Trekking in Norwegen: Hjørundfjorden rundt

Norwegen - Sunnmore-Alpen
Trekking in Norwegen: Hjørundfjorden rundt

Noch ist der Hjørundfjord südlich der norwegischen Küstenstadt Ålesund bei uns ein Geheimtipp. Wanderer umrunden ihn auf einem einwöchigen Trek durch die Sunnmøre-Alpen.

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Foto: Hansi Heckmair

"Nennen die das hier einen Weg?" – Äußerst steil führt der schmale Pfad bergauf, und mein Begleiter Hansi – so leichtfüßig er den Weg auch meistert – hat kaum noch Verständnis für die Norweger. Glitschig ist der Untergrund zwischen dem dschungelartigen, niedrigen, tropfenbehangenen Gebüsch. Bergführerin Therese dagegen zeigt sich positiv überrascht: »Ich dachte, es würde viel nasser sein nach dem Regen letzte Nacht. Es kann passieren, dass man hier die ganze Zeit durch Bäche watet.« Alles ist relativ. Willkommen in Norwegens Wanderwelt.

Seit Sommer 2014 führt die Hjørundfjorden rundt als neuer Trek einmal um den Hjørundfjord. Er liegt etwa 400 Kilometer nördlich von Bergen und 20 Kilometer südlich der bei uns weniger bekannten Küstenstadt Ålesund. Den Meeresarm umgeben die markanten, zerklüfteten Sunnmøre-Alpen, über 1500 Meter ragen sie aus dem Wasser auf – das Zusammenspiel von Berg und Fjord macht die Hjørundfjorden rundt so einzigartig. In diesem anspruchsvollen Gelände machen Wege, die einen so direkt wie möglich, also steil, voranbringen, einen Trek zu einem konditionell und technisch anspruchsvollen Unterfangen. Auf rund 120 Kilometern geht es um den 35 Kilometer langen Fjord, rund 4000 Höhenmeter auf und ab kommen dabei zustande. Offiziell hat die Hjørundfjorden rundt sechs Etappen, aber Ortskenner empfehlen normalen Wanderern sieben Tage. Selbst die Norweger, die man getrost als geländegängig einstufen darf, sprechen dem Weg die harte schwarze »ekspert«-Schwierigkeitsstufe zu. Unser heutiges Ziel ist die Patchellhytta, das Ende von Etappe vier. Einsam und irgendwie weltfern liegt die unbewirtschaftete Hütte in einem Hochtal namens Habostaddalen, zu Füßen eines markanten Gipfels namens Slogen (1564 m). Steindurchsetzte Bergwiesen umgeben sie, darüber felsige Hänge, und wenn man – wie wir – bei regnerisch grauem Wetter ankommt, geht man nur noch nach draußen, um Wasser aus dem Brunnen zu pumpen und zum Toilettengebäude zu gelangen. Die Stimmung drinnen ist umso lebhafter: Neben jungen Paaren kochen in den beiden Küchen auch Familien mit Kindern ihr Abendessen auf dem Gasherd. Wer keinen Proviant mitgebracht hat, bedient sich in der für norwegische »selfbetjent«-Hütten typischen Speisekammer und füllt später auf einem Vordruck aus, was er genommen hat. Dass man dafür in die aufgestellte Kasse zahlt, ist klar, Schummeleien gibt es quasi nicht.

Traumgipfel am Weg

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Hansi Heckmair
Auf der "Patchellhytta" kommt auch an einem Regentag keine Langeweile auf.

"Schon die erste Etappe dieses Treks ist ein absolutes Highlight." Therese, die uns drei Tage lang auf dem Südostteil der Hjørundfjorden rundt begleitet, gerät ins Schwärmen, während wir im holzgetäfelten Aufenthaltsraum Karten spielen. Durch das wildromantische Molladalen folgt man beim Tourauftakt dem Fluss Molladalselva in Richtung Süden. Raubtierzähnen ähnlich ragt linker Hand eine Bergkette gen Himmel, und auf 774 Metern liegt mit dem Storevatnet einer der schönsten Gebirgsseen der Region am Weg. Unterhalb des mächtigen Kolåstinden(1432 m) bildet die Standalhytta das Ziel von Etappe eins, an den Folgetagen wechseln sich steile, ruppige Pfade und B Punkt der Tour erreicht man erst auf der letzten der sechs Etappen, auf 1170 Metern, unterhalb eines Berges namens Blåbretind (1476 m). Es bieten sich aber schon ab dem ersten Tag immer wieder Abstecher auf Aussichtsgipfel an, darunter der Skårasalen (1542 m), der Slogen (1564 m) und der Saksa (1073 m). Ein paar Impressionen liefert dieses Video:

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Der Slogen stand eigentlich auch auf unserer Gipfelliste. In etwa zwei Gehstunden erreicht man ihn von der Patchellhytta aus – eine der schönsten Bergtouren der Region. Ende des 19. Jahrhunderts waren die Sunnmøre-Alpen ein beliebtes Ziel britischer Bergsteiger, und William Cecil Slingsby, der zu den Begründern des Alpinismus in Norwegen gehört, beschrieb die Aussicht vom Slogen als »eine der erhabensten in ganz Europa«. Aber wenn es stürmt und regnet, ist die Hütte die bessere Alternative. Leere Bierflaschen, auf deren Etiketten in unterschiedlichen Farben ein Bild des Slogen prangt, zieren hier eine Fensterbank: leicht bittere Situationskomik, zugleich aber eine nette Anregung für Souvenirkäufe in Ålesund vor der Heimreise. Leider sind Unterkünfte wie die Patchellhytta auf dem Trek nicht Standard, mit der Standalhytta nach Etappe 1 und der winzigen Tyssenaustet (einst ein Bootshaus an einem Bergsee) nach Etappe drei endet das Hüttenangebot. Wer nicht zeltet, muss auch mal in einer Campingplatz-Hütte oder in einem Bed&Breakfast nächtigen. Oder ordentlich Geld für eine Übernachtung in einem der zugegebenermaßen sehr charmanten Hotels am Fjord hinblättern. Von ein wenig Zivilisation sollten sich Wanderer aber ebenso wenig abschrecken lassen wie von der Tatsache, dass es vorgesehen ist, auf Etappe drei mit dem Taxi 12,5 Kilometer Straße zu überspringen. Auch auf Etappe vier, südlich des Fjords im Norangsdalen, überbrücken viele Norweger eine ähnlich lange Asphaltstrecke mit Chauffeurdiensten.

Altschnee und Bilderbuchsommer am Hjørundfjord

Wir sind Letztere zu Fuß gegangen. Und man kann es durchaus als Wohltat empfinden, zwischen all den steilen Bergpfaden auf einer schmalen Straße entspannt durch das Norangsdalen zu marschieren, eins der engsten Täler des Landes. Ohne nach unten zu blicken, ohne sich ständig auf den nächsten Schritt konzentrieren zu müssen. Viel Verkehr herrscht sowieso nicht. »In den Alpen würde das auch als Wanderweg durchgehen«, so Hansis Kommentar. Nebelschwaden wabern dicht über unseren Köpfen, an steilen Berghängen liegt trotz der niedrigen Lage noch schmuddeliger Schnee. »In diesem Frühjahr hat es extrem viel geschneit, und der Sommer war bisher sehr kalt«, lautet Thereses Erklärung. Mit ganz so vielen Altschneefeldern und Schmelzwassermassen sei hier sonst Ende Juli nicht zu rechnen.

Am nächsten Tag erleben wir zum Glück noch, wie ein Bilderbuchsommertag in den Sunnmøre-Alpen aussieht. Tief blau leuchtet dann der Fjord, das Wasser kräuselt sich sanft in einer Brise. Hohe, wild gezackte Berge ragen klar umrissen vom Ufer gen Himmel. Es ist herrlich warm, auch oben auf dem Gipfel des Saksa (1073 m), wo man nach drei Stunden Bergaufmarsch entspannt die Beine ausstreckt. Von hier blickt man auf das leicht schräge, einem Hut ähnelnde Gipfelplateau des Storeflæna, der die Gabelung des Hjørundfjords in den Norangsfjord im Südosten und den Storfjord im Süden markiert. Spielzeugklein liegen die Dörfer Sæbø und Urke noch in Sichtweite. Neben dem Grau des Gneis- und Granitgesteins und dem Blau des Fjords sorgt das satte Grün von Bergwiesen, Hangwäldern und Farn für Kontraste – ein unvergesslicher Anblick. Einziges Manko: Für diesen Abstecher von der Originalroute setzt man am besten gleich einen ganzen Extratag an. Wie die gesamte Hjørundfjorden rundt setzt auch der Weg auf den Saksa beste Trittsicherheit voraus, etwa beim Queren eines riesigen Geröllfeldes unterhalb vom Gipfel. Von einer leichten Sonntagstour hatte Therese beim Aufbruch gesprochen, unterwegs begegnen wir zweimal Eltern mit Kindern im Grundschulalter. »Kein Wunder, dass die dann als Erwachsene ultrafit sind«, meint Hansi. Auch unsere 32-jährige Bergführerin ist in diesen Bergen aufgewachsen und gibt ein Paradebeispiel in puncto Outdoor-Fitness ab. Ihren letzten Urlaub hat sie in Spitzbergen verbracht, eine Zelttour mit Partner plus Kindern im Eisbärland. Klar, dass sie mit einem Gewehr umgehen kann. Und sich mit Fragen beschäftigt wie der nach einem 90-Liter-Rucksack für Frauen. Für sie ist auch ein »ekspert«-Trek wie die Hjørundfjorden rundt ein leichtes Spiel. Für normale Wanderer dagegen ist er ein Fjord- und Gebirgs-Abenteuer, auf dessen Bestehen man sich ähnlich stolz fühlt wie einst die britischen Bergsteiger auf ihre Erstbegehungen in den Sunnmøre-Alpen.

Reisetipps für den Hjørundfjord

Hjørundfjord-Fakten
Der Hjørundfjord liegt an der Westküste von Norwegen, etwa 400 Kilometer nördlich von Bergen. Als Seitenarm des größeren Storfjords zieht er sich 35 Kilometer lang von Norden nach Süden. Er wird umgeben von den wild gezackten, steilen Gipfeln der Sunnmøre-Alpen, die bis knapp 2000 Meter hoch aufragen. Die einwöchige Rundwanderung um den Fjord gilt auch nach norwegischen Standards als sehr anspruchsvoll.

Hinkommen
»Zugangstor« für Besucher aus Deutschland ist die Küstenstadt Ålesund. Per Flugzeug (z.B. klm.com, bei früher Buchung ab 200 Euro) dauert die Reise ab Frankfurt mit Umstieg in Amsterdam etwa fünf Stunden. Vom Flughafen Ålesund-Vigra sind es mit dem Bus 25 Minuten in die Innenstadt (avinor.no, im Suchfenster »Ålesund airport« eingeben). Fast bis zum Start des Treks kommt man mit dem stündlich verkehrenden »Timekspressen«-Bus. Die Fahrt vom Busbahnhof (»Rutebilstationen«) in Ålesund nach Ørsta-Barstadvik dauert etwa eine Stunde, und von dort sind es noch ca. 1,5 Kilometer bis zum Start an der Alm Melbøsætra.

Herumkommen
Die dritte Etappe beginnt mit einer Taxifahrt von Sæbø nach Rognestøylen (Ørsta Taxi, Tel. 00 47/70 06 70 00). Die Strecke von Lekneset nach Trandal am Ende von Etappe fünf beendet man per Boot. Ebenfalls per Fähre geht es vom Trek-Ende in Hundeidvik nach Festøya (ca. 20 Min.), von dort per Bus (der erst mal per Fähre nach Solavågen übersetzt) nach Ålesund.

