Manche mögen´s leicht: Leichtgewichtstrekking auf Gran Canaria

Trekkingtour mit Leichtgewichtsgepäck
Manche mögen´s leicht: Leichtgewichtstrekking auf Gran Canaria

Durch Gran Canaria mit so wenig Gepäck wie nötig: Ein Selbst­versuch der outdoor-Redakteure Gunnar Homann und Boris Gnielka in vier Etappen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich beim Wandern unglücklich zu machen. Manche ziehen die falschen Schuhe an. Andere setzen den falschen Rucksack auf. Am zuverlässigsten vermasselt sich aber die Tour, wer zu viel Gepäck schleppt. Wer dagegen auf Glück und Naturgenuss besteht, der reduziert seine Last. Am leichtesten fällt das, wenn man jeden Abend eine Pension aufsucht. Das spart Zelt, Schlafsack und eine Menge Proviantgewicht. Andererseits wartet nicht überall eine Unterkunft, und Nächte unter freiem Himmel bleiben nun einmal unschlagbar, jedenfalls wenn es nicht regnet. Und so kamen wir auf Gran Canaria, einen Ort, an dem es so gut wie nie regnet. Beide waren wir schon dort, der Kollege Boris Gnielka von der Ausrüstungsredaktion schon dreimal, ich einmal – nass geworden sind wir dabei nie.

Gran Canaria ist abgesehen von wenigen unschönen Flecken an der Küste eine Wildwest­insel, durchzogen von Barrancos, einsamen Schluchten, die sich sternförmig um die zentralen Gipfel der Insel ausbreiten, den Pico de las Nieves (1951 m) und den Roque Nublo (1803 m).

Der Plan: So leichtfüßig wie möglich vom Bergdorf San Bartolomé, auf 900 Meter Höhe südlich des Roque Nublo gelegen, bis nach San Nicolas drüben an der Westküste ziehen. Vier Tage geben wir uns für die etwa 70 Kilometer durch Schluchten und über Berge; am Anfang und am Ende werden wir ein festes Dach über dem Kopf haben, im einsamen Inselinneren aber wollen wir nachts in den Sternenhimmel schauen. Kein Zelt steckt in unseren Rucksäcken, als wir von der Hacienda del Molino, einer zum Landgasthof hergerichteten ehemaligen Mühle, bergan in die Einsamkeit streben. Auch Regenjacke und Regenhose liegen zu Hause, außerdem Deo, Handtuch, das vierte, dritte und zweite Set Wechselwäsche sowie der dritte und zweite Kochtopf. Die aufblasbare, aber schwere und plattfußanfällige Isomatte haben wir durch wildwestkompatible und 440 Gramm leichte Schaummatten ersetzt. Als Proviant müssen uns sieben Tütensuppen und dreißig Riegel reichen. Macht zusammen acht Kilo für jeden. Eigentlich. Das Dumme: Gran Canaria ist ein Ort, an dem es so gut wie nie regnet. Die vier Liter Flüssigkeit, die jeder von uns schleppt, sind also nicht übertrieben. Aber sie kommen noch einmal obendrauf auf unsere acht Kilo.

Trocken sieht die Insel aus

OD Gran Canaria
Boris Gnielka
In den felsigen Bergen freut man sich über jede Quelle.

Trockener noch als bei früheren Besuchen: Das Wasser in den Auffangbecken steht niedrig, eine Quelle, die Gnielka kennt, ist versiegt. In den braunen, felsigen Bergen halten sich nur genügsame Tabaibabüsche, Feigenkakteen und in den höheren Lagen die Kanarenkiefern. Mit ihren langen Nadeln fangen sie die kleinsten Tropfen Feuchtigkeit aus der Luft.
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Leichtgewichtstrekking auf den Kanaren: Sträucher, Kiefern und Kakteen

Mit gemischten Gefühlen steigen wir auf Bergpfaden dem Roque Nublo entgegen, dem Wahrzeichen von Gran Canaria: Ein sechzig Meter hoher Felsklotz, der weithin sichtbar auf einem Felsplateau über der Insel thront. Aber so schnell, wie wir uns das gedacht haben, geht es nicht. 1150 Höhenmeter sind auch auf Gran Canaria 1150 Höhenmeter, und ab halb elf sticht die Sonne. Die Trinksysteme leeren sich schnell, und wir fragen uns, wie wir die dritte und vierte Etappe unserer Tour überstehen werden. Denn auf der Strecke liegt kein Ort, an dem wir unsere Wasservorräte auffüllen können, die einzige Hoffnung ist eine Quelle, die auf keiner Wanderkarte verzeichnet ist, an der Gnielka aber mal vorbeikam – vor elf Jahren. »Die ist bestimmt schon längst versiegt, so trocken, wie das ist.« Manchmal wäre es mir lieber, wenn er leise nachdenken würde. Recht hat er dennoch: Trocken ist Gran Canaria und verlassen. Stundenlang begegnet uns kein anderer Wanderer. »Im Oktober kommen nicht mehr viele«, hat Carlos Ruiz von der Casa Molina in San Bartolomé gesagt. Trotzdem hat sich etwas getan auf der Insel: War man früher ganz auf Karten und Wanderführer angewiesen, weisen nun vereinzelt Schilder den Weg.

