Das wichtigste am Klettern ist ja, gut auszusehen dabei. Schwierig wird das, wenn man aus der Route fällt, sich ins Seil setzen muss oder den Boulder einfach nicht hochkommt. Schließlich steht man dann mit leeren Händen da.
Viele Menschen trösten sich dann damit, dass "der Weg das Ziel" sei, Schwierigkeitsgrade überschätzt würden und es beim Klettern ja eh nicht um irgendwelche Leistung geht, sondern darum, "mit Freunden draußen in der Natur (oder in der Kletterhalle unterwegs) zu sein und eine gute Zeit und viel Spaß zu haben". Manchen Kletterern geht es in erster Linie um "schöne Bewegungen" – und das ist prima, solange man die "schönen Bewegungen" denn hinbekommmt.
Wenn nicht, ist das auch kein Problem. Die von uns präsentierten Ausreden helfen euch in jedem Fall weiter. Wenn Ihr eher leistungsorientiert klettert, werdet ihr einige der folgenden Formulierungen eventuell bereits kennen. Trotzdem schadet es nicht, sein Repertoire an leistungsrelevanten Kausalitäten hin und wieder aufzufrischen.
Doch auch wenn ihr weniger ergebnisorientiert beim Klettern unterwegs seid, lohnt es sich, die ein oder andere Idee aus unserer Sammlung abzuspeichern. Denn beim Runterfallen gut auszusehen ist schließlich eine Kunst, die niemand schadet. Oder?
Falsche Klamotten
"Ich habe die falsche Hose eingepackt"
Klingt vielleicht ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Nun, ist es ja auch. Aber theoretisch ist es schon möglich, dass die falsche Hose nun mal viel zu eng geschnitten ist, man sich darin nicht bewegen kann und den Fuß deshalb einfach nicht auf den hohen Tritt bekommt. Und: Nein, mit der eigenen Beweglichkeit hat das wirklich überhaupt nichts zu tun.
Sollte man nicht benutzen: wenn eventuell Anwesende von ähnlicher Statur sind und immer einen Haufen ungewaschener, staubig-verschwitzter Kletterklamotten dabei haben.
Falsche Kletterschuhe
"Die Reibungstritte lassen sich mit dem Schuh nicht stehen"
Es ist tatsächlich nicht angenehm, mit aggressiv nach unten gebogenen Schuhen (alias Kletterschuh mit Downturn) oder niegelnagelneuen und noch nicht eingekletterten Kletterschuhen in seichten Mulden zu stehen, und schwieriger ist es allemal. Da lässt sich nicht abstreiten, dass dieser Faktor beim Klettern an der (jeweiligen) Leistungsgrenze einen ausschlaggebenden Effekt hat.
Sollte man nicht benutzen: wenn man die weichen Schluppen versehentlich schon ausgepackt hat.
Verletzung
"Bei dem Zug schmerzt einfach der Finger / Ellbogen / Schultergürtel / Kopf / *füge beliebiges Körperteil hier ein* zu sehr."
Bevor man eine Verletzung riskiert, sollte man auf die Signale seines Körpers hören. Die Disziplin aufzubringen, deshalb nun nicht mehr einzusteigen und besagten Zug zu versuchen, muss man auch erst einmal haben. Bewunderung für Selbstdisziplin ist daher erwünschter Nebeneffekt dieser Ausrede. Sie lässt sich außerdem fortgesetzt anwenden, man muss sich nur merken, welches Körperteil die chronischen Probleme hat.
Sollte man nicht benutzen: wenn Anwesende zum medizinischen Fachpersonal gehören – es besteht das Risiko, tatsächlich Schmerzen zugefügt zu bekommen.
Bedingungen
"Der Griff schmiert einfach nur brutal – überhaupt kein Grip heute!"
Reibung ist wichtig, das ist bekannt. Wenn es zu heiß, zu kalt, zu feucht oder zu dunkel ist, dann macht das schon eine Menge aus. Viele Kletterer versuchen dieser Ausrede vorzubeugen, indem sie von vornherein Kletterfelsen ansteuern, die nicht in der Sonne / im Regen / im Schneesturm liegen. Nichtsdestoweniger ist die Bedingungsleier eine der beliebtesten Entschuldigungen weltweit.
Sollte man nicht anwenden: wenn andere Kletterer besagten Schmiergriff unter gleichen Bedingungen locker halten können. Oder man selbst darauf bestanden hat, an den sonnigsten Fels im Tal zu gehen.
Krankheit
"Ich bin einfach (noch) nicht (mehr) ganz fit heute"
Wer zwei Wochen krank im Bett lag, ist selbstverständlich nicht auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit. Wirkt besonders gut, wenn man noch eine leichte Triefnase / leicht grüne Gesichtsfarbe / einen dicken Schal vor sich herträgt. Eventuell macht man sich allerdings unbeliebt, weil Mitmenschen sich nicht über Ansteckungsgefahr freuen.
