Familien-Abenteuer im Dovrefjell - Norwegen

Mit der Familie in die Wildnis
Trekkingabenteuer im Dovrefjell

Eine Woche in der Wildnis Norwegens – mit einer Zehnjährigen? Geht schon. Familie Hülle zog sieben Tage lang durchs wunderschöne Dovrefjell ...

Dovrefjell Norwegen, Reisebericht 01/2021
Foto: Martin Hülle

Die Bergregion etwa 200 Kilometer östlich der Küstenstadt Ålesund in Norwegen lockt Wanderer mit steilen Felswänden, Moränenrücken und Terrassen. Auch Familie Hülle startete in ein Wildnis-Abenteuer: im Uhrzeigersinn sieben Tage lang durchs Fjell mit der Besteigung der Snøhetta. Reisetipps & Infos zur gewanderten Hüttenrunde im Dovrefjell findet ihr hier – auch als PDF zum Download:

Die Reisetipps in diesem Artikel:

Dovrefjell Norwegen, Reisebericht 01/2021
Martin Hülle
Selmas Rucksack wiegt am wenigsten. Sie trägt ihren Fotoapparat darin, ein kleines Fernglas und ihre Trinkflasche. Und ein paar Kuscheltiere.

Die Hüttenrunde im Dovrefjell – alle Etappen:

Zur Loennechenbua

Vom Parkplatz in Jenstad führt ein steiler Pfad durch Bergwald zu einem Aussichtspunkt auf den Wasserfall Linndalsfjallet. Weiter oben überquert eine Brücke den Fluss Linndøla. Es folgt ein kurzes Flachstück über eine Schotterstraße vorbei an ein paar Ferienhäusern, bevor der Weg ins Tal Skirådalen und ins baumlose Kahlfjell schwenkt. Oberhalb der Gammelbua wechselt man aus dem Tal auf eine Art Hochebene, wo an den Seen Storvatnet und Litlvatnet noch einige zeitraubende Blockfelder warten, bis die winzige Hütte Loennechenbua erreicht ist.

Zur Åmotdalshytta

Nach einem kurzen Passübergang geht es in leichtem Auf und Ab am See Urdvatnet vorbei zur Flussquerung des Urdvassbekken. Die markierte Querung ist bei normalem Wasserstand relativ flach und problemlos. Es folgt ein kurzer Aufstieg auf die Anhöhe Gråhøin, bevor der Weg am See Langvatnet sanft hinab zum See Åmotsvatnet und zur Åmotdalshytta führt. Tipp: Von der Åmotdalshytta bietet sich eine Besteigung der Snøhetta (2286 m) an. Ihr Gipfel bietet bei klarem Wetter fantastische Blicke aufs Dovrefjell. 14 km, 7 h, 990 Hm.

Ins Grøvudalen

Diese lange Etappe lässt sich mit zwei Zeltübernachtungen entlang der Route entschärfen. Zwar ist der Pfad zu Beginn am See Åmotsvatnet und den folgenden Drugshøtjønnin-Seen gut gehbar und meist eben, doch hinter dem Fluss Veslholbekken wird das Terrain erneut steiniger. Nach einem kleinen Pass (ca. 1450 m) reihen sich die Seen Søre-, Midtre- und Nørdre Salhøtjønna aneinander und werden östlich passiert, bevor der Weg steil ins Grøvudalen abfällt. Mit abnehmender Höhe erreicht man wieder Wald und wandert auf immer breiteren Wegen zur Grøvudalshytta.

Nach Jenstad

Eine Quad-Spur am Fluss Grøvu führt hinaus aus dem Tal Grøvudalen. Bei Hallen folgt eine Schotterstraße durch ein Ferienhausgebiet, die man bei Røymoen (nach 2 km) wieder verlässt. Von hier führt ein teils sehr schmaler, holpriger Pfad an einem Berghang entlang zum Gehöft Lundlia oberhalb von Åmotan. Schlussanstrengung ist ein extrem steiler Abstieg hinunter in die Schlucht und ein kurzer, teilweise gesicherter Gegenanstieg zurück nach Jenstad.