Reisezeit
Von Juli bis Ende September. Auch im Sommer sind Schneefelder möglich.

Surfen
Die Informationslage zu dem Trek ist noch recht dünn. Immerhin gibt es unter ut.no/tur/2.7641/ kurze Beschreibungen der Etappen, dazu ein Höhenprofil, interaktive Karte und GPS-Daten.

Orientieren

Markierung
Die Pfade, die zum Trek gehören, sind mit dem roten »T« des norwegischen Wanderverbands DNT gekennzeichnet. Die Richtungen zu Orten und Hütten weisen oft auch Schilder.

Karten
Turkart 2691 »Sunnmørsalpene Vest«, 1:50 000, und 2690 »Sunnmørsalpene Øst« 1:50 000, je 26 Euro

Übernachten

Zelten
Es gilt das Jedermannsrecht, wildes Zelten ist grundsätzlich erlaubt. Allerdings ist die Region sehr regenreich.

Hütten und mehr
Für ein festes Dach über dem Kopf bieten sich an: Etappe 1 Standalhytta, Etappe 2
Hjørundfjord Camping, Etappe 3 die kleine Hütte Tyssenaustet oder Hjørundfjord Vandrerhjem Bjørke (hjorundfjordadventures.no), Etappe 4 Patchellhytta, Etappe 5 Christian Gaard Bygdetun, (christiangaard.com).
Variante für 7 Etappen: Etappe in Øye beenden und im Knutegarden-Norangdal B&B (hjorundfjord.no/overnatting/knutegarden/) schlafen.

Essen & Trinken

Unterwegs
Basisproviant nimmt man mit. Sæbø und Urke besitzen kleine Läden, und die Unterkünfte bieten Verpflegung an. Trinkwasser gibt es reichlich.

Einkehr
Im Hotel Union Øye am Norangsfjord gibt es guten Apfelstrudel. Unbedingt einen Blick in ein paar der individuell gestalteten, altmodischen Zimmer werfen, auf Nachfrage wird das gern gestattet! unionoye.no

Autorentipps

OD 2016 Autorenporträt Katharina Hübner
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Katharina Hübner, Reiseredakteurin

Bacalao probieren
Getrockneter Kabeljau wird durch gekonnte Zubereitung überraschend saftig. Schmeckt sogar als Dosengericht, etwa aus der Speisekammer der Patchellhytta. Wer mehr wissen will, besucht die »Klippfisch-Akademie« in Ålesund. klippfiskakademiet.no

Schaukeln am Fjord
In Trandal hängt vor der Christian-Gaard-Unterkunft an einem Baum eine Schaukel mit Fjordblick. Wenn keine Kinder Schlange stehen, haben daran auch Erwachsene ihre Freude...

Craft Beer
Zugegeben, im Supermarkt für eine Halbliterflasche Bier fünf Euro auszugeben klingt heftig – aber die nach dem Sunnmøre-Gipfel »Slogen« benannten Biere von der Troll Bryggeriet haben nicht nur schöne Etiketten, sie schmecken auch und sind nette Souvenire.

Unterwegs mit Guide
Unerfahrenere Wanderer sollten Trekking mit Guide in Erwägung ziehen. Bergführerin Therese von vestferd.no kennt sich in den Sunnmøre-Alpen bestens aus und spricht etwas Deutsch. Wintervariante der Fjordrunde für Skitourgeher: uteguiden.com

Ålesund erkunden
Nach der anstrengenden Wanderwoche lohnt es sich, einen oder zwei Tage in der direkt am Meer gelegenen Jugendstilstadt Ålesund anzuhängen. Die 418 Stufen auf den Stadtberg Aksla mit top Aussicht auf Stadt, Meer, Inseln und die Sunnmøre-Alpen schafft man bestimmt noch.