieder, wobei nur etwa 150 davon wirklich vom Führen leben. Bis auf wenige Ausnahmen ist man immer selbständig, auch wenn man für eine Bergschule arbeitet. Aber was anderes kann ich mir auch fast nicht vorstellen. Natürlich werde ich nicht Millionär, aber dafür bin ich glücklich, und was will ich mehr!"
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Vertikales Gewerbe - Produktmanager
Daniel Gebel, 32 Jahre, Weitnau:
"In der Entwicklungsabteilung bei Edelrid arbeiten zu dürfen, ist so ungefähr das Beste, das man sich nur irgendwie vorstellen kann. Eigentlich wundere ich mich jeden Tag, dass ich sogar noch Geld dafür bekomme, auch wenn’s nicht viel ist. Noch besser ist es, wenn man bei Edelrid in der Entwicklungsabteilung arbeiten darf und nicht der Scheffe sein muss.
So schön hat es zum Beispiel mein Chefdesigner, der andere Daniel (und anders ist in diesem Fall noch gar kein Ausdruck). Oder Richie, der den lieben langen Tag an Eisgeräten und Karabinern bastelt. Oder Norbert, der, wenn er nicht gerade unser Büro mit seinen Kochern anzündet, mit den Jungs aus der Arbeitssicherheit spielen darf. Oder Milan, Abteilung Schuhe und Helme. Oder die vielen Praktikanten, Diplomanten und Trainees, die eigentlich hier sind, um meine Arbeit zu machen. Immerhin taugen sie alle als Sparringspartner in unserem Boulderraum hier im Keller, oder draußen am Turm, oder an den vielen Felsen des Allgäus.
Gelandet bin ich hier eher zufällig. Eigentlich war ich gerade dabei, an der katholischen Universität Eichstätt Geographie zu studieren. Also eher bodenständig und arbeitsfaul. Über das Sponsoringteam von Vaude bin ich, eher nebenher, ins dortige Produktmanagement gerutscht. Als schließlich Edelrid 2006 von Vaude gekauft wurde und ich die Möglichkeit bekam, die dortige Entwicklungsabteilung zu leiten, die zu diesem Zeitpunkt aus einer Person, nämlich mir, bestand, erlosch das Interesse an der Geographie und ich wechselte zu Edelrid.
Das bisschen Rest des Lebens, der einem neben einem Job bei Edelrid bleibt, teile ich zwischen einem mittlerweile vierjährigen Sohn, einer mittlerweile 10-jährigen Bergführerausbildung, einer ich-will-gar-nicht-sagen-wie-alten Kletterer-Frau und manchmal ein bisschen Klettern, Eisklettern und Bergsteigen auf.
Auch wenn ich vielen Kletterern meiner und vorangegangener Generationen gegenüber ein schlechtes Gewissen bezüglich des geregelten Lebens und des festen Jobs habe, rechtfertige ich mich oft mit den Worten „ein Zehner geht trotzdem immer“.
Nachteil der ganzen Sache? Der Job ist alles – alles ist Job. Man schaltet nie ab. Selbst an den Klettertagen am Wochenende tanzt einem die Konkurrenz in Form von Gurten, Seilen und Karabinern vor der Nase herum, und man fragt sich ständig, warum auch die anderen so verdammt gut sein müssen."
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Vertikales Gewerbe - Verlagsmitarbeiter
Ronald Nordmann, 43 Jahre, Köngen:
"Schon von meinem Kinderzimmerfenster aus hatte ich die Felsen der Schwäbischen Alb im Blick. Der Wunsch, daran zu klettern, war bereits früh da und wurde Anfang der 80er-Jahre dank der Höhlenforschungsgemeinschaft Kirchheim unter Teck in die Tat umgesetzt. Dass sich mit meiner liebsten Freizeitbeschäftigung das Leben bestreiten oder gar eine Familie ernähren lassen würde, wagte ich damals nicht einmal zu träumen.