Tipps zur Planung der Dovrefjell-Runde

  • Hinkommen: Mit dem Auto steuert man Kiel, Hirtshals (DK) oder Frederikshavn (DK) an und reist mit der Fähre weiter nach Norwegen (Oslo, Kristiansand, Langesund, Larvik oder Bergen). Ab Oslo nordwärts auf die E 6 und in Oppdal nach Westen Richtung Sunndalsøra abfahren. Auf halber Strecke in Gjøra ins Sunndalen abbiegen nach Åmotan/Jenstad. Von Bergen zuerst quer durchs Land und am Sognefjord vorbei zur E 6. Alternative zur Fähre: über die Öresund und Storebeltbrücke durch Dänemark und Schweden. Wer lieber fliegt, steuert zunächst Oslo an – zum Beispiel mit SAS (flysas.com, ab 200 Euro retour). Von Oslo per Bahn nach Oppdal (vy.no) und spätestens ab dort per Mietwagen(billiger-mietwagen.de) weiter.
  • Anspruch: Bis auf die steilen An- und Abstiege zum Beginn und Ende ist diese Dovrefjell-Runde technisch recht einfach. Raues Wetter, Geröll und mitunter Altschneefelder erschweren jedoch das Gehen. Auch einige brückenlose Flussquerungen gehören zur Tour (Watschuhe mitnehmen).
  • Orientieren: Die Route ist gut mit dem roten »T« des norwegischen Wanderverbands DNT markiert. Die Orientierung erleichtern außerdem die Karten »Dovrefjell–Snøhetta« und »Snøhetta« von Nordeca, Maßstab 1:50 000 (je 27 Euro, zum Beispiel über geobuchhandlung.de). Für den Fall schlechter Sicht empfiehlt sich ein Kompass.
  • Beste Reisezeit: Mitte Juli bis Mitte September. Mit Källteeinbrüchen und Schneefall muss man dabei immer rechnen.
  • Informieren: visitnorway.de ist die beste Anlaufstelle für Infos zur Region, Wander und Übernachtungsoptionen. Zudem lohnt ein Blick auf die Seite des norwegischen Wanderverbands DNT (dnt.no) und auf ut.no: Hier finden sich alle Hütten entlang der Route.
Dovrefjell Norwegen, Reisebericht 01/2021
Martin Hülle
Wie überall in Norwegen weist auch im Dovrefjell das rote »T« den Weg.

Übernachten im Dovrefjell:

  • Zelten: Dank Jedermannsrecht darf man überall zelten. Das oft sehr steinige Gelände erschwert aber vielerorts die Suche nach geeigneten Plätzen.
  • Loennechenbua: Die einstige Jagdunterkunft ist heute die kleinste Hütte des norwegischen Wanderverbandes und beherbergt im kombinierten Schlaf- und Wohnraum maximal vier Personen. 400 NOK (ca. 37 Euro) pro Nacht für Nicht-DNT-Mitglieder, 280 NOK für Mitglieder (ca. 26 Euro).
  • Åmotdalshytta: Für die Åmotdalshytta nordwestlich der Snøhetta braucht man einen DNT-Schlüssel, in der Hochsaison ist zuweilen ein Hüttenwart vor Ort. Es gibt 34 Schlafplätze und eine Speisekammer mit Konserven, Knäckebrot, Haferflocken & Co. Übernachtungskosten wie Loennechenbua.
  • Grøvudalshytta: Mitten im Grøvudalen, in dem 85 Prozent aller Bergpflanzenarten Norwegens vorkommen, findet sich diese Selbstversorgerhütte mit 35 Betten und einer Speisekammer. Auch hier ist ein DNT-Schlüssel erforderlich. Preise: siehe oben.

Stärkung unterwegs:

  • Trinkwasser spenden Flüsse und Bäche, Proviant muss mitgenommen werden. In der Åmotdals- und Grøvudalshytta kann man etwas Verpflegung nachkaufen.
  • Einkehr: Neben der Grøvudalshytta steht der urige Bauernhof Inner Gammelsetra. Die Betreiber verkaufen nicht nur Käse, Sauerrahm und Butter, sondern bieten auch Kaffee, Tee und Waffeln an. innergammelsetra.no

