Aua! Die Oberarme protestieren, die Knie fühlen sich leicht schwammig an. Schon zwanzig Minuten geht es auf schmalen Eisentritten hinauf und hinauf.
Mit sattem Klonk treffen die festen Schuhe auf die Tritte, mit sanftem Surren versichert das Klettersteigset, dass es noch mitläuft am Drahtseil und bereit ist, im Notfall seine Dienste zu tun. Wie weit ist es wohl noch? Der Kopf wandert in den Nacken. Unter dem Helmrand peilen die Augen nach oben. Und entdecken die nächste Herausforderung: einen Überhang. Die Eisentritte ziehen zwar als beruhigende Linie weiter den grauen Fels hinan, aber leider kragt die Wand immer mehr über. Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen und ein paarmal beherzt durchziehen! Oben dann: Erleichterung. Durchschnaufen. Einen sicheren Stand suchen, vom Abhang zurücktreten, Arme und Beine lockern. Der Atem beruhigt sich, und langsam keimt Stolz auf, aus eigener Kraft hier oben zu stehen. Die Augen lösen sich vom Fels, wandern in die Ferne, nehmen das Panorama auf. Die Mundwinkel zucken in die Höhe, man erwischt sich dabei, wie irre zu grinsen und glücklich in die Sonne zu blinzeln.
Ja, so fühlt sich das Abenteuer Sportklettersteig an! Gut nämlich, sehr gut! Langeweile kommt keine auf, denn Sportklettersteige locken nicht nur mit körperlicher Herausforderung, sondern verlocken auch mit verspielten Details wie Hängebrücken und rasanten Abfahrten an Drahtseilen. Gipfelsiege stehen etwas im Hintergrund bei dieser auf Adrenalin ausgelegten Klettersteig-Spielart. Spaß sollen sie machen – und das tun sie.
Als erster Sportklettersteig gilt der »Mori«. 1976 wurde er hoch über der Ortschaft Mori in den Gardasee-Bergen erschlossen. Offiziell heißt er »Via attrezzata Monte Albano« und führt nach einer halben Stunde Zustieg steil in eine glatte Wand. Nach fünf bis zehn Minuten klettern kann man es sich noch mal überlegen: Ein Notausstieg hilft Verzagten beim Rückzug, denn einsteigergeeignet ist dieser anspruchsvolle Steig nicht.
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Nepalbrücken und Tyrolienne: der Reiz der Sportklettersteige
Seiner frühen Entstehung ist geschuldet, dass er keine neuzeitlichen Finessen wie eine Nepalbrücke oder eine Tyrolienne aufweist. Beides sind moderne Elemente, auf die kaum ein in den letzten Jahren entstandener Sportklettersteig verzichtet. Tyroliennes sorgen als Erweiterungen der bei Kindern beliebten Seilrutschen »Flying Fox« für Nervenkitzel: Das Klettersteigset in eine Rollenkonstruktion eingehakt, saust man mit teilweise rasanter Geschwindigkeit dem anderen Fixpunkt der Seilrutsche entgegen. Die Sicherungstechnik dabei ist einfach, man sollte sie sich aber trotzdem vorher von einem Experten zeigen lassen.
Nepalbrücken wiederum lassen Wagemutige auf einem Seil hoch über einer Schlucht im Wind hin- und herschwanken, karabinergesichert und die Hände um, je nach Ausführung, ein bis drei Haltedrahtseile geklammert. Fuß um Fuß geht es über die Luftbrücke. Wer Spaß daran hat, sollte sich am Schweizer Klettersteig Aletsch versuchen – mit 80 Metern die wohl längste Hängebrücke auf einem Klettersteig der Alpen.
