Auf dem Meer scheint ein zappelnder Teppich zu liegen. Der Vergleich mag seltsam klingen, aber so sieht es nun einmal aus, wenn ein Makrelenschwarm dicht an der Wasseroberfläche schwimmt. Vielleicht sind die Tiere auf der Jagd nach den Jungen anderer Fische, denn nach ihrer Laichzeit im Sommer begnügen sich Makrelen nicht mehr nur mit Plankton, sondern werden zu hungrigen Räubern, die auf Gruppenerfolg setzen.
So erklärt es Kyrre, ein weißbärtiger Typ, für den das Wort »Seebär« erfunden worden sein muss. Man kann mit ihm zum Fischen hinausfahren, in den Gewässern am Nordende der Vesterålen-Insel Langøya. Er nutzt sein großes Schlauchboot aber auch für »Puffin Safaris «, also Papageientaucher-Beobachtungen – und als Wassertaxi für Wanderer, die nach einer acht Kilometer langen Wanderung mit viel Auf und Ab nicht noch sieben Kilometer an der Küste entlang zum Ausgangsort Nyksund zurücklaufen wollen. Und natürlich bietet sich bei gutem Wetter eine Taxi-Safari-Kombi an.
Wanderziel Vesterålen?
Auch Nordfreunde wissen über die Inselgruppe in Nordnorwegen oft nur, dass sie die direkte Nachbarin der Lofoten ist. Die Lofoten haben es dank geschickterem Marketing bei uns zu mehr Bekanntheit gebracht, steile Felsberge im Sonnenschein und riesige Trockenfischgestelle tauchen vor dem inneren Auge auf. Vesterålen hingegen – im Norwegischen ist der Name ein Singular – präsentiert sich dem Besucher ebenfalls reich an Fisch, sowohl frisch wie auch getrocknet, daneben aber überraschend grün. Grüne Weideflächen, grüne Buschwälder, grünes Heidelbeergebüsch. Und unprätentiös, es strahlt diese Ruhe aus, die dünn besiedelte Landschaften mit mäßigen Besucherzahlen besitzen. Etwa 32 000 Einwohner verteilen sich auf eine Fläche, die um ein Fünftel größer als das Saarland ist. Brücken verbinden die Hauptinseln miteinander, und auch aufs Festland kommt man ohne Fähreinsatz.
Dass Vesterålen eigentlich ein besseres Wanderziel abgibt als die Lofoten, haben die Bewohner auch noch nicht im großen Stil kommuniziert. Doch sie üben den Wandersport dafür umso eifriger aus. Tatsächlich sind die meisten Berge hier weniger steil als auf der berühmteren Nachbarin, und obwohl die Anzahl der schriftlichen Wanderführer sich leider sehr in Grenzen hält, überziehen zahlreiche markierte Pfade die Inseln. Sich in Gipfelbücher einzutragen ist Ehrensache, und das nicht nur auf echten Bergen wie dem Møysalen, dem mit 1262 Metern höchsten Gipfel von Vesterålen: Auch auf niedrigeren Erhebungen wie dem »Urdtinden« (490 m) unweit der Stadt Sortland findet man eins. Wer ein wenig blättert, anstatt nur fix Namen, Herkunft und Datum einzutragen, wird feststellen, dass einheimische Wiederholungstäter keine Seltenheit bilden.
Nr. 1 auf der Vesteralen To-Do-Liste: Dronningruta
Zu den spektakulärsten Wanderungen gehört zweifellos die »Dronningruta«: die Tour auf Langøya, die sich so gut mit der Papageientaucher- Safari verbinden lässt. Seinen Namen erhielt der Weg, weil die norwegische Königin Sonja sich im Jahr 1994 ganz begeistert von ihm gezeigt haben soll. Vorsicht, Verwechslungsgefahr: Die offizielle, von der Königin persönlich eingeweihte »Dronningruta« liegt in der Hardangervidda im Süden des Landes. Das schert die Nordnorweger aber nicht ... Vom einstigen Fischerdorf Nyksund geht es hierrasch bergauf, die bunten Häuser sind bald spielzeugklein. Dahinter leuchtet blau das Meer, wenn man einen schönen Tag erwischt, und auf einige etwas ausgesetzte Passagen – ein kurzes Stück ist sogar seilversichert – folgt eine verwunschen wirkende Hochebene. Das anschließende Auf und Ab bringt Wanderer auch bei frischen Temperaturen ins Schwitzen, doch spektakuläre Blicke auf kleine Seen, einsame Gipfel und immer wieder das Meer machen die Anstrengung mehr als wett. Und wenn dann nach etwa fünf Stunden der Abstieg zum kleinen Küstendorf Stø beginnt, flucht höchstens, wer an Knieproblemen leidet. Unten angekommen, locken zwei ganz unterschiedliche Pausenplätze: zum einen der Strand Skipssanden. Zum anderen das bescheiden wirkende Restaurant des kleinen Campingplatzes Stø Bobilcamp, wo es zum Kaffee (retromäßig wird einfach eine Thermoskanne an den Tisch gebracht) leckeren Schokoladenkuchen gibt.