Familienunternehmen – der Reisebericht aus dem Dovrefjell

"Wir sind müde nach einem stundenlangen Aufstieg. Zuerst ging es steil durch Bergwald, dann am tosenden Wasserfall Linndalsfjallet vorbei, anschließend noch mehrere Kilometer hinauf ins Skirådalen – bis wir in diesem kleinen Tal oberhalb der Baumgrenze ein flaches Plätzchen fürs Zelt gefunden haben. Eine kühle Brise, angereichert mit Schauern, hat das anfangs sonnig-warme Sommerwetter abgelöst. Schnell hole ich Wasser am nahen Fluss, um trotz vorgerückter Stunde noch einen Instant-Kaffee zu kochen, und greife in den Besteckbeutel. »Wo zum Teufel …« Ich wühle immer wilder zwischen Löffeln und Messern, finde aber kein Feuerzeug. Entsetzt schauen meine Frau Nina und ich uns an, auch unsere zehnjährige Tochter Selma wirkt ratlos. Kein Feuerzeug, kein warmes Wasser. Kein warmes Wasser, kein warmes Abendessen. Im Kopf spiele ich die Möglichkeiten durch. Zurücklaufen zum Auto? Ich wäre erst spät in der Nacht zurück. Zur nächsten Hütte? Zu weit. Aber warte mal – »der Reparatur-Beutel!«, rufe ich erleichtert. Wie auf jeder größeren Tour haben wir ein kleines Set mit wichtigen Dingen zusammengestellt – neben Klebeband und einer Reparaturhülse fürs Zeltgestänge enthält es auch ein kleines Reserve-Feuerzeug. Als der Kocher faucht, machen wir Witze über kalte Küche. Der Kaffee schmeckt an diesem ersten Abend besonders gut.

Zum ersten Mal waren wir vor fünf Jahren im Dovrefjell, einer Bergregion etwa 200 Kilometer östlich der Küstenstadt Ålesund. Seinerzeit erhaschten wir auch einen Blick auf eine Attraktion des Dovrefjell-Sunndalsfjella- Nationalparks: die Moschusochsen, die vor etwa 70 Jahren aus Grönland importiert wurden. Westlich der Hauptverkehrsader Norwegens, der E 6, streifen die Tiere frei durch Täler und über weite Hochflächen. In diesen Teil des Dovrefjells zieht es auch die meisten Wanderer, zu Füßen der markanten Snøhetta (2286 m), ihres Zeichens der höchste Berg der Region. Daher haben wir dieses Mal eine 70 Kilometer lange Rundtour auf der stilleren Westseite der Snøhetta zusammengestellt. Start und Ziel bildet die Åmotan-Schlucht beim Gebirgsbauernhof Jenstad, ein Naturkunstwerk aus steilen Felswänden, Moränenrücken und Terrassen. Von dort aus soll es im Uhrzeigersinn sieben Tage lang durchs Fjell gehen. Auf gut der Hälfte haben wir die Besteigung der Snøhetta eingeplant.

Balanceakt am Storvatnet

Am Morgen nach dem Feuerzeug-Schreck führt der Weg tief ins karge Dovrefjell. Schwer lasten die Rucksäcke mit allem, was wir für eine Woche Campen in der Wildnis brauchen, auf den erwachsenen Schultern. Nina trägt rund 15 Kilogramm, ich noch mal zehn mehr. Auf Selma bin ich fast neidisch, sie kommt mit einem kleinen Rucksack davon: das Klopapier, ein paar Kuscheltiere, ihren Fotoapparat und ein kleines Fernglas enthält er, dazu ihre Trinkflasche. Kein Wunder, dass sie meist schneller vorankommt als wir. Leichtfüßig turnt sie über das erste große Blockfeld am See Storvatnet. Wir hingegen mühen uns von Stein zu Stein, immer darauf bedacht, die Balance zu halten. Zwischen den sanft geschwungenen Bergrücken geht es so nur recht langsam voran. Auch am kleineren Litlvatnet bremst uns ein Chaos aus Felsblöcken aus. Erschöpft pausieren wir bei der winzigen Hütte Loennechenbua, in der Wassereimer den Regen auffangen, der durch das undichte Dach tröpfelt. Einen guten Lagerplatz für unser Zelt finden wir hier jedoch nicht, überqueren also noch einen kleinen Pass und entdecken am See Urdvatnet schließlich eine ebene und trockene Stelle. In der Ferne überragt die Snøhetta majestätisch das weite Land, während wir uns ins Zelt verkriechen und nach einer deftigen Nudelsuppe eine Runde Canasta spielen.

Am Urdvassbekken überzieht Selmas Gesicht anderntags zum ersten Mal auf dieser Tour ein wirklich ängstlicher Ausdruck. Der Fluss ist sehr breit, eine Brücke gibt es nicht, und bei schon wieder aufziehendem Regen schlüpfen auch Nina und ich nur zögerlich in die Watschuhe. Langsam gehe ich im kalten Wasser voran, suche den flachsten Weg hinüber. »Super machst du das, Selma!«, versucht Nina das Kind aufzumuntern. Stoisch folgt unsere Tochter, nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir die andere Seite – erst dann kommen ihr ein paar Tränen und das große Zittern. So schnell es geht, helfen wir ihr in trockene Socken und die Wanderschuhe. Zum Glück steht ein Aufstieg auf die Anhöhe Gråhøin bevor, das hilft beim Warmwerden. Und als bald darauf die Sonne hervorblitzt und wir über ein Schneefeld schliddern, erreicht Selmas Laune schon wieder »1000 Prozent«, wie sie strahlend sagt.

