Krasses Palettenfloß-Abenteuer in Schweden

EOFT Film - To the Sea
Warum zur Hölle ein Palettenfloß?

Drei Paletten und acht Jahre – zwei verrückte Briten paddeln zum Meer! Das Projekt "To the Sea" läuft aktuell auch bei der European Outdoor Film Tour, seit 17. Oktober in Deutschland und Europa zu sehen ...

European Outdoor Film Tour "To the Sea" - zwei verrückte Briten paddeln zum Meer.
Foto: Hugo Pedder & Ben Andrews

Hugo ist 35 Jahre alt, kommt aus London und ist ein echter Bergfreak. Ben ist ebenfall 35 Jahre alt, kommt aus der Nähe von London und eigentlich leidenschaftlicher Surfer. Was die beiden verbindet, ist ein Floß aus drei Paletten. Im Interview erzählen sie von ihrem Projekt.

Sagt mal, Jungs – was ist der Unterschied zwischen einer Palette und einem Kajak?

Hugo: Na ja, Europaletten kann man viel einfacher zusammenbauen als ein Kajak. Und beides schwimmt. Das war uns Grund genug, als schwimmenden Untersatz Paletten zu nehmen.

Aber im Ernst: Wie kamt ihr auf die Idee, auf drei Europaletten 450 Kilometer weit einen Fluss in Schweden hinabzupaddeln?

Ben: Da kam vieles zusammen. Zunächst wollten wir einen Rafting-Trip machen. Hugo hat gerade in Schweden studiert, also habe ich ihn besucht. Und der Vindelälven in Nordschweden ist dank seiner Renaturierung einer der wenigen nicht regulierten Flüsse mit Staudämmen und ähnlichem. Von der norwegischen Grenze fließt er knapp 450 Kilometer nach Südosten, bis er bei Umeå in die Ostsee mündet: Da hatten wir unser Ziel. Einen Startort suchten wir entlang der Eisenbahnlinie "Inlandsbanan" und kamen zum1000-Seelen-Ort Sorsele. Er liegt am Fluss und von da waren es noch etwa 300 Kilometer zum Meer. Wir sind also nach Sorsele hoch und wollten in den 14 Tagen, die wir hatten, das Meer erreichen.

Wie euer Boot aussehen soll, wusstet ihr da noch nicht?

Ben: Nein, das haben wir uns vor Ort überlegt. Ich hatte erst an Baumstämme gedacht, wie das bei einem Floß ja eigentlich typisch ist. Aber die zu fällen und zu trocknen hätte ewig gedauert. Zufällig steht aber in Sorsele eine Palettenfabrik und an der Tankstelle gab es viele leere Kanister. Hugo hatte da schnell einen Plan und im Nu waren drei Schwimmkörper fertig, die wir verbanden. Je einen für uns und einen fürs Gepäck. Dazu noch Sperrholz-Paddel. So ging es auf den Fluss.

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Hattet ihr Paddel-Erfahrung?

Hugo: Nicht wirklich. Ