Kreisläufe regeln seit jeher das Leben auf der Erde. Tiere wachsen, fressen Pflanzen und andere Tiere, bekommen Nachwuchs und sterben schließlich. Pflanzen holen sich Nährstoffe und Wasser aus dem Boden und nehmen die Energie des Sonnenlichts auf, irgendwann kommt ihr Ende – bei manchen nach Monaten, bei manchen nach hunderten von Jahren. In den rund 4,5 Milliarden Jahren, die die Erde inzwischen ungefähr alt ist, trat vor rund 2,5 Millionen Jahren der Mensch auf den Plan. Weder der Homo rudolfensis noch der Homo sapiens änderten an den Kreislaufsystemen etwas, jedenfalls sehr lange Zeit nicht. Das Jäger- und Sammlertum störte den Planeten ebenso wenig wie die frühe Landwirtschaft, die mit der Sesshaftigkeit des Menschen einherging. Und auch das Mittelalter sowie der Beginn des Industriezeitalters brachten die Erde noch längst nicht in Bedrängnis. Aber das menschliche Gehirn, das dem anderer Säugetiere überlegen ist und dem immer wieder Erfindungen entspringen, die das Leben bequemer machen – von Jagdgeräten über Nähnadeln bis zu festen Häusern und Smartphones –, scheint nicht grundsätzlich darauf gepolt zu sein, Kreislaufdenken bei seinen Innovationen einzubeziehen. Und so stehen wir jetzt, Anfang des 21. Jahrhunderts, vor gravierenden Problemen: Wir produzieren zu viel Müll. Wir verbrauchen zu viele Rohstoffe. Wir heizen das Klima auf. Wir sind inzwischen acht Milliarden Menschen auf der Erde, und bei vielen von ihnen wächst der Hunger auf Fleisch in einem Ausmaß, das längst nicht mehr zu traditioneller landwirtschaftlicher Kreislaufwirtschaft passt.
Bei der Natur abschauen
In unzähligen Bereichen des alltäglichen Lebens entsteht zu viel Abfall, der nicht in Kreislaufsystemen wiederverwertet werden kann. In der Natur dagegen gibt es keinen Müll, alles wird wiederverwertet. Dieses Prinzip versucht man sich bei der sogenannten Kreislaufwirtschaft als einem Modell der Produktion und des Verbrauchs abzuschauen: Bestehende Materialien und Produkte werden so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt. Und schon ins Produktdesign fließen diese Aspekte mit ein. Kreislaufwirtschaft steht somit im Gegensatz zum traditionellen, linearen Wirtschaftsmodell, das auch als Wegwerfwirtschaft bezeichnet wird.
In der Theorie hört sich Kreislaufwirtschaft nach einem vielversprechenden und zukunftsweisenden Modell an. Tatsächlich stieg beim Kunststoffrecycling die Quote in Deutschland in den letzten Jahren beträchtlich, nicht zuletzt aufgrund strenger gesetzlicher Vorgaben. Bei Glas und Papier ist sie schon seit langem hoch. Doch von einer wirklichen Kreislaufwirtschaft sind wir sowohl national als auch global betrachtet ziemlich weit entfernt, wie der letzte "Circularity Gap Report" vor etwas über einem Jahr vermeldete. Es war der sechste Report dieser Art, zu den Mitwirkenden gehören unter anderem der World Wildlife Fund und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Als Basis dienen Modellierungen, die vor allem Zahlen der Statistikbehörden und wissenschaftlichen Studien entstammen. Im Vergleich zur ersten Ausgabe sank der weltweite Anteil der Kreislaufwirtschaft: Lag er im Jahr 2018 noch bei 9,1 Prozent, waren es 2020 8,6 Prozent – und zuletzt nur 7,2 Prozent. "Wir stellen fest, dass die Kreislaufwirtschaft zurückgeht, während global der Anteil der Materialien, die neu entnommen werden, steigt", heißt es abschließend in dem Report. In Deutschland steigt der Ressourcenverbrauch zwar nicht mehr, verringerte sich vom Jahr 2010 bis 2021 laut Statistischem Bundesamt aber pro Kopf nur um ein Prozent.
Kreislaufwirtschaft erreichen
Das gehört immerhin auch zu den Plänen der Bundesregierung. Noch in diesem Jahr möchte sie eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie mit verbindlichen Zielen und Maßnahmen bis 2045 verabschieden – um den Einsatz von Primärrohstoffen zu senken und weitgehend abgeschlossene Stoffkreisläufe zu ermöglichen. Die Marktbedingungen für Sekundärrohstoffe sollen verbessert werden, um ihren Anteil am Rohstoffeinsatz zu steigern.