Winterintermezzo im Hochsommer

Hinter der Åmotdalshytta wird das Gelände am darauffolgenden Tag flacher, und wir können auf vergleichsweise guten Pfaden endlich zügiger ausschreiten. Gut so, denn wir hinken unserem Zeitplan etwas hinterher. Daher fällt auch unser optimistisches Ziel, einen Abstecher auf den Gipfel der Snøhetta zu machen, ins Wasser. Das Wetter will ohnehin nicht mitspielen, Wolken verschlucken alle Bergspitzen. Also ziehen wir weiter, pausieren in regelmäßigen Abständen möglichst windgeschützt hinter Felsblöcken und genießen die Aussichten über die weitläufige Landschaft. Ab und an durchbricht Glockengeläut die Stille, vereinzelt sehen wir einige Schafe.

Nach einer Nacht am wild rauschenden Veslholbekken, den wir trockenen Fußes von Stein zu Stein überqueren, verabschiedet sich der Sommer vorübergehend. Bei ein paar Grad über null wirbeln Schneeflocken durch die Luft, und der Wind weht immer eisiger. Die Mützen tief über die Ohren gezogen und die Finger in warme Handschuhe gesteckt, passieren wir so zügig wie möglich eine Reihe von Seen, um bald wieder in tiefere Lagen zu kommen. Hier, auf über 1400 Metern, ist man den Elementen schutzlos ausgeliefert. Das alles stört uns nicht wirklich, denn es besitzt seinen ganz eigenen Reiz, das Dovrefjell in allen Facetten zu erleben. Trotzdem sind wir froh, als es am See Nørdre Salhøtjønna hinab in das üppig bewachsene und etwas geschütztere Grøvudalen geht. Rasch verlieren wir in dem Tal an Höhe und lassen die unwirtliche Kargheit zurück.

Als wir wieder in den Wald eintauchen, klart auch der Himmel auf. Prompt wird es wärmer, und das komplette Outdoor-Leben fühlt sich einfacher an. Doch noch haben wir ein langes Wegstück zu laufen. Vorbei an riesigen Ameisenhügeln, alten Bauernhöfen und der Grøvudalshytta folgen wir dem Fluss Grøvu, an dem wir ein letztes Mal unser Zelt aufschlagen. Wir werfen Stöcke ins Wasser und beobachten, wie sie von der Strömung mitgerissen werden. Später verscheuchen wir laut rufend ein paar Schafe, die ihre Köpfe in unser Zelt stecken wollen. Der letzte Tag, mit dem wir die Runde schließen, entpuppt sich allerdings als Kraftakt. Gute 15 Kilometer müssen wir noch wandern, viele davon auf einem holprigen Pfad an einem steilen Berghang, bevor wir das Gehöft Lundlia oberhalb von Åmotan erreichen. Von hier führt ein äußerst steiler Weg hinunter in die Schlucht, in der wir das tosende Wasser des Reppefallet hören und die Gischt des 156 Meter hohen Svøufallet spüren. Auf einer schmalen Hängebrücke überqueren wir noch einmal den Fluss Linndøla und nehmen auf der anderen Seite, teilweise über mit Ketten gesicherte Abschnitte, Kurs auf unser Ziel Jenstad. »Schade, dass das Abenteuer vorbei ist«, sagt Selma, als wir unser Auto erreichen. Die Aussicht auf Waffeln mit Marmelade im nächsten Café findet sie aber auch ganz erfreulich.

Hier könnt ihr unsere Podcast-Folgen zum Thema "Trekking in Skandinavien" anhören – mit vielen wertvollen Erfahrungstipps unserer Redakteure:

Ihr könnt die beiden Folgen entweder gleich hier auf dieser Seite anhören, oder auch auf einer der gängigen Plattformen: iTunes, Spotify, Deezer, Audio now, Soundcloud, Acast, The Podcast App, Google Podcast-App auf Android-Smartphones, Lecton sowie Castbox, Podcast Addict und vielen anderen Podcast-Apps und Verzeichnissen. Viel Spaß beim Anhören!

Noch mehr Norwegen-Tipps gibt es hier: