Wandern wie Ötzi - Interview mit "Steinzeitmensch" Markus Klek

Wandern wie Ötzi
Unterwegs mit Steinzeit-Skills

Podcast-Update

Im Gespräch mit Paläotechniker Markus Klek ...

Interview mit Markus Klek
Foto: Daniel Geiger

Im Winter im selbstgemachten Fellmantel durch den Schwarzwald – Paläotechniker Markus Klek erzählt in der aktuellen Episode von Hauptsache raus, wie wohl Ötzi & Co. vor gut 5000 Jahren lebten. Außerdem berichtet er von seinen Kursen in Bogenbau und Ledergerben und erklärt, warum Museen ihn gerne als lebendiges Ausstellungsstück zum Thema Urzeit buchen.

Podcast zum Thema

Im Januar 2023 testete er sein selbst hergestelltes, steinzeitliches Equipment im hochwinterlichen Schwarzwald:

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Das Interview zur Wintertour

outdoor: Wie kommt man darauf, im Winter wie ein Steinzeitmensch 100 Kilometer querfeldein durch den Schwarzwald bis nach Freiburg zu wandern?

Markus Klek: Ich wollte meine Ausrüstung im Winter testen. Vieles hatte ich schon vorher hergestellt: Mantel, Stiefel, Handschuhe, Schneeschuhe und einen Rucksack. Das war aber nicht als Survival-Tour geplant, das ist nicht mein Ding. Ein Steinzeitmensch verlässt mit guter Ausrüstung und Verpflegung sein Dorf und guckt, wie er im Wald damit klarkommt.

Und wie hat es funktioniert?

Sehr gut. Ich hatte Glück mit dem Wetter. Bis kurz vor meiner Tour Ende Januar gab es keinen Schnee, pünktlich vor meinem Start in Schramberg war alles weiß. Ansonsten wäre ich gar nicht losgegangen. Ich bin ein "Nordnerd", ich begeistere mich für das Klima in nordischen Ländern, vor allem im Winter. Nur mit den Schuhen hatte ich Probleme, nicht wegen des Materials, sondern weil ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe meine Schuhe zu nah am Feuer getrocknet. Die fetthaltige Sohle hat gekocht und ist dann rissig geworden. Ich habe mir dann Überschuhe gebaut.

Haben Sie sich wie ein Schwarzwald-Ötzi gefühlt?

Ich war der, der ich immer bin, aber in einem anderen Modus, weil ich in einer anderen Realität unterwegs war. Das ist es auch, warum ich mir vorstellen kann, längerfristig so zu leben. Diese Lebensweise wird für einen nicht real, wenn man einen Film dazu guckt oder man darüber liest, sondern nur, wenn du es selbst machst und nachempfindest.

Seit wann beschäftigen Sie sich so ausführlich mit dem Thema Steinzeit?

Seit 25 Jahren. Schon als Kind hat mich das Leben der Native Americans fasziniert, wie sie im Einklang mit der Natur leben. Später bin ich mit meiner damaligen Frau in die USA gezogen, dort habe ich meine Leidenschaft wiederentdeckt. Ich besuchte Kurse in "Primitive Technology", also in Urtechniken. In den USA gibt es eine lebendige Szene, doch auch in Deutschland sind viele Menschen von der Lebensweise in der Steinzeit fasziniert. Viel Wissen habe ich mir auch in archäologischer Fachliteratur angelesen.

Wie nennt sich der Bereich, in dem Sie arbeiten?

Ich bin ein Paläotechniker. Das ist ein Berufsbild, aber kein Ausbildungsberuf. Paläotechnik ist ein Nebenzweig der Archäologie. Wir sind die Praktiker, die die historischen Handwerke ausprobieren. Die Erzeugnisse werden dann in Museen präsentiert oder auch als Filmrequisiten eingesetzt. Das gibt es für alle historischen Abschnitte.

Auf welche Zeit beziehen Sie sich mit Ihrer Arbeit genau?

Bei mir geht es um den modernen Menschen, nicht die Neandertaler oder andere Vorformen, sondern um den Homo Sapiens Sapiens. Dabei beziehe ich mich auf die Zeit von der letzten Eiszeit bis zu den Metallzeiten. Das Eis ist da schon zurückgegangen, die Flora und Fauna so wie bei uns heute. Die Menschen lebten als Jäger und Sammler, so zwischen 10 000 bis 5000 vor Christus, die Mittelsteinzeit.

Welche Materialien nutzen Sie vorrangig beim Arbeiten?

Einiges sammle ich selbst, aber mein Fokus liegt auf der Leder- und Fellbearbeitung. Die Felle bekomme ich von Jägern und Züchtern. Ich bin sozusagen der Müllverwerter der modernen Jägerei, ich verwende das, was die anderen nicht mehr brauchen. Außerdem tausche ich mit anderen aus unserer Community oder bestelle mal was im Internet.

Interview mit Markus Klek
Daniel Geiger
Glück gehabt: Obwohl alles bis zum letzten Grashalm vereist war, entfacht Klek ein Feuer.
Was ist die besondere Faszination an der Steinzeit?

Der direkte Bezug zur Natur. Alles, was dich umgibt und womit du dich beschäftigst, kommt direkt aus der Natur, von Anfang bis Ende überblickt man selbst die Produktionskette. So bist du nicht nur ein Rädchen im großen Ganzen, sondern bist selbständig in der Natur unterwegs und produzierst alles selbst, was du brauchst.

Wie haben Sie sich auf Ihrer Wanderung ernährt?

Von getrockneten Lebensmitteln wie Dörrfleisch, Pflaumen und Äpfeln, von Nüssen, Pilzen, Vogelbeeren und Fladenbrötchen aus Eichelmehl. Am Ende hatte ich sogar zu viel dabei und musste einiges im Wald lassen. Auch von meiner Ausrüstung, zum Beispiel meinen Schlitten und die Schneeschuhe. Übrig blieb mein Rucksack, der wog dann elf Kilo. Wasser ist beim Transport gefroren. Ich habe unterwegs Schnee gegessen und aus Bächen getrunken.

Ernähren Sie sich auch zu Hause auf diese Weise?

Nein, ich esse nicht ständig wie ein Steinzeitmensch, sondern ganz normal. Auf den Tisch kommt wenig Fleisch, insgesamt sind es meist Bio-Produkte. Aber ich lebe recht rustikal. Auf meinem Herd stehen zum Beispiel Kochtöpfe, in denen Gerbersoßen kochen. Nicht der Standard. Ich praktiziere Hirngerbung. Dabei nehme ich das Gehirn von Tieren und behandle das Fell und Leder mit den Fetten und zusätzlich mit Rauch. Dieser Bezug zur Jagdbeute fasziniert mich. Die Beute liefert Fleisch, Material, Werkzeug und das Gehirn zum Gerben. Die Knochen verwende ich zum Beispiel zum Nähen, als Garn dienen mir Hirschrückensehnen. Sehr praktisch.

Woher wissen Sie, dass Ihre Methoden denen der echten Steinzeitmenschen ähneln?

Bei vielen Dingen weiß man gar nicht so genau, wie die Steinzeitmenschen gelebt haben, weil organisches Material kaum erhalten geblieben ist. In solchen Fällen wie zum Beispiel beim Garn wendet man sich an die Ethnologie und fragt: Wie haben es andere Völker gemacht? Indem man da Vergleiche anstellt, kann man Rückschlüsse auf die Steinzeit ziehen.

Was war die größte Herausforderung beim Wandern?

Einige Dinge haben mich überrascht, weil sie so einfach waren. Zum Beispiel war die Kälte kein Problem, auch nachts nicht. Insgesamt habe ich sechs Nächte draußen übernachtet. Da ich immer viel draußen bin, habe ich mich an niedrige Temperaturen gewöhnt. Wer sonst nie friert und nur mal schnell im Winter den Müll rausbringt, dem wird es schon anders ergehen. Andere Dinge waren schwierig. Mal war es sehr neblig, ich konnte nicht weit gucken, und da ich mich auf Sicht orientiert habe, war das dann kompliziert. Ich hatte vorher keine Reiseroute rausgesucht. Deswegen war ich auch im Schwarzwald unterwegs, wo ich mich auskenne. Ich war hier schon auf Tour.

Was haben Sie dann gemacht?

Ich habe auf mein Handy geschaut. Das hatte ich dabei, weil ich meiner Freundin täglich eine Nachricht geschickt habe, dass alles okay ist, und weil ich Fotos gemacht habe.

Wie haben Sie übernachtet?

Ich hatte eine selbstgemachte Isomatte aus Fell dabei und habe mir unter die Matte Tannenzweige gelegt. Ich bin morgens immer gegen 8 Uhr gestartet und habe mir ab etwa 16 Uhr ein Nachtlager gesucht. Die Übernachtungen im Wald hatte ich vorher mit den Grundstückseignern abgesprochen. In Deutschland darf man ja nicht einfach auf Privatgrundstücken schlafen. Zum Glück hat auch das Feuermachen funktioniert. Alles war gefroren, jeder Grashalm und jeder Ast. Deswegen war alles nass. Ich habe mit Feuerstein und Markasit Funken geschlagen und den Zunderpilz zum Glimmen gebracht. Durch Anblasen entzündete sich das Brennmaterial.

Interview mit Markus Klek
Daniel Geiger
Bettzeit: Tannenzweige bilden die Grundlage, obenauf liegt eine Isomatte aus Fell.
Was können wir uns von unseren Vorfahren abschauen?

Die Reduzierung auf das Wesentliche und auch den direkten Bezug zur Natur. Man lernt die Prozesse kennen und verstehen, begreift auch die Abhängigkeit von der Natur besser. Das war in der Steinzeit sehr konkret. Jetzt eigentlich auch, aber man merkt es nicht, die Verbindung ist verlorengegangen, die Folgen merken wir jetzt am Klimawandel. Vielleicht schon zu spät.

Welche Projekte stehen zukünftig bei Ihnen an?

Ich würde gerne beim nächsten Mal so eine Tour im hohen Norden in Skandinavien unternehmen. Das ist noch extremer, im Schwarzwald ist alles so zersiedelt, da kommt man ständig an Supermärkten, Dörfern, Höfen vorbei. Im Frühjahr 2024 planen wir etwas Neues: Steinzeit zum Miterleben. Auf einem wilden Privatgelände in Spanien lebe ich zwei Monate wie in der Steinzeit und lade Teilnehmer und Teilnehmerinnen für eine Woche ein, sich mit mir in die Steinzeit fallen zu lassen, das mal mit mir auszuprobieren. Dafür braucht man keine Vorkenntnisse. Das wird eine ganz besondere Erfahrung.

Mehr Informationen über Markus Klek, 53, und seine Projekte finden sich hier: palaeotechnik.eu

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