Cradle-to-Cradle-Prinzip
Zu den Experten und auch Optimisten im Bereich Kreislaufwirtschaft gehört der deutsche Chemiker Dr. Michael Braungart. Zusammen mit seinem US-amerikanischen Kollegen William McDonough erfand er das Cradle-to-Cradle-Prinzip (auf Deutsch: Wiege zu Wiege): ein Kreislauf, in dem Produkte und Produktionsprozesse so funktionieren, dass sie komplett unschädlich für Mensch und Natur sind. In Stoffkreisläufen gibt es bei Cradle-to Cradle keinen unnützen Abfall mehr, sondern nur noch nützliche Rohstoffe – sowohl im technischen wie auch im biologischen Kreislauf. Ökoeffektivität heißt das Schlagwort. "Wir können qualitativ hochwertige, gesunde und kreislauffähige Alternativen entwickeln. Eine positive Zukunft ist möglich!" gibt sich Braungart überzeugt. Zu den zahlreichen Auszeichnungen, die er bereits erhielt, gehört der Ehrenpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2022.
Noch sind Cradle-to-Cradle-Produkte – es gibt ein Zertifizierungssystem – im Sport- und Outdoor-Bereich selten. Beim baden-württembergischen Hersteller Trigema etwa finden sich einige zertifizierte Kleidungsstücke. Aber: Es tut sich viel in der Outdoor-Branche, um Produktkreisläufe zu optimieren und nicht mehr zeitgemäße lineare Prozesse hinter sich zu lassen. Zu den großen Herausforderungen zählen Materialauswahl und -kombinationen. Biobasierte Rohstoffe lassen sich häufig gut kompostieren, oft auch recyceln, zudem wachsen sie nach und stellen damit keine endliche Ressource dar. (Dass ein pflanzliches Material wie Hanf eine bessere Klimabilanz als etwa Leder aufweist, ist ein anderes Thema.)
"Kreislaufwirtschaft ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit", sagt Stefan Lörke, Abteilungsleiter Bekleidung beim Hersteller Vaude. Auch wenn der Weg dahin steinig und noch unbekannt sei, gebe es keine andere Möglichkeit, als ihn zu gehen. "Wir müssen unsere begrenzten Ressourcen effizienter nutzen." In diesem Frühjahr erscheinen die ersten "Rethink"-Produkte von Vaude im Handel, darunter eine Softshell und ein Wanderrucksack: Sie sind sortenrein und können erneut zu Outdoor-Equipment verarbeitet werden. Allerdings müssen sich die Verbraucher beteiligen. Eine recyclingfähige Jacke bot Vaude bereits in den 1990er Jahren an – es kamen aber zu wenig Exemplare zurück, als dass sich die Wiederverwertung gelohnt hätte. Seitdem sind Jahrzehnte vergangen, und das Bewusstsein für dringend nötige Veränderungen in unserer Wirtschafts- und Konsumweise steigt.
Outdoor nur ein winziger Bruchteil
Die Outdoor-Branche macht dabei mit etwa 0,23 Prozent nur einen winzigen Bruchteil der Textilindustrie aus, aber gerade hier weiß man, wie wichtig es ist, die Umwelt nicht weiter übers Maß zu belasten. Auch Hersteller Maier Sports bringt in diesem Jahr erste kreislauffähige Outdoor-Kleidung auf den Markt und will bereits 2030 sämtliche Kollektionen recyclingfähig produzieren. Rab aus Großbritannien rief vor drei Jahren ein Daunenrecycling-Programm ins Leben. Und das norwegische Unternehmen Bergans kommt mit seiner "The Collection of Tomorrow" dem Cradle-to-Cradle-Prinzip sehr nahe. Elementar hierbei: die Zusammenarbeit mit dem Faserproduzenten Spinnova, der die Celluloseverarbeitung so weit entwickelt hat, dass die bis dato als unvermeidlich geltende Beimischung von Chemikalien entfällt. Wenn ein Produkt aus dieser Kollektion sein Lebensende erreicht, nimmt Bergans es zurück, recycelt es, und Kunden können für die reinen Arbeitskosten ein neues bekommen.
Lange dauert es hoffentlich nicht mehr, bis sich Kreislaufwirtschaft als State of the Art durchsetzt. Aber auch wenn es so weit ist, sollten wir unser Equipment nach Kräften pflegen und lange nutzen. Denn jegliche Produktion benötigt Energie, also Ressourcen. Das gilt in allen Bereichen des Konsumentendaseins, von dem das Outdoor-Leben nur einen kleinen Teil ausmacht. Einen kleinen, aber definitiv einen der schönsten.