OD Gran Canaria
Boris Gnielka
Am Abend beginnt die Zeltplatzsuche. Eine schöne Stelle findet sich leicht.
OD Gran Canaria
Boris Gnielka
Bis zu vier Liter Wasser benötigen Wanderer an heißen Tagen.

Nach sechs Stunden gehen wir endlich über das Gipfelplateau dem hoch aufragenden Roque Nublo entgegen. Wind pfeift um den gewaltigen Brocken, nach und nach vertreibt er auch die letzten Tagesausflügler, die von der Straße heraufgekommen sind. Als die Sonne ihren rötlichen Schimmer über die Felsen legt, rollen wir die Matten aus, kriechen in die Schlafsäcke, lassen uns vom Wind zersausen und genießen den Blick hinab. Scharf zeichnen sich die Silhouetten von Tafelbergen und mehreren hintereinanderliegenden Graten gegen die Wolken über dem Meer ab. Der Wind bläst die ganze Nacht; der Mond, fast voll, leuchtet so hell, dass wir auch die Stirnlampen hätten zu Hause lassen können. Wir vermissen nichts, nur den Komfort einer aufblasbaren Matte. Im Westen leuchtet das Ziel: Der Ort San Nicolas, nur ein paar Kilometer vom Meer entfernt.

Der Tag steht wieder im Zeichen des Wassers: Bis zwölf Uhr müssen wir 800 Höhenmeter tiefer in der Ortschaft Tejeda sein, um noch rechtzeitig vor der Siesta unsere Vorräte aufzufüllen. Das treibt das Tempo nach oben, schade, denn der Weg führt auf Pfaden hinab durch Felsen, es duftet nach Kiefernwald und Süden, einmal begegnen wir Schafen. Und die ganze Hetze wäre gar nicht nötig gewesen – der Markt im schmucken Tejeda schließt erst um ein Uhr. Auf dem Platz vor der weiß getünchten Kirche genießen wir unter einem Drachenbaum Weißbrot, Avocado und Oliven.

Leichtgewichtstrekking auf Gran Canaria: Zeltabenteuer mit sternenklaren Nächten

Hinter dem Ort tauchen wir für die nächsten zweieinhalb Tage in der Wildnis ab. Wenn Gnielkas geheimnisvolle Quelle nicht auftaucht, wird es eng werden mit dem Wasser, auch wenn die Tanks randvoll sind. Insgesamt 9,5 Liter torpedieren die Leichtgewichtsidee empfindlich, zumal wir alles erst einmal wieder 500 Höhenmeter hinauf zum Montaña del Humo buckeln müssen. Doch oben angekommen, geht es nur recht sanft bergauf und bergab, immer unterhalb des nach Westen ziehenden Berggrats Richtung Küste, manchmal entlang recht steiler Flanken, fast immer mit Blick auf Schluchten. Der Boden federt unter den Füßen, würziger Geruch steigt in die Nase, die Berge bilden spitze Kegel, lose besetzt mit Kiefern wie auf chinesischen Gemälden. Und auch wenn längst die Salzkrusten in den Klamotten stehen, wir längst nicht mehr schwiegermutterkompatibel riechen und nicht wissen, ob es die Quelle gibt oder nicht: Hier beginnt die Kür dieser Tour, hier läuft alles wie selbst, und hier stellt sich die Leichtfüßigkeit ein, die wir uns erhofft haben. Zwei perfekte Schlafplätze krönen die Tage, der letzte auf dem Montaña de Ojeda an einer Steilkante. Wolken brechen sich an ihr, der Wind drückt sie wieder hinab; wir betrachten auf Augenhöhe das ständig neue Aufquellen und Wirbeln, bis die Sonne dicht über dem Horizont steht, die Wolken sich verziehen und in der Ferne sogar der Teide auftaucht, der höchste Berg von Teneriffa (3718 m).

Und Gnielkas Quelle? Die gibt es noch. Sie liegt auf 1210 Meter Höhe auf der Nordseite des Montaña de Ojeda versteckt – und hat inzwischen sogar einen Wasserhahn. Manchmal macht man sich vielleicht ein paar Sorgen zu viel. Es gibt eben verschiedene Möglichkeiten, sich beim Wandern unglücklich zu machen.

OD Gran Canaria
Boris Gnielka
Beim Leichtgewichtskochen hält sich der Abwasch in Grenzen.

Gran Canaria: alle Infos für die Trekking-Planung

Allgemein:
Gran Canaria liegt 250 Kilometer westlich von Afrika im Atlantik – auf derselben geografischen Breite wie Südmarokko. Nur ein kleiner Teil der 48 Kilometer langen und 55 Kilometer breiten Insel wird vom Badetourismus bestimmt: Hauptsächlich die Südküste um Maspalomas. Im Landesinneren lernt der Wanderer Gran Canaria von seiner stillen Seite kennen. Höchster Berg ist mit 1951 Metern der Pico de las Nieves.

Anspruch:
Die vorgestellte Wanderung erfordert mittlere Kondition und gelegentlich etwas Trittsicherheit. Stellenweise fällt die Orientierung schwer, da der Weg nicht durchgehend ausgeschildert ist. Prinzipiell sollten Wanderer auf Gran Canaria jede MöglichkeIt nutzen, den Wasservorrat aufzustocken.

Anreise:
Beispielsweise ab Frankfurt-Hahn mit Ryan Air oder mit TUI ab Frankfurt International Airport.

Beste Zeit:
Auf Gran Canaria ist wandern ganzjährig möglich, in Februar und März ist es dort am grünsten.

Unterkunft:
Eine komfortable und stilvolle Übernachtungsmöglichkeit sind die 100 über ganz Gran Canaria verstreuten Landhäuser, -hotels und Ferienwohnungen von Gran Canaria Natural, im Internet unter www.grancanaria.com/natural. Am Startort der Wanderung, San Bartolomé, empfiehlt sich die umgebaute Mühle La
Hacienda del Molino (8 Zimmer), www.lahaciendadel
molino.com. Wer am Ziel in San Nicolas eine Woche entspannen will, der findet in der Casa Rural el Molino ein hübsch hergerichtetes Landhaus mit Jacuzzi, Sauna und einen kleinem Pool vor. Im Internet zu finden unter www.casasruralescanarias.es

Literatur:
Gran Canaria, Izabella Gawin, Rother Berg­verlag 2008, 142 Seiten, 12,90 Euro. Gran Canaria, Noel Rochford, Sunflower 2003, 136 Seiten, 12,70 Euro.

Karte:
Kompass Wanderkarte 237, Gran Canaria, 1:50000, 8,95 Euro. Nicht immer zuverlässig, aber zur Zeit die einzige erschwingliche Karte. Die teurere Alternative: Karten des spanischen Landesvermessungsamtes Ministerio de Fumento, 6 Blätter, 1: 50000, je 9 bis 10 Euro, erhältlich über www.mapshop-hamburg.de

Info:
In Deutschland: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Myliusstr. 14, 60323 Frankfurt am Main, Tel. 069/725033, www.tourspain.es

Auf Gran Canaria gibt das Centro Insular de Turismo Auskunft, Avda. España – esquina con Avda. EE.UU. (Centro Comercial Yumbo), 35100 Playa del Inglés, Tel. 0034/9287715-50, Im Internet unter www.grancanaria.com

OD Gran Canaria
Gran Canaria

Gran Canaria Trekking: 4 Etappen im Überblick

Etappe 1 - San Bartolomé – Roque Nublo

7 Stunden, 1150 Hm bergauf, 320 Hm bergab, 20 km

Im Ort die Straße »Calle El Roque« hinaufgehen und oben nach links Richtung Sportplatz abbiegen. Hinter dem Sportplatz dem Holzschild nach rechts in Richtung der Passhöhe Degollada de la Manzanilla folgen. Der Weg führt stetig ansteigend in weiten Kehren hinauf. Oben verzweigt sich der Weg – hier rechts auf dem Forstweg Richtung Cruz Grande (einige Kilometer vor Cruz Grande bietet sich die Möglichkeit, die vielen Kehren des Forstwegs nach rechts ansteigend auf schmalem Pfad abzukürzen). Am Cruz Grande (einer Kreuzung von Wanderweg und Straße) hinauf zu einem einzel stehenden Haus, das rechts passiert wird. Nun auf altem Pflasterpfad stetig bergan nach Norden wandern, in Richtung Pico de las Nieves. Auf der Passhöhe ist ein Abstecher nach rechts (Osten) zum Pozo/Pico de las Nieves möglich (für den Abstecher etwa zwei Stunden zusätzliche Wanderzeit einrechnen). Der Hauptweg führt bergan zur Hauptstraße GC 600. Ihr nach links 2 km folgen, bis linker Hand ein großer Parkplatz auftaucht. Gegenüber geht es bergan in Richtung des gut sichtbaren Roque Nublo, den man vom Parkplatz in etwa einer Dreiviertelstunde erreicht. Am Roque Nublo übernachten.