Paradies für Angel-Freunde und Outdoorer: Nyksund
In Nyksund, wo die meisten Wanderer die Dronningruta beginnen und beenden, verbringt man am besten auch mindestens eine Nacht. Diese Handvoll Häuser direkt am Hafenbecken verströmt eine besondere Stimmung, ruhig und besonnen, ein friedliches Ende der Welt. Vor 100 Jahren gehörte es zu den wichtigsten Fischumschlagplätzen der Inselgruppe, und in 90 Zentimeter schmalen Stockbetten schliefen die Arbeiter nicht nur abwechselnd in Schichten, sondern das auch noch in Zweierbesetzung. Ein paar dieser Betten stehen heute noch, neben zahlreichen weiteren Möbeln und Geräten aus den Hochzeiten Nyksunds, im Gästehaus Holmvik Brygge. Man muss einander schon sehr lieb haben, um es den Fischern in puncto Bettenbelegung nachzutun ...
Jahrzehntelang war Nyksund übrigens verlassen, denn in den 1970er Jahren beschloss die Regierung, dass solche Fischerdörfer durch Faktoren wie medizinische Versorgung zu teuer seien. So begannen Umsiedlungsprogramme, und regelrechte Zweckstädte wie etwa Myre entstanden. Kurz vor der Jahrtausendwende entdeckten dann diverse Freigeister die verfallenden Fischerhäuser und begannen, einige wieder in Schuss zu setzen und für Touristen attraktiv zu machen.
So interessant es wohl wäre, länger als ein paar Tage in Nyksund zu bleiben und den Alltag seiner wenigen Bewohner kennenzulernen: Dafür bleiben die wenigsten Besucher lange genug. Ein Großteil sucht indes mit der Insel Andøya noch den hohen Norden von Vesterålen auf. Für Wanderer bildet dort die neun Kilometer lange Küstentour von Stave nach Bleik mit Abstecher auf den Aussichtsgipfel Måtind (408 m) eins der Highlights, Pfade im Hinterland lassen eine schöne, aber lange Rundtour daraus werden. Vor allem an warmen Tagen genießt man am kilometerlangen weißen Traumstrand von Bleik Südseeflair. Berühmt ist dieser Teil Vesterålens auch aufgrund von Walen, denn Andenes im äußersten Norden der Inseln gilt als der norwegische Ausgangspunkt schlechthin für Beobachtungstouren per Boot. Pottwale finden hier dicht an der Küste reichlich Nahrung und suchen die Gewässer deswegen nicht nur auf der Durchreise auf.
300 Kilometer über dem Polarkreis: In welchen Breitengraden man sich bewegt, vergisst man auf Vesterålen aufgrund der Temperaturen leicht. Dank Golfstrom, der mehr oder weniger direkt an der Inselgruppe entlangfließt, fällt das Klima viel milder aus als andernorts in ähnlich hohen Breiten. Der Wärmerekord für Juli lautet 31 Grad Celsius, wenngleich das Monatsmittel um die Hälfte darunter liegt. Die Lichtverhältnisse im Sommer hingegen erinnern zuverlässig an die Nordlage. Wie skurril es doch ist, bei strahlendem Sonnenschein aufzuwachen und festzustellen, dass es vier Uhr morgens ist! Oder um 23 Uhr den Sonnenuntergang zu bestaunen.
Noch großartiger: das Schauspiel der Mitternachtssonne, die stolze zwei Monate die Dunkelheit fernhält. Aber so sehr man in den ersten Tagen den Energieschub genießt, den das Licht Körper und Geist beschert, muss man dann aufpassen, genügend Schlaf zu finden – mit Schlafdefizit lässt sich nicht gut wandern. Also heißt es Zimmer verdunkeln oder, vor allem bei Zeltnächten, Schlafmaske nutzen. Fantastisch wiederum ist, dass man sich seinen eigenen Rhythmus aussuchen und eine Stirnlampe getrost vergessen kann. Einheimische kommen gar nicht erst auf den Gedanken, wie Alpenwanderer »um sechs am Berg« sein zu wollen. Schließlich besteht in den Bergen der Vesterålen nachmittags auch viel seltener Gewitterrisiko. Wer nach einer ausgiebigen Tour den Tag mit Fischgenuss krönen will, tut allerdings gut daran, nicht zu spät abends am Restauranttisch zu sitzen. Denn auch wenn die Nordnorweger mit der Spezialität Bacalao ein Gericht so ähnlich wie die Portugiesen zubereiten: Mediterrane Essenszeiten herrschen nicht.
Planen:
Fakten
Die norwegische Inselgruppe Vesterålen ist mit 3000 km² Fläche etwas größer als das Saarland und mit etwa 32 000 Bewohnern nur dünn besiedelt. Sie liegt rund 300 Kilometer über dem Polarkreis. Dank Golfstrom fällt das Klima dafür sehr mild aus. Brücken verbinden die Hauptinseln miteinander.
Hinkommen
Wer von Frankfurt nach Skagen unweit von Sortland fliegt, muss etwa neun Stunden Reisezeit und zwei Zwischenlandungen in Kauf nehmen. Um 600 Euro, sas.com
Herumkommen
Da die Vesterålen weitläufig sind und kaum Linienbusse fahren, empfiehlt sich ein Mietwagen. Direkt am
kleinen Flughafen Skagen ist Avis vertreten: avis.com
Beste Reisezeit
Wanderer kommen am besten zwischen Anfang Juli und Mitte August (um 14° C). Die Mitternachtssonne scheint vom 23. Mai bis 23. Juli.
Surfen
visitvesteralen.com,
visitnorway.com
Unterkunft:
Holmvik Brygge
Das Gästehaus im ehemaligen Fischerdorf Nyksund ist ein lebendiges Museum: Mit Liebe und Eigenarbeit haben die Betreiber es restauriert. Neben Zimmern mit Gemeinschaftsbad und -küche gibt es drei Ferienwohnungen. DZ 850 NOK (99 Euro). nyksund.com
Strandhäuser in Bleik
Am Strand von Bleik auf der Insel Andøya bieten drei geräumige Holzhäuser Traumblick aufs Wasser und Platz für bis zu sechs Personen. 1600 NOK (186 Euro) pro Nacht. andrikkenhotell.no
Camping Møysalen
Der vom »Møysalen Nasjonalparksenter « betriebene Campingplatz ist eine gute Basis für Touren zum höchsten Berg der Insel. Preis für zwei Personen mit Zelt: 120 NOK (17 Euro). moeysalen.no
Sortland Hotell
Das Hotel in der »Hauptstadt« Sortland bietet sich an, wenn man nach mehreren Zeltnächten Komfort und
ein üppiges Frühstücksbuffet zu schätzen weiß. DZ/F ab 1295 NOK (150 Euro) sortlandhotell.no
Essen:
Holmvik Stua
Das urige Fischrestaurant in Nyksund gehört zum Gästehaus Holmvik Brygge. Die Besitzer verwenden vor allem Zutaten aus der Region. Sehr zu empfehlen: die »Dorschzungen«. nyksund.com
Stø Bobilcamp
Wer die Dronningruta wandert, sollte unbedingt im kleinen Restaurant des Campingplatzes von Stø Pause machen und Schokokuchen essen. Zum Angebot gehören auch Elchund Fischgerichte. stobobilcamp.no
Orientieren:
Karte
Turkart 2645 Vesterålen, Nordeca Verlag, 1 : 100 000, 24,95 Euro. Bezug z. B. über freytagberndt.com
Wanderführer
Im Juli erscheint ein Wanderführer »Lofoten und Vesterålen«, 14 der 50 beschriebenen Touren spielen sich auf den Vesterålen ab. A. und T. Kostial, Bergverlag Rother, 24,95 Euro.
Erleben:
Walsafari
Andenes ganz im Norden der Vesterålen ist ein Topspot für Walbeobachtungen.
whalesafari.no
Rentiere hautnah
Auf der Farm von Laila und Arild Inga unweit von Sortland kann man viel über Rentiere und die Arbeit mit ihnen lernen. inga-sami-siida.no