Spätestens durch den Niederländer Wim Hof erlangte das scheinbar gesundheitsförderliche Bad im Eis immer mehr an Beliebtheit. In seinem Buch "Die Wim Hof Methode" beschreibt der selbsternannte "Iceman", wie das Eisbaden in Kombination mit Atem- und Konzentrationstechniken die Gesundheit verbessern soll.
Auch der deutsche Entertainer und Buchautor Wigald Boning hat scheinbar seine Freude am kalten Nass gefunden. "Eisbaden ist ein Versuch, die Grenzen der eigenen Existenz kennenzulernen", sagte er in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Seit mehr als 600 Tagen in Folge badet er in freien Gewässern und hat darüber auch ein Buch geschrieben: "Herr Boning geht baden".
In kaltes Wasser zu steigen, ist allerdings nichts Neues. Eisbaden wird wie das Saunieren bereits seit Jahrhunderten praktiziert. Schon Johann Wolfgang von Goethe soll das Eis der Ilm aufgehackt haben, um darin zu baden, und Sebastian Kneipp entdeckte im 19. Jahrhundert mit der Wasserkur die gesundheitsfördernde Kraft des Wassers.
Sind Eisbaden, Eisschwimmen und Winterbaden dasselbe?
Eisbaden und Winterbaden sind im Prinzip dasselbe. Man steht oder sitzt in einem Gewässer, das kälter als 5 Grad Celsius ist. Wim Hof, hielt fast zwei Stunden im eiskalten Wasser aus, den momentanen Weltrekord hält aber der Pole Krzysztof Gajewski mit drei Stunden und elf Minuten. Nah dran an diesem Rekord ist die Polin Katarzyna Jakubowska, die drei Stunden und sechs Minuten im Eis verharrte. Auch Vereine widmen sich einzig dem Wintersport Eisbaden.
Winterschwimmer sind in Flüssen und Seen unterwegs, die nicht so schnell zufrieren. Bei einer Wassertemperatur von unter 4 Grad spricht man von Eisschwimmen. Dafür werden auch 25 Meter lange Becken ins Eis gesägt. Für diesen Sport gibt es weltweit eigene Veranstaltungen, zum Beispiel die "Ice Swimming German Open".
Seit dem Jahr 2000 treten Extremsportler bei den "Winter Swimming World Championships" in verschiedenen Disziplinen an – meistens in 50m Freistil und Brust. Die bisher längste Strecke in Eiswasser hat im Dezember 2021 der Pole Krzysztof Gajewski zurückgelegt. In einer Stunde und 19 Minuten schwamm er 3,91km weit. Den deutschen Rekord hält Paul Bieber, der im Januar 2021 in 43 Minuten 2,21km schwamm. Beide trugen keinen Neoprenanzug.
Welche Vorteile soll Eisbaden bieten?
Der menschliche Körper möchte seine Temperatur konstant zwischen 36 und 37 Grad Celsius halten. Sich der Kälte auszusetzen, ist also Stress für den Körper. Er muss vermehrt Wärme produzieren, um nicht unter 35 Grad zu sinken und auszukühlen. Manche Mediziner sagen, schon Temperaturen von unter 20 Grad reichen aus, damit die Körpertemperatur sinkt und positive Effekte erzielt werden können.
Denn bei Kälte reagiert der gesamte Körper intensiv – vor allem der Kreislauf, der Hormonhaushalt und das Immunsystem. Sobald man in eiskaltes Wasser steigt, schüttet der Körper Adrenalin und Noradrenalin aus. Das kurbelt die Fettverbrennung an und kann so bei Übergewicht und Diabetes helfen. Auch durch Zittern möchte der Körper seine Temperatur aufrecht erhalten.
Die Hormone können kurzzeitig das Immunsystem unterdrücken, was dem Körper helfen kann, besser mit Infektionen klarzukommen. Außerdem soll ein regelmäßiges Eisbad die Anzahl der weißen Blutkörperchen vermehren, die unter anderem für die Abwehr von Viren und Bakterien zuständig sind.
Der Kreislauf reagiert, indem das Blut bei Kälte in den Körperkern zurückgezogen wird. Sobald es wieder etwas wärmer wird, wird die Haut verstärkt durchblutet. Dieses Schließen und Öffnen der Blutgefäße trainiert das Herz-Kreislauf-System, die Gefäßmuskulatur und ihre Nerven.
Leistungssportler wenden Eisbaden gezielt zu therapeutischen Zwecken an, um etwa die Leistungsfähigkeit zu steigern und Muskelkater vorzubeugen. Man sollte allerdings nicht direkt nach dem Sport Eisbaden, da die Kälte das Muskelwachstum unterdrücken kann. Die Eisbade-Extremsportler trainieren ihren Körper darauf, bei Kälte die Energiereserven reflexartig in Wärme umzusetzen. So soll eine Unterkühlung hinausgezögert werden.
Manche Studien kommen zu dem Schluss, das Eisbaden auch bei Depressionen, Ängsten und Panikattacken sowie gegen Schlafstörungen helfen kann. Der "Iceman" Wim Hof verspricht außerdem höhere sportliche und mentale Leistungen sowie die Linderung von Rheuma, Morbus Crohn, Asthma.
Wenn Wasser methodisch zur Behandlung von chronischen oder akuten Beschwerden angewendet wird, spricht man von Wasserheilkunde beziehungsweise Hydrotherapie. Ein besonders bekannter Vertreter davon ist der Priester und Naturheilkundler Sebastian Kneipp. Im 19. Jahrhundert verbreitete er von der Stadt Bad Wörishofen aus seine Erkenntnisse von der heilenden Kraft des Wassers, was die Grundlagen für die Kneipp-Medizin schaffte. Besonders die Wasserkur mit Wassertreten wurde durch ihn bekannt.
Seine Therapie umfasst aber auch Wechselbäder, Kneippgüsse, das Barfußgehen im Schnee sowie der Einsatz von Heilpflanzen, Ernährungs- und Bewegungstherapie. Diese Kneipp-Kur soll die Abwehrkräfte steigern, bei Durchblutungsstörungen und Herz-Kreislauferkrankungen helfen, Krampfadern vorbeugen sowie bei Kopfschmerzen und anderen neurologischen Erkrankungen helfen. Jedoch fehlen dafür wissenschaftliche Nachweise.
Zumindest wird wohl jeder etwas spüren, sobald er oder sie ins Wasser steigt und dort ein paar Minuten verharrt. Vielleicht bekommt man danach einen Energieschub, ist stolz, fühlt sich wohl, mit der Natur verbunden und bemerkt später mehr Willenskraft und Stressresistenz. Konkrete positive Einflüsse aus wissenschaftlichen Studien gibt es kaum. Auch der Besuch einer Sauna oder die Anwendung der Kneipp-Kur können ähnliche Effekte wie ein Eisbad haben.
Welche Risiken gibt es beim Eisbaden?
Im Wasser ertrinken Menschen meistens, weil sie auskühlen. Wie schnell das geht, ist individuell. Eine Unterkühlung bemerkt man zuerst durch Kältezittern, dann folgen Teilnahmslosigkeit und Muskelstarre. Im extremen Fall wird man bewusstlos und wenn die Körpertemperatur unter 30 Grad sinkt, kommen Atmung und Kreislauf zum Stillstand. Darum sollte man vorher mit einem Arzt absprechen, wie lange man sich im kalten Wasser aufhalten kann/darf.
Generell sollte ein Arzt überprüfen, wie fit der jeweilige Kreislauf ist. Besonders für Menschen mit Herzerkrankungen und Herz-Kreislauf-Störungen kann der Temperaturabfall gefährlich werden. Auch für Menschen mit Bluthochdruck oder Gefäßerkrankungen ist Eisbaden nicht ratsam.
Wenn man so lange im Wasser bleibt, bis man zittert und Körperteile schmerzen, kann es auch zu leichten Erfrierungen mit Blasen und Wunden kommen. Meist sind Hände und Füße betroffen, weil die Extremitäten weniger stark durchblutet werden. Auch Hautreizungen und Frostbeulen können entstehen, was juckt und brennt. Menschen mit Kälteallergie können einen juckenden Hautausschlag bekommen.
Junge und gesunde Körper kommen besser mit Kälte zurecht als ältere – so oder so: langsam anfangen und allmählich steigern. Bevor es losgeht, sollte man nochmal den Kreislauf ankurbeln und nicht schon frierend ins Wasser steigen.
