Bevor sich die Empörung Bahn bricht: Das Gesamtkunstwerk Porsche 911 inklusive Dachzelt mit gewöhnlichen Dachzelt-Aufbauten zu vergleichen, wäre unangemessen. Der 911 ist ein Sportwagen. Ein Dachzelt auf den Porsche zu schrauben, mutet deshalb außergewöhnlich, für PuristInnen gar unartig an. CARAVANING-Redakteur Joel Lischka testete die Konstruktion trotzdem in der Praxis. Kein Sonderstatus – auch nicht für den Porsche 911.
Der Sportwagen ist für viele Menschen ein Traumauto. 2023 feierte Porsche den 60. Geburtstag des Modells. Nachdem ich im Alter von 10 Jahren das erste Mal mitfahren durfte, bin ich ein Fan des 911. Mit 21 kam ich dann erstmals in den Genuss einen Porsche 911 selbst zu bewegen. Die Vorfreude auf den Test war dementsprechend groß. Doch im Hinterkopf war der Gedanke, dass sich der Traum zum Albtraum entwickeln könnte.
Ferry Porsche erklärte einst die Philosophie des 911: "Es ist das einzige Auto, mit dem man von einer afrikanischen Safari nach Le Mans, dann ins Theater und dann auf die Straßen von New York fahren kann." Laut Porsche sollte der 911 mit Dachzelt den Test mit Bravour bestehen. Oder? Vorhang auf.
Porsche mit Dachzelt fällt auf
Der Klassiker ist schon seit jeher ein Hingucker, doch mit dem Dachzelt verstärkt sich das noch einmal. Überall starrten die Menschen auf das Auto und ich wurde darauf angesprochen. Viele Menschen wollten das Auto samt Dachzelt gar fotografieren und waren von der seltenen Kombination verblüfft. Als ich morgens im Zelt lag, hörte ich Kommentare wie: "Guck mal, campen mit einem Porsche-Zelt. Auch nicht schlecht" oder "sogar mit dem Porsche-Logo, geil!"
Nach meinem Camping-Trip wurde ich an der Tankstelle von der Kassiererin in ein Gespräch verwickelt. Der Aufbau reizte sie. Wie demontiert man das Dach? Wie schläft es sich darin? Eignet sich das Auto für Camping-Ausflüge? Der weiße 911 mit dem Dachzelt zog die Leute in den Bann.
Als Tester kreisten bereits vor der Abholung die Gedanken häufig um das Wochenende. Die wichtigsten Fragen waren für mich: Stauraum im Auto, Stellplatz für das Auto und die Camping-Ausrüstung. Der Wagen kann vom Platzangebot nicht mit einem Offroad-SUV mithalten. Blindlings Taschen packen und in den Kofferraum werfen funktioniert eher mäßig. Doch der 911 gilt nicht ohne Grund als der alltagstauglichste Sportwagen der Welt. Der Kofferraum ist tief und nimmt mit cleverem Beladen mehrere Taschen auf – einen Bierkasten sowieso.
Nature-Camping mit dem 911
Die Auswahl eines geeigneten Stellplatzes war eine Herausforderung für mich. Der Test sollte so naturbelassen wie möglich sein. Ein gewöhnlicher Campingplatz hätte es auch getan, doch das hätte das Dachzelt-Abenteuer verfälscht. Die breiten Reifen und die niedrige Bodenfreiheit des 911 schränkten die Optionen deutlich ein. Zwar verfügt der getestete Porsche über einen Allradantrieb, doch für die Fahrt auf Waldwegen ist der nicht konzipiert. Mit einem mechanischen Allradler eines offroadfähigen Autos ist der Vierrad-911 jedoch nicht zu vergleichen. Dennoch unterstützen die minimal angetriebenen Vorderräder beim Fahren durch nasse Wiesen. Viele Plätze haben ein für den Porsche unwägbares Terrain, mit nicht asphaltierten Wegen oder hohen Wiesen. Leider unterscheiden sich Bilder in der Realität häufig von denen im Internet. Doch dazu später mehr.
Die Stellplatz-Wahl fiel auf eine private Wiese, die der Gastgeber auf Alpaca Camping zum Übernachten anbietet. Gefunden habe ich den Alpaca Camping Stellplatz in unserer App Stellplatz-Radar. Toilette und Strom waren zugänglich. Wichtige Aspekte für Ausflüge, bei denen man von externen Versorgungsmöglichkeiten abhängig ist.
Die Ausrüstung hielt ich so kompakt wie möglich. Ein ausklappbarer Stuhl und ein stark komprimierbarer Schlafsack nahmen wenig Platz ein. Der Bierkasten diente als Tisch. Als alles aufgebaut war, gab es wenig glamourös Ravioli aus der Dose vom Discounter. Der zweiteilige Gaskocher und das kleine Kochset reichten für den Gaumenschmaus völlig aus. Den Sonnenuntergang am Horizont und der ungewöhnliche Anblick eines 911 mit Dachzelt zauberte mir das ein oder andere Lächeln aufs Gesicht.