Etappe 2: Roque Nublo – Morro de
Pajonales

6,5 h, 850 Hm bergauf, 1180 Hm bergab, 20 km

Den Roque Nublo im Uhrzeigersinn umrunden, zur Ortschaft La Culata absteigen und sie durchqueren. Am Ortsausgang links hinab auf Schotterweg zum Bachbett und den pfeilförmigen, verwaschenen Holzschildern ohne Aufschrift in die Ortschaft Tejeda folgen (dort Vorräte aufstocken). In Tejeda etwa 1,5 km hinab auf der Straße GC 60 Richtung La Culata bis zu einer Spitzkehre. 50 m östlich der Spitzkehre zeigt ein Holzschild Richtung Cruz de Timagada. Am Cruz de Timagada wieder auf die Straße und 700 m in Richtung Südwesten wandern. Nun auf altem Pflasterpfad parallel der Straße hinauf Richtung Montaña de los Jarones und weiter in Richtung des Bergs Morro de Pajonales. Auf seiner Südseite einen Schlafplatz suchen.

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Boris Gnielka
Schmale Trails und steile An- und Abstiege, selbst mitten im Atlantik keine Seltenheit.
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Boris Gnielka
Nach ein paar Nächten auf der Isomatte darf es auch mal ein Landgasthaus sein.

Etappe 3: Morro de Pajonales – Montaña de Ojeda

5,5 h, 680 Hm bergauf, 650 Hm bergab, 15 km

Den Hauptweg südseitig des Bergkamms bis zu einer Kreuzung von Forstwegen gehen. Oberhalb der Kettenabsperrung auf schmalem Pfad bergan in den Wald und ihn stets südseitig des Kammes in sanftem Auf und Ab etwa
2 Stunden bis zu einer Einzäunung gehen. Dahinter links hinab zum Schulungszentrum Aula de Naturaleza, einem guten Rastplatz. Von hier auf einer Forstpiste hinauf zur Passhöhe, östlich des Montaña de Ojeda. Etwa 200 m hinter der Spitzkehre auf der Nordseite des Hangs befindet sich unterhalb einer Felsansammlung eine Quelle mit Wasserhahn (1210 m). Von ihr auf Pfad hinauf zum Gipfelplateau des Ojeda. Hier einen Schlafplatz suchen.

Etappe 4: Montaña de Ojeda – San Nicolas

3,5 h, 50 Hm bergauf, 1400 Hm bergab, 12 km

Vom Montaña de Ojeda lohnt ein Abstecher nach Westen zum Montaña de los Hornos. Anschließend auf gleichem Weg wieder zurück und wieder hinab zum Hauptweg. Ihm nach Nordwesten bis knapp vor den Gipfel des Montaña del Viso folgen. In spitzen, steilen Kehren den Westhang hinab bis San Nicolas.

Alle Leichtgewichtsprodukte im Überblick

Kein Zelt steckte in unseren Rucksäcken, auch Regenjacke und Regenhose lagen zu Hause, außerdem Deo, Handtuch, das vierte, dritte und zweite Set Wechselwäsche sowie der dritte und zweite Kochtopf. Die aufblasbare, aber schwere und plattfußanfällige Isomatte hatten wir durch wildwestkompatible und 440 Gramm leichte Schaummatten ersetzt.

Als Proviant mussten uns sieben Tütensuppen und dreißig Riegel reichen. Machte zusammen acht Kilo für jeden. Eigentlich. Das Dumme: Gran Canaria ist ein Ort, an dem es so gut wie nie regnet. Die vier Liter Flüssigkeit, die jeder von uns schleppte, waren also nicht übertrieben. Aber sie kamen noch einmal obendrauf auf unsere acht Kilo. Die einzelnen Produkte, die wir auf der Trekkingtour dabei hatten, im Detail siehe Fotostrecke (oben) - weitere Infos zur Tour siehe Video: