Bushcraft und Survival-Wochenende im Wald

Zurück in die Steinzeit
Bushcraft- und Survival-Wochenende im Wald

Ohne Feuerzeug, Kocher und Zelt wird ein harmloser Wochenendausflug schnell zu einer ernsthaften Survival-Herausforderung. outdoor-Redakteur Alex Krapp hat es versucht – und dabei an seinen "Bushcraft-Skills" gefeilt ...

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Foto: Ben Wiesenfarth

Zurück in die Steinzeit sind es nur ein paar Schritte: Man begebe sich für ein paar Tage in einen Wald und lasse die gewohnte Ausrüstung zu Hause. "Versuche es doch erst mal eine Nummer einfacher", hat mir Survival-Coach Lars Konarek geraten, der mich begleiten will. Und so baumelt, als ich eines Frühlingsmorgens mit Lars in den Schwarzwald gehe, ein großes Rambo-Messer an meinem Gürtel, im Rucksack habe ich ein Magnesium-Feuerstarterset, Schlafsack und Isomatte und ein kleineres Taschenmesser verstaut. Mein Frühstück bestand aus einer Butterbrezel, mein letztes Getränk war ein Kaffee im Zug nach Freiburg. Ein bisschen Ernstcharakter soll das Ganze schließlich haben. "Das Wichtigste in einer Überlebenssituation ist erst einmal, warm und trocken zu bleiben", sagt Exsoldat Konarek. Und das könnte schwierig werden, am Abend soll es regnen. Doch mein Survival-Coach lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er zeigt mir, wie man eine Notunterkunft baut.

Survival-Guide: Schlafplatz bauen

Dazu legen wir als Boden eine Fläche von der Größe einer Isomatte mit daumendicken Ästen aus. Ein drei Meter langer Ast dient als Firststange, gehalten wird sie von einem Giebel aus zwei kleineren Ästen. Das Grundgerüst für diese Dackelgarage steht in zehn Minuten. Bis wir das Holz für die Dachsparren besorgt haben, die im Abstand von etwa fünf Zentimetern seitlich an den First gelehnt werden, dauert es schon etwas länger. Dann müssen die Zwischenräume mit Fichtenreisig bedeckt werden. Nach einer ganzen Weile fehlt nur noch die Abdeckung. Dazu schaffen wir Laub heran, viel Laub. "Gut einen halben Meter dick muss die Blätterschicht sein, sonst tropft es irgendwann durch", sagt Lars. Es wird Nachmittag, bis die Notunterkunft endlich steht.

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Ben Wiesenfarth
Vorausgesetzt, es finden sich genügend Äste und ausreichend Laub, kann man ganz ohne Werkzeug in wenigen Stunden eine solide Notunterkunft errichten, die selbst ergiebigen Regengüssen standhält.

Zu Hause hätte ich schon längst über 1000 Kalorien auf der Habenseite. Den halben Tag lang haben wir Äste gesucht, Laub herangetragen und das Dach gedeckt. Ich bin durstig und könnte etwas essen, aber noch fühle ich mich gut. "Wo schläfst du eigentlich?" frage ich unschuldig, als ich in der Einpersonenhütte Probe liege. Der Survival-Trainer winkt ab und verweist auf seinen gummierten Bundeswehrschlafsack, von dessen Wärmeleistung ich nicht im Geringsten überzeugt bin. Er wird wissen, was er tut.

"Wenn man ein trockenes, halbwegs warmes Plätzchen gefunden hat, kann man sich ums Trinkwasser kümmern", sagt Lars. Ohne Flüssigkeit überlebt ein Mensch nur drei bis vier Tage, ohne Essen hält man es auch schon mal ein paar Wochen aus. Doch wer schlechtes Wasser trinkt, bekommt Durchfall und verliert sehr schnell sehr viel Flüssigkeit. Das kann in der Wildnis ein Todesurteil sein. In 20 Gehminuten Entfernung fließt ein Bach mit klarem, kaltem Wasser, von dem wir ein paar große Schlucke nehmen. Gäbe es ihn nicht, müssten wir Regen auffangen oder sogar Wasser aus Pfützen abkochen. Dazu braucht man erstens ein Gefäß und zweitens Feuer. Womit wir bei der Survival-Technik schlechthin wären.

Survival-Guide: Feuer machen

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Ben Wiesenfarth
Eine windgeschützte Mulde ist Voraussetzung für ein Feuer. Eine Schritt-für-Schritt Anleitung gibt es in unserer Fotostrecke.

In der Steinzeit hieß Feuer machen entweder Funken schlagen oder Feuer drehen, will heißen, mit einem Holzstock so lange auf einer Unterlage reiben, bis genügend Hitze für eine Flamme entsteht. Doch Feuer drehen ist wie Schwimmen, man sollte es können, bevor man es tun muss. Für den Anfang versuchen wir es mal mit einem Feuerstarterset. "Das wird schon schwer genug für dich werden", sagt Lars.

Feuer machen bin ich seit Kindertagen gewohnt, aber ohne Feuerzeug, Streichhölzer und ohne Zeitungspapier, Spiritus oder Grillanzünder habe ich es noch nie versucht. Lars macht sich auf die Suche nach dem Anzündmaterial, das durch Funkenschlag in Brand geraten soll, ich werde das restliche Holz besorgen. Die verdorrten Äste, die im unteren Bereich von Kiefern von den Stämmen abstehen, eignen sich ideal, um eine Flamme so weit zu nähren, dass man damit dickere Äste zum Brennen bekommt, denn selbst bei Nässe bleibt Kiefernholz innen trocken. Ich knicke drei Häufchen in unterschiedlicher Stärke zurecht, etwa ein, zwei und drei Millimeter dick, jeweils eine Handvoll. Griffbereit lege ich sie neben eine Kuhle, die ich mit einem Holzboden ausgelegt habe. Springt der Funke dann über, wird alles ganz schnell gehen müssen. Als ich damit fertig bin, ist Lars noch immer auf der Suche.

Zum ersten Mal heute finde ich die Zeit für eine kleine Pause, und ich merke, wie müde ich langsam werde. Survival strengt an. Das Durstgefühl wird stärker, ich fühle, wie sich ein leichter Druck hinter meiner Stirn aufbaut, Hunger habe ich merkwürdigerweise nicht.

Survival-Regel Nr. 1: Nerven behalten!

Nach einer Weile kommt Lars, die Hände voll mit Anzündmaterial: Welke Blätter vom Vorjahr, die vereinzelt noch an sehr jungen Bäumen wie Buchen hängen. Sie sind so trocken, dass sie sich auf der Handfläche zu Pulver zerstoßen lassen. Irgendwo hat er auch eine distelartige Pflanze gefunden. Wir zerkrümeln sie und legen sie auf ein Bett aus den zerrissenen Buchenblättern. "Müsste funktionieren", murmelt Lars. Dann kommt der spannende Moment. Mit dem Eisenblatt des Feuerstartersets schabe ich am Magnesiumstab entlang. Feuerspritzer fliegen auf die Blätter, aber es tut sich nichts. "Du musst dickere Funken schlagen, mit mehr Druck", rät Lars. Nach etlichen Malen steigt hin und wieder ein dünner Rauchfaden auf, ich wage aber nicht, hinein zu blasen, aus Angst, alles wieder auszupusten.

Nach einer gefühlten Viertelstunde verliert der Survival-Trainer die Geduld. "Lass mich mal", sagt er. Ich erwarte, dass der Experte auf Anhieb ein Feuer hinzaubert. Doch auch er muss schaben und schaben. Wichtige Regel beim Survival: Nerven behalten.

Ich glaube schon nicht mehr daran, als endlich ein zartes Flämmchen aufzüngelt. Jetzt kommt der Zunder zum Einsatz. Geschickt stapelt Lars die kleinen Reisigstöckchen so im Kreis, dass sie sich über der Flamme abstützen. "Der heißeste Punkt einer Flamme liegt über ihrer Spitze", sagt er. Als die dünnen Äste Feuer gefangen haben, nehmen wir die dickeren, und so arbeiten wir uns hoch, bis endlich ein richtiges Feuer brennt. Inklusive Materialsuche hat das locker zwei Stunden gedauert, wie lange wir bei Nässe, im Schnee oder gar bei Regen gebraucht hätten, will ich gar nicht wissen. Doch für Gemütlichkeit bleibt keine Zeit.

Es wird dunkel, und die Regenfront zieht herein

Jetzt laufen wir durch den Wald und schaffen mehr Brennholz heran. Immer wieder stolpere ich über Äste, ich bin ziemlich erschöpft. Ein paar Minuten am Feuer ausruhen, dann wieder Holz holen. Es regnet recht stark, nur ein großes Feuer wird die Nässe überstehen, immer mehr Holz muss her. Gegen Mitternacht bin ich total fertig, mir schmerzt der Schädel vor Durst, meine Gedanken kreisen um die Behaglichkeit meiner Notunterkunft. Doch das Feuer muss brennen.

Wie ein tanzender Derwisch zieht Lars dicke Äste aus dem Unterholz und schmeißt sie in die Flammen. "Leg dich ruhig hin", sagt er ein ums andere Mal. Nichts würde ich lieber tun, aber ich will nicht als Kameradenschwein dastehen. Der feine Herr legt sich ins gemachte Nest, während andere im Regen stehen und die Arbeit machen. Guten Willens taumele ich noch ein paar Mal durchs Unterholz und schleppe Brennholz. Immer langsamer werde ich, komplett erledigt bin ich. Lars beobachtet mich. "Ich muss das sowieso immer wieder üben, du kannst dich wirklich ruhig hinlegen", beteuert er. Einmal noch, dann ist die Erschöpfung größer als die Survival-Ehre. Ich lege mich in die Hütte. Lange ärgere ich mich nicht mehr über meine Schwäche. Noch ein paar Mal höre ich, wie Lars Bäume auf das Feuer zieht, dann falle ich in einen brunnentiefen Schlaf.

Brennnesseln zum Frühstück

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Ben Wiesenfarth
Pflanzen essen will gelernt sein, längst nicht alle sind genießbar! Wer sich davon nachhaltig ernähren will, muss mehrere Stunden am Tag "grasen".

Am Morgen regnet es nicht mehr. Unser Lager ist eine einzige Schlammsuhle, die Hütte hat aber dicht gehalten. Mein Kopf schmerzt, als hätte ich zu viel getrunken, Lars sitzt müde vor dem Feuer, er hat erst etwas geschlafen, als der Regen nachließ. Ich fühle mich wie ein Zombie. Wie in Zeitlupe bewege ich mich, Sprechen und Denken fällt schwer.

Zum Frühstück gibt es ein paar Schluck Wasser aus dem Bach, außerdem zeigt mir Lars ein paar essbare Pflanzen, am ergiebigsten sind ein Brennnesselgebüsch und ein paar Gierschpflanzen. Die Brennnesseln faltet Lars vorher zusammen, damit sie nicht so stechen. "Wenn du dich davon nachhaltig ernähren willst, musst du zur Kuh werden und jeden Tag ein paar Stunden grasen."

Survival-Guide: Trinkgefäß bauen

Jetzt kommen die Gefäße dran. Wir brauchen für sie Birkenrinde und Harz. Letzteres findet sich an den von Borkenkäfern befallenen Kiefern schnell, weiß und klebrig tritt es an vielen verletzten Stämmen hervor, mit dem Messer kratzen wir es ab. Die Suche nach geeigneter Rinde gestaltet sich schwieriger. Auch Lars‘ geübtes Auge findet keine – nächste Lektion: Survival bedeutet auch, immer wieder das Verhältnis zwischen Nutzen und Aufwand abzuwägen. "Macht man das eine richtig, macht man gleichzeitig das andere falsch", sagt Lars. Will heißen: Mit einem Behälter spart man sich vielleicht ein paar Gänge zum Bach, muss man aber zwei Tage nach den Materialien dazu suchen, macht ein Birkengefäß keinen Sinn mehr.

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Ben Wiesenfarth
Flüssiges Harz hilft beim abdichten. Die Schritt-für-Schritt Anleitung gibt es in unserer Fotostrecke.

"Wenn es hier keine Birken gibt, versuchen wir es eben mit Buchenrinde, sie bricht zwar leichter, funktioniert aber auch." Lars faltet die Rinde zu einer Schale zusammen. Aus gespaltenen Aststücken schnitze ich ein paar Klammern zurecht, die sie fixieren sollen. Das Rambomesser erweist sich für diese Schnitzarbeiten als zu grob, ausgelaugt wie ich bin, schneide ich mir erst einmal in den Daumen damit. Lars achtet kaum darauf. Auf einem heißen Stein schmilzt er schon das Harz zum Abdichten. Ich drücke es mit einem Stock in die Nähte der Rindenschale. Rauch weht mir dabei ins Gesicht, mein Kopf pocht, und meine Koordination hat sich in den letzten 24 Stunden auch nicht eben verbessert. Nerven behalten. Noch eine Naht abkleben, dann bin ich fertig. Aus einem nahe gelegenen Tümpel schöpfe ich Wasser. Das Gefäß hält dicht. Zum Abkochen legen wir heiße Steine hinein. Es zischt. Mit Feuer, Gefäß und Hütte wären wir jetzt fürs Erste über den Berg.

Letztes Sonnenlicht fällt in Streifen durch die Bäume und fängt sich im Rauch des Feuers. Zum ersten Mal kommt so etwas wie Entspannung auf. Die Nacht wird lauschig, und am nächsten Morgen verlassen wir den Wald. Ich bin müde und habe Hunger. Ein wenig bin ich aus meiner Komfortzone herausgekommen, doch ohne Messer und Feuerstarter wäre ich geliefert gewesen. Das war jetzt Survival für Anfänger. Bis in die Steinzeit zurück ist es eben doch ein langer Weg.

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