Dachzelt für 5.000 Euro
Das von Porsche gelabelte Dachzelt stammt vom Hersteller Ikamper und ist in den Farben Hellgrau und Dunkelgrau erhältlich. Der Preis beträgt 4.980,20 Euro. Dazu kommt die Aufnahmevorbereitung für 59,50 Euro und das Dachtransportsystem für 452,20 Euro. Für den Traum vom 911-Camping müssen Interessierte letztendlich 5.491,90 Euro berappen. Das Testfahrzeug, ein Porsche 911 Carrera 4, kostet in unserer Konfiguration 145.538,70 Euro. Ein teures Camping-Vergnügen. Ikamper verlangt für das identische Zelt 4.280 Euro.
Zusammengeklappt misst das Dachzelt 146 x 140 x 33 Zentimeter. Tiefgaragen sind durch die niedrige Höhe des Autos samt Box kein Problem. Aufgeklappt ist das Zelt 258 Zentimeter lang, 257 Zentimeter breit und 122 Zentimeter hoch.
Aufbau des Hybrid-Dachzelts
Für den Aufbau benötigte ich zirka zehn Minuten. Das Hybrid-Dachzelt öffnet man über zwei Schnallen, die abschließbar sind. Mit wenig Aufwand drückt man das Zelt nach oben. Zwei Gasdruck-Dämpfer befördern das Zelt in die finale Höhe. Anschließend zieht man die Leiter aus, dadurch klappt sich der zweite Teil des Zelts aus. Die Leiter selbst soll laut Anleitung in einem Winkel von 70 Grad stehen.
Vier Stangen mit zwei unterschiedlichen Größen fixieren den Eingang und die Seitenfenster des Zelts. Etwas schwierig erwies sich das Anbringen der Stangen. An der Plastikumrandung gibt es pro Seitenfenster eine Öffnung und am Eingang zwei Öffnungen. Dort führt man die Stangen ein und hakt sie oben in die vorgesehenen Ringe und Laschen ein. Das leichte Biegen der Stange führt zu einem Druck auf selbiger. Gerade beim Abbau des Zelts hatte ich mehrmals das Gefühl, dass die Stange des Seitenfensters mir entgleitet und auf das Heckfenster knallt.
Schlafen im Porsche-Dachzelt
Die Leiter vermittelt Stabilität. Wichtig ist, dass das Auto auf festem und ebenem Untergrund steht. Hier unterlief mir ein Fauxpas. In Fahrtrichtung aus gesehen fiel der Stellplatz nach links ab. Das wirkte sich auch auf die Schlafrichtung aus. Idealerweise ist der Kopf auf der Fahrerseite, da das Zelt dort breiter ist als am Eingang auf der Beifahrerseite. Ich entschied mich wegen des nach links hängenden Stellplatzes mit Kopf auf der Beifahrerseite zu liegen. Sonst hätte ich kopfüber geschlafen. Das Auto sollte deshalb auf einer ebenen Fläche stehen.
Den Innenraum konnte ich vollständig abdunkeln. Das Zelt verfügt inklusive Eingang über vier Fenster, die ausreichend Licht hereinlassen. Die geöffneten Rollos befestigt man mit Schlaufen – Klettverschlüsse wären praktischer gewesen. Screens an den Fenstern schützen vor ungebetenen Insekten-Gästen. Unterhalb der Seitenfenster sind jeweils Taschen angebracht. Smartphone, Schlüssel und andere kleine Dinge finden dort Platz.
Bett für maximal zwei Personen
Das Dachzelt verträgt ohne Dachreling, die ein Porsche 911 nun mal nicht hat, ein Gewicht von maximal 140 Kilogramm. Eine Zweier-Besatzung mit durchschnittlicher Größe und Gewicht ist eher zu schwer. Auf Autos mit serienmäßiger Dachreling darf das Zelt mit maximal 190 Kilogramm belastet werden.
Das Bett ist 210 Zentimeter lang und 130 Zentimeter breit. Die Matratze besteht aus zwei Teilen, die im zusammengeklappten Zustand übereinander liegen. Der Liegekomfort ist für die dünne Polyesterschaum-Matratze ausreichend. Eine Unterfederung hat sie nicht. Für den Preis könnte es etwas komfortabler sein. Das Zelt wird zum Eingang hin schmaler. Für zwei Menschen wäre es zu eng, um mit den Köpfen auf der Eingangsseite zu liegen.
Am Abend gesellte sich noch der Gastgeber zu uns. Andreas selbst war angetan von dem Auto und der seltenen Ausführung eines 911, auf dem man schlafen kann. Danach kletterte ich in das Zelt und verbrachte eine geruhsame Nacht. Die Temperaturen im Zelt waren trotz Verdunstungskälte nicht zu frisch. Mit einem guten Schlafsack und passender Kleidung war ich ausreichend vor der Kälte geschützt.
Abbau des Dachzelts
Der Abbau dauert wie der Aufbau keine zehn Minuten. Das Zusammenfalten des Dachzelts gestaltet sich weitgehend unkompliziert. Nur die bereits erwähnten Stangen müssen vorsichtig entfernt werden, damit sie nicht auf das Auto knallen und es beschädigen.
Im Anschluss schiebt man die Leiter zusammen und klappt den vorderen Teil des Dachzelts ein. Mit der Schlaufe in der Hand zieht sich das Zelt wieder zusammen. An den Seiten muss man darauf achten, den Stoff nicht einzuklemmen. Die Verschlüsse werden zuletzt eingehängt und abgeriegelt.
Montage und Demontage
Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit mit montiertem Dachzelt beträgt 130 Kilometer pro Stunde. Mittels eines von Porsche mitgelieferten Innensechskantschlüssels demontierte und montierte ich mit zwei Freunden einmal die 56 Kilogramm schwere Box. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht. Mit Gefühl führten wir den Schlüssel in die Schrauben der Montagebügel ein. Immer wieder verfehlten wir die Schlitze der Schrauben. Als wir die vier Bügel gelockert hatten, wuchteten wir die Box vom Auto.
Das offenbarte beim Porsche sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche. Zwar ist er niedrig und die Box deshalb gut greifbar, doch die Breite und Länge des 911 stellte uns vor Probleme. Sowohl Front als auch Heck sind lang. Wir entschieden uns, die Box über das Heck herunterzunehmen. Ich stieß mit meinen Beinen allerdings an den weit auslaufenden Kotflügel, der für die Silhouette des 911 typisch ist. Ein Nachteil, selbst wenn man 1,75 Meter groß ist. Für die Montage waren wir sogar zu viert. Nach dieser Erfahrung würde ich empfehlen, die Box nicht zu zweit abzunehmen.
Fahreigenschaften des 911 mit Dachzelt
Das Dachzelt auf dem Porsche schränkt den Sportwagen ein. Die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 130 Kilometer pro Stunde schüttelt der 911 locker aus dem Ärmel. Dank des niedrigen Schwerpunkts des 911, seinen sportlichen Attributen und der maximal 130 km/h wirkt sich das Fahren mit der Dachbox kaum aus.
Störend ist der ab 50 Kilometer pro Stunde zu pfeifende Fahrtwind, der wegen der Dachbox entsteht. Mit 130 km/h auf der Autobahn war eine Konversation zu zweit schwer möglich.
Das Zelten mit dem Porsche 911 war ein echtes Abenteuer. Trotz der Einschränkungen überwog der Spaß. Camping- und 911-Fans können mit dem Sportwagen kurze Ausflüge genießen. Mit ausreichender Planung und cleverem Packen braucht sich der Porsche vor der Dachzelt-Konkurrenz bei anderen Autos nicht zu verstecken. Für mich bleibt der 911 ein Traumauto – aber dann ganz puristisch: Ohne Dachzelt.
Testfazit
Porsche bringt etwas zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört. Für die Legende 911 gibt es seit November 2022 ein Dachzelt für fast 5.000 Euro. Im Praxistest konnte sich die Kombination beweisen. Die meisten Einschränkungen stammen vom ungewöhnlichen Camping-Fahrzeug. Ein 911 kann unwägbares Terrain schlechter verkraften als ein Geländewagen. Negativ war die Montage und Demontage der Dachbox. Dafür werden mehr als zwei Erwachsene benötigt. Die Camping-Ausrüstung sollte so klein wie möglich sein. Trotzdem wird der Porsche 911 seinem Ruf als alltagstauglichster Sportwagen einmal mehr gerecht.
Vor- und Nachteile des Porsche 911 mit Dachzelt im Überblick
Kleine Stautaschen im Zelt
Abdunkelbar
Screen an den Fenstern
Porsche 911 bietet ausreichend Stauraum
Hochwertiger Eindruck
Matratze könnte dicker sein
Stangen der Seitenfenster können beim Auf- und Abbau das Auto beschädigen
Montage und Demontage der Dachbox benötigt mehr als zwei Personen
Offroad-Campingplätze aufgrund des Autos vermeiden
Zeltstoff klemmt beim Zuklappen ein
Porsche 911 Carrera 4 (992) 2022
Motor: Biturbo-Sechszylinder-Boxer mit 283 kW (385 PS)
Grundpreis: 119.085 Euro
Preis Testfahrzeug: 145.538,70 Euro
Antrieb: Elektronisch geregelter Allradantrieb, 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Leergewicht nach DIN: 1.555 kg
Zul. Gesamtgewicht: 1.985 kg
Zul. Zuladung: 430 kg
Dachzelt Ikamper
Aufbau: Hybrid-Dachzelt
Preis: 4.980,20 Euro
Preis Basisträger Dachtransportsystem: 452,20 Euro
Preis Aufnahmevorbereitung: 59,50 Euro
Gewicht: 56 Kilogramm
Maße eingeklappt: 146 x 140 x 33 cm (Länge x Breite x Höhe)
Maße ausgeklappt: 258 x 257 x 118 cm (Länge x Breite x Höhe)
Liegefläche: 210 x 130 cm
Maximale Zuladung: 140 kg ohne Dachreling, 190 kg mit Dachreling
Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h