Es empfiehlt sich auch nicht zu lange im Wasser bleiben, um sich nicht zu erkälten. Mütze, Bade- und Handschuhe helfen, nicht zu schnell auszukühlen. Bei Regen, Schnee und Sturm kann man sich nach dem Bad nicht so gut wieder aufwärmen, darum lieber bei schönem Wetter baden gehen. Bei einer Erkältung sollte man den Körper nicht noch weiter stressen, sondern lieber in der Wärme bleiben. Nach dem Eisbad benötigt der Körper eine Pause, um die Muskeln zu regenerieren. Darum nicht mehr als zweimal pro Woche kalt baden.
Darf ich überall baden gehen?
Wie im Sommer ist das Baden in Gewässern dort erlaubt, wo keine Verbotsschilder stehen. Generell ist das Schwimmen in deutschen Flüssen 100 Meter ober- und unterhalb von Brücken, an Wehr- und Schleusenanlagen, Kraftwerksanlagen und Hafeneinfahrten verboten. Denn hier können Strudel und Strömungen entstehen, die lebensgefährlich sind. Am besten eignen sich also Seen und ruhige Flüsse. Doch in offenen Gewässern lauern im Winter die gleichen Gefahren, wie im Sommer. Man sollte also nur dort schwimmen, wo es erlaubt ist, und am Ufer bleiben. Mehr Infos dazu gibt es hier:
Als normaler Winterbader sollte man lieber darauf verzichten, Löcher in zugefrorene Seen zu schlagen, um darin zu baden. Dafür braucht es die Erfahrung von Profis. An dieser Stelle sei noch gesagt: Einen zugefrorenen See sollte man erst betreten, wenn das Eis 15 bis 20cm dick ist, empfiehlt die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG. Dunkle Stellen zeigen, dass das Eis noch zu dünn ist, um es zu betreten.
Wo sind die Eisbad-Mekkas?
In Europa wird es vor allem in Skandinavien so kalt, dass man hier von einem wortwörtlichen Eisbad sprechen kann. In Finnland eignet sich das Seenland Saimaa, um ins kalte Wasser abzutauchen. In den Regionen Mikkeli, Savonlinna und Varkaus werden in vielen Herbergen begleitete Eisbade-Sessions angeboten. In Schweden gibt es eigene Kaltbadehäuser, die meisten an der Küste mit direktem Zugang zum Meer. Hotspot ist aber die Westküste mit ihren Kurorten, unter anderem das Kallbadhuset in Varberg.
In den Alpen kann es natürlich auch ziemlich kalt werden. In der Schweiz hat das Eisbaden im Genfersee eine lange Tradition. Auch in den Silsersee, St. Moritzersee und Untersee in Arosa kann man durch ein freigelegtes Loch problemlos einsteigen. In Österreich bieten sich besonders Pleschinger See, Almsee, Ausee und die Donau für ein kaltes Bad an.
Wer lieber in Deutschland bleiben will, kann in München zum Beispiel in die Isar steigen. Hier gibt es auch eine eigene Community, die Munich Hot Springs (siehe Instagram Posting unten). Auch der Ammersee, der Kirchsee bei Bad Tölz, der Orkansee in Berlin, der Wöhrsee bei Burghausen sowie die Kieler Förde sind bei Eisbadenden beliebt.
Tipps zum Eisbaden
- Mit einem Arzt Länge des Eisbads und Kreislaufgesundheit abklären
- nie alleine Eisbaden gehen
- schon im Sommer mit Wechselduschen und Baden im Freien trainieren
- langsam anfangen und sich allmählich steigern
- Als grober Richtwert gilt: 10 Grad = 10 Minuten, 9 Grad = 9 Minuten, unter 2 Grad = 2 Minuten
- nicht unter Zeitdruck baden
- anfangs nur bis zur Hüfte ins Wasser, später bis zur Schulter
- Badeschuhe können bei empfindlichen Füßen helfen
- Kopf über Wasser halten und eventuell eine Mütze aufsetzen
- Kälteempfindliche Hände aus dem Wasser heraushalten
- beim Einstieg ins Wasser ruhig atmen
- das Eisbad als Wellness-Einheit und Me-Time genießen
- Nach dem Bad schnell abtrocknen und ins Warme, z.B. die Sauna
- für einen Trainingseffekt ein- bis dreimal die Woche rund zwei Minuten Eisbaden
- Notruf 112 wählen, wenn man eine Unterkühlung bemerkt und den Menschen langsam bei Zimmertemperatur aufwärmen (nicht zu schnell zu heiß!)