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Sportklettersteige - sowohl für Anfänger als auch für Ambitionierte
Wem solche Abenteuer zu wagemutig vorkommen, der kann sich auch langsam an das Klettersteiggehen herantasten – und muss dafür nicht einmal unbedingt in die Alpen fahren. Kurioserweise haben sich mitten in Deutschland, fern der Berge, auch zwei Klettersteige einen Namen gemacht. Einer davon verläuft bei Boppard am Mittelrhein. Zehn Leitern, 130 Trittbügel und 180 Meter Drahtseil wurden hier verbaut, ein guter Weg, um die Basistechnik für Klettersteige zu erlernen. Alternativ geht man den sieben Kilometer langen Calmont-Klettersteig bei Bremm an der Mosel, der zweieinhalb Stunden lang durch die steilsten Weinhänge Europas führt. Höhenrauschpotenzial bietet er nicht, doch einen Einblick in das Klettersteiggehen vermittelt er schon. Alternativ begibt man sich in einen der vielen Hochseilgärten in Deutschland – eine gute Schule für den Umgang mit Nervenkitzel.
Die Nase vorn bei den fun- und action-orientierten Steigen haben jedoch die Franzosen. Vor allem im Süden, zwischen dem Val d‘Isère und Nizza, durchziehen schwindelerregende Eisenwege die Berge, zum Beispiel die Cascade de la Fraîche bei Pralognan La Vanoise. Bei den typischen Vertretern der französischen Art werfen sich aberwitzige Drahtseilbrücken über Abgründe, gischten Wasserfälle neben Aufstiegen zu Tal, und nach getaner Akrobatik winkt oft ein Bad im nahen Meer; dazu brennt die Sonne auf die hitzeflirrenden Felswände – ein unwiderstehlicher Mix aus Adrenalin und Naturerlebnis, gewürzt mit einem Spritzer Kinderspielplatz-Nostalgie. Damals stürzte man sich ebenso unbeschwert in Abenteuer, jedwedes Risiko völlig verkennend. Durch die perfekten Sicherungstechnik heute kann man wieder in das Gefühl des schwerelosen Fliegens tauchen – geht etwas schief, fängt einen jetzt eben statt des Papas ein Karabiner auf.
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Glossar: Diese Klettersteige werden unterschieden
1. Gesicherte Steige
Normale Bergwanderungen, auf denen einige Passagen mit Drahtseilen gesichert sind. Ein Klettersteigset wird in der Regel nicht benötigt.
2. Klassische Klettersteige
Mit Eisentritten, Leitern und Drahtseilen ausgerüstete Routen durch alpines Felsgelände. Sie enthalten in der Regel auch normale Gehpassagen. Ein Klettersteigset ist Pflicht, ebenso wie ein Helm. Handschuhe sind empfehlenswert.
3. Sportklettersteige
Sie besitzen wie die klassischen Klettersteige Eisentritte, Leitern und Drahtseile. Zusätzlich sorgen Seil- oder Hängebrücken, Seilrutschen und andere Spannungselemente für Nervenkitzel. Ein Klettersteigset zur Absicherung ist genau wie ein Helm Pflicht, Handschuhe sind empfehlenwert.
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Sportklettersteig Tipp 1: Klettersteig Aletsch/Wallis
Start: Staumauer in Blatten
Dauer: 4 Stunden
Über Stahltritte und Holzbalken führt der drei Kilometer lange Aletsch-Klettersteig in teils luftiger Höhe einmal um den Stausee Gibidium. Nach der Passage an der westlichen Seeseite überquert man die mit 80 Metern wohl längste Ferrata-Hängebrücke der Alpen und schaukelt dabei hoch über dem Zufluss des Aletschgletschers zum See. Am Ostufer wollen anschließend noch einige etwas ausgesetzte Partien gequert werden, bevor das zweite Highlight ansteht:
Eine 25 Meter lange Seilrutsche, eine sogenannte Tyrolienne (die man aber auch umgehen kann).
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Sportklettersteig Tipp 2: Stuibenfall/Ötztaler Alpen
Start: Parkplatz Ötzidorf
Dauer: 3 Stunden
Donnernd und grollend stürzt das Wasser des Stuibenfalls zu Tal – mit 150 Metern ist er der höchste Wasserfall Tirols. Auf dem vorbildlich angelegten Stuibenfall-Klettersteig kommt man ihm ganz nah. Die spektakulärste Perspektive bietet sich am Schluss, bei der Querung des Wasserfalls an seiner Austrittsstelle (per Drahtseilbrücke; Umgehung möglich), doch auch der Weg dorthin bietet schon spannende Klettereien und großartige Ausblicke. Viele Tritthilfen und eine perfekte Sicherung machen die Tour auch anfänger- und sogar familientauglich.
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Sportklettersteig Tipp 3: Crazy Eddy/Silz im Inntal
Start: Freizeitanlage in Silz
Dauer: 2 Stunden
Der Crazy Eddy trumpft mit Extras wie Zweiseilbrücke und doppelter Kettenspinne auf und entpuppt sich so als eine Mischung aus Klettersteig und Hochseilgarten. Das Vergnügen wird einem aber nicht geschenkt: Schon der Einstieg führt kraftraubend senkrecht hinauf, gefolgt von meist trittlosen, steilen Passagen. Das Spinnennetz kann, muss man aber nicht mitnehmen. Es liegt auf einem Abstecher beim Abstieg. Puristen sehen darin eine Degradierung des Steigs, andere schätzen den Gag. Leichtere Alternative oder in Kombi: der parallel verlaufende Crazy Eddy II.
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Sportklettersteig Tipp 4: Königsjodler/Berchtesgaden
Start: Parkplatz Erichhütte
Dauer: 11 Stunden
Elf Stunden Gehzeit, rund 2200 Höhenmeter, dazu große technische und psychische Anforderungen – den Königsjodler muss man sich hart erkämpfen. Doch die Strapazen könnten nicht besser investiert sein: Der Klettersteig gilt als einer der schönsten des Alpenbogens und lässt den Körper reichlich Adrenalin ausschütten. Auf dem kraftraubenden Weg zwischen Hochscharte und Hohem Kopf queren Klettersteiggeher dramatische Schluchten, rutschen rasant am Seil über den Sallerriss und genießen immer wieder von Logenplätzen das imposante Panorama.
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Sportklettersteig Tipp 5: Ésca à Peille/Seealpen
Start: im Ort Peille
Dauer: 3 Stunden
Verspielte Klettersteiggeher finden hier ihr Paradies: Mehrere Seilbrücken sorgen für Abwechslung, eine Tyrolienne für ordentlich Geschwindigkeit und ein Stahlnetz für den Zusatzschub Adrenalin. Wie ein Spinnennetz baumelt diese luftige Konstruktion vor dem senkrechten Fels und fordert und fördert die Konzentration. Eine gute Kondition sollte man allerdings mitbringen, um wirklich Spaß an der Éscale à Peille zu haben. Und nach dem Steig einfach an die nahe Côte d‘Azur fahren und in die blauen Fluten springen! (Ticket: 3 Euro; in der Bar l‘Absinthe in Peille).
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Sportklettersteig Tipp 6: Gamma Al Pizzo D´Erna/Bergamasker Alpen
Start: Talstation in Lecco
Dauer: 4 Stunden
Eher auf der klassischen Seite bleiben die italienischen Klettersteige – Hängebrücken & Co. findet man seltener. Für Fans von Himmelsleitern aber bietet sich der Gamma al Pizzo d‘Erna an: 22 Leitern bringen den Klettersteiggeher höher und höher – ein Abenteuer mit reichlich Luft unter den Sohlen (nach dem ersten Stück Notausstieg zum Rif. Stoppani). Der Mittelteil überrascht mit einer Hängebrücke. Nach dem Ausstieg noch rasch im
Rifugio Stoppani einkehren und schließlich entweder sportlich absteigen (1,5 Std.) oder mit der Seilbahn hinab ins Tal.
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Drahtseilakt: die besten Schuhe für Klettersteige
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