Sollte man nicht anwenden: wenn man anschließend noch ausgehen will und / oder Mitmenschen von sich einnehmen möchte.
Körpergröße und -Proportionen
"Ich bin zu kurz!"
Morphologische Unterschiede sind üblich und beeinflussen das Kletter-Erlebnis nicht selten. Es gibt Kletterer, die sind zu klein ("Von dem guten Tritt erreiche ich den Griff einfach nicht!"). Es gibt Kletterer, die sind zu groß ("An der Dachkante muss ich mich so dermaßen zusammenfalten, dass ich rauskippe!"). Schlechte Hebelverhältnisse und schlechtere Ausgangspositionen für die einen oder die anderen sind unabstreitbar. Doch auch die normal gewachsenen Kletterer sollten sich nicht grämen: Sie können immer noch ihre Durchschnittlichkeit verfluchen ("Ich bin einfach zu mittel!").
Sollte man nicht benutzen: wenn deutlich größere, kleinere oder mittelmäßigere Kletterer dabei sind, die die fraglichen Züge ohne Problem klettern.
Training oder Muskelkater
"Die Session am Campusboard gestern abend hätte ich wohl etwas harmloser gestalten sollen..."
Es ist natürlich nicht besonders klug, am Tag vor dem heißersehnten Klettertag physische Höchstleistungen zu erbringen, sei dies Trainieren am Campusboard oder das Schleppen von Zementsäcken oder Umgraben des Gemüse-Ackers oder das Gewinnen eines Holzhack-Contests oder sonstige glorreiche Aktivitäten. Nun, manchmal kann man es sich halt nicht aussuchen. Wichtig ist, dass man die physisch intensive Aktivität nicht mit stolz geschwellter Brust, sondern eher mit leicht bedauerndem Unterton mitteilt. Schließlich kann man ja nichts dafür, wenn man zum Baumstamm-Schlepp-Wettbewerb herausgefordert wird.
Sollte man nicht benutzen: wenn man von anwesenden Personen bei der Aktivität begleitet wurde und eine andere Person gewonnen hat.
Kaputte Haut
"Aahhhhrg! Flapper!"
Die Ausrede ist ziemlich gut, denn wer sich einen 'Flapper', also einen großen Hautflatschen vom Finger gezogen hat, kann meist vor lauter Blut nichts mehr festhalten. Das ist auch das Problem: Leider kann man meist wirklich nichts mehr klettern, bis das Ding halbwegs verheilt ist. Mit Tape kann man manchmal das Ende des Klettertags hinauszögern, aber besser wird es meistens nicht. Wer die Haut nur gleichmäßig abgeschmirgelt hat, kann oft auch nichts mehr festhalten, aber für leicht siffende Fingerkuppen gibt es leider meist nur ein "musst halt nicht dauernd abrutschen"...
Sollte man nicht benutzen: wenn man keinen bluttriefenden Fetzen vom Finger hängen hat. Alles, was nach weniger aussieht, wird meist nicht ernstgenommen.
Schlafmangel
"Der Flug aus Neuseeland war schon lang, aber ich bin direkt vom Flughafen hergekommen."
Schlafmangel macht aus unserer Performance Hackfleisch, das ist nichts Neues. Besonders viele Punkte gibt es für strapaziöse Reisen und frischen Nachwuchs. Fürs ambitionierte Feiern inklusive dem Genuss verschiedenster Rauschmittel gibt es in manchen Kreisen Bewunderung, in anderen hingegen wird man nicht mehr ernst genommen. Man sollte daher also genau hinsehen, bevor man sich entscheidet, ob man die Kind- oder die Kater-Nummer spielt. Im Zweifel kann man die beiden ja kombinieren.
Sollte man nicht benutzen: wenn man sich für die Katernummer entscheidet, sollte man vorher sicherstellen, dass keine frischgebackenen Eltern im Team sind.
Nässe
"Die Route / der Griff ist zu nass."
Wenn die Route wirklich patschnass ist, wird die Ausrede vermutlich ziehen. Zumindest, wenn man nicht zufällig noch ein trockenes Projekt daneben hat, spricht also nichts dagegen, diese Entschuldigung zu nutzen. Bleibt die Frage, warum man an den Fels gefahren ist, wenn die Route patschnass ist – meist gibt es ja vorweg schon Indizien, die auf hohe Routenfeuchtigkeit hinweisen, im allgemeinen "Niederschlag" genannt.
Sollte man nicht benutzen: wenn man selbst vorher darauf bestanden hat, dass das Bisschen Regen gar nicht so schlimm sei.