Als Ende der 90er-Jahre der Häuslesbau-Boom im Schwabenland zum Erliegen kam und die Zukunftsaussichten in dem Planungs- und Vermessungsbüro, in dem ich angestellt war, sich extrem verdunkelten, kam die Anfrage meines langjährigen Seil- und Neutourenpartners Achim Pasold gerade recht. Sein Panico Verlag nahm im beginnenden Kletterboom Fahrt auf, alleine konnte er das enorm gewachsene Tagesgeschäft nicht weiter bewältigen. Den Mangel einer adäquaten Ausbildung – weder Mediendesigner noch Verlagskaufmann – konnte ich mit unbändigem Interesse für die Materie wettmachen. So hatte ich zum Beispiel bereits vor meinem Berufswechsel eine Webpräsenz inklusive Onlineshop für Panico erstellt. Im Jahr 1999 – noch weit vor dem Internethype – geradezu eine kleine Sensation.
Von Anfang an war klar: Ohne Begeisterung und Eigeninitative würde sich nichts erreichen lassen. Das Prinzip „learning by doing“ wende ich bis heute an. Schlaflose, mit Literatur und Internetstudium gefüllte Nächte sind zum Glück deutlich seltener geworden als bei meinem Einstieg im Jahr 2001. Das Motto „jeder muss alles können“, egal ob Topos zeichnen, layouten, Rechnungen schreiben oder Bücher packen gilt allerdings nach wie vor. In einem Kleinstverlag mit vier Angestellten ist dies trotz gewisser Aufgabenteilung auch unabdingbar. Die Alb ist immer noch in Sichtweite, der Kontakt zum Fels allerdings deutlich seltener. Ein schöner Trost, dass der Stoff aus dem die Träume sind, täglich auf dem Bildschirm vor mir leuchtet."
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Vertikales Gewerbe - Industriekletterer
Christian Hartl, 40 Jahre, Prackenbach:
"Seit drei Jahren habe ich meine Firma für Industrieklettern, seilunterstützte Höhenarbeiten, Baumpflege und Problemfällungen in Prackenbach im Bayerischen Wald. Davor hatte ich schon Ausbildungen als Elektromechaniker und als Krankenpfleger bis hin zur Stationsleitung absolviert und in beiden Berufen mehrere Jahre gearbeitet. Da sich in der Krankenpflege die Rahmenbedingungen extrem verschlechterten, stieg ich aus der Sozialbranche komplett aus.
Vor meiner Gewerbeanmeldung machte ich einige Ausbildungen für den Bereich Industrieklettern und Baumpflege. In Deutschland gibt es für das Industrieklettern einen Fachverband namens F.I.S.A.T. (Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken), der die Ausbildungs- und Prüfungsrichtlinien festlegt. Als „Kletterfirma“ schätze ich die Abwechslung: Meine Arbeit reicht von Reinigungsarbeiten, Montagen und Wartungen zum Beispiel von großflächiger Fassadenwerbung, Blitzableitern, Antennen für Mobil- und Richtfunk, Windmessanlagen, Flughindernisbefeuerung über Fremdbewuchs-entfernungen, das Anbringen von Felssiegel, Felssicherungen bis hin zum Hochseilparkbau.
Die Leute, die mit mir arbeiten, sind überwiegend auch Quereinsteiger und kommen aus den unterschiedlichsten Berufen. Hier gibt es einen Metallbaumeister, einen Dachdecker, einen Bergführer, der auch noch Schreiner ist, und einen Zimmermann. Eine berufliche Ausbildung ist in dieser Branche absolut unabdingbar: Das Seil und sonstiges Spezialequipment dient lediglich dem Zugang und der Positionierung an der jeweiligen Arbeitsstelle. Die eigentliche Arbeit setzt ein vielfältiges technisches Wissen, handwerkliches Geschick und Know-how voraus.
Viele Leute glauben, ich hätte mein Hobby, das (Fels-)Klettern, zum Beruf gemacht. Aber: Industrieklettern ist ganz was anderes als Felsklettern und Bergsteigen. Man braucht hier viel, und vor allem anderes Spezialwissen, und es hat auch ein ganz anderes Gefahrenpotenzial. Manchmal, gerade bei schlechtem Wetter oder frostigen Temperaturen kann‘s ganz schön hart werden, wenn man da irgendwo viele Meter und viele Stunden über Grund hängt. Zudem ist man in diesem Job auch sehr viel auf Achse.
Naturgemäß ist es im Winter etwas ruhiger. Dann arbeite ich, sofern ich nicht gerade in den Bergen mit den Tourenskiern unterwegs bin, auch mal ganz klassisch am Boden: Als Kamera-Assistent und Beleuchter, als Elektriker für einen Solaranlagenbauer oder auch im Kletterwandbau für eine österreichische Firma.
Den Ausstieg aus der „Komfortzone“, sprich dem Angestelltenverhältnis, habe ich keinen Tag bereut. Im Gegenteil, ich hätte das schon viel früher machen sollen. Alleine von der Industriekletterei könnte ich wahrscheinlich meinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Aus diesem Grund bin ich auch in der Baumpflege tätig, und zusammen lässt sich‘s dann ganz gut leben. Wenn‘s auch sicher nicht reicht, mich mit 50 zur Ruhe zu setzen. Aber viel wichtiger ist ja auch, dass man zufrieden ist mit dem, was man tut im Leben! Zum Bouldern, Sportklettern, Routen erschließen in Ostbayern und Alpinklettern hab ich immer noch Lust und Zeit."
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Vertikales Gewerbe - Kletterhallenbetreiber
Luke Brady, 24 Jahre, Bad Dürkheim:
"Ursprünglich komme ich aus Asheville, North Carolina. Vor über drei Jahren bin ich aus privaten Gründen nach Deutschland gekommen. Vom Klettervirus war ich bereits vorher befallen, und hier konnte ich mein Hobby zum Beruf machen. Anfangs jobbte ich als Industriekletterer, dann als Klettertrainer und Routenbauer. Durch meine Erfahrung im Schreinerhandwerk bekam ich die Chance, eine Boulderhalle in Heidelberg zu bauen. Schon seit ich vor sechs Jahren mit dem Klettern anfing, war es mein Traum, einmal eine eigene Boulderhalle zu bauen. Diesen Traum konnte ich mir zusammen mit Katrin Lau im letzten Jahr erfüllen. Seit Anfang Dezember betreiben wir nun in Kaiserslautern die Boulderhalle RockTown.
Ich denke, das wichtigste bei meinem Job ist, dass man mit Spass bei der Sache ist. Bouldern muss die eigene Leidenschaft sein. Man muss sich am Kunden orientieren, und am einfachsten ist das, wenn man weiß, was Boulderer brauchen. Für den Bau einer Boulderhalle benötigt man neben handwerklichem Geschick einiges an Kreativität und Gefühl für Bewegungen. Durch meine Erfahrung als nationaler Routenbauer und durch Klettererfahrung am Fels hatte ich viele gute Ideen, die ich umsetzen konnte. So entstanden neue Wandformen wie Rollen und eine große Tonne, die es bisher so nicht gab. Da ich einen Großteil der Boulderkurse selbst halten möchte, ist es natürlich wichtig, dass ich eine Ausbildung als Klettertrainer habe. Ebenso werde ich mich bemühen, viele interessante Boulder an die Wände zu schrauben.
Meine Haupttätigkeit ist das operative Tagesgeschäft. Neben der allgemeinen Organisation und dem Einkauf halte ich die meisten Kurse im RockTown selbst und schraube sehr gerne, auch wenn es manchmal noch nach Feierabend ist. Mein direktes Arbeitsumfeld ist ideal. Es sind meine Freunde und Familie. Für die Planung und Umsetzung der Halle bekam ich von ihnen große Unterstützung, und auch in Zukunft kann ich mich bei steuerlichen und kaufmännischen Dingen auf meine Familie verlassen. Für die Theke haben wir nette Studenten gefunden, mit denen die tägliche Arbeit Spaß macht.
Mein Traum ist in Erfüllung gegangen. Zurzeit möchte ich mit niemandem tauschen, auch wenn mein Arbeitspensum sehr groß ist. Aber fragt mich das nochmal in 10 Jahren. Das Klettern und insbesondere das Bouldern boomt und momentan gibt es in Deutschland schon weit mehr als 200 Hallen. Dadurch gibt es auch immer mehr Leute, die hauptberuflich vom Hallenbau, vom Routenschrauben oder vom Betreiben einer Halle leben. Wenn man es schafft, seine Kunden dauerhaft zufrieden zu stellen, dürfte es auch kein Problem sein, dass unser Hund weiterhin genug zu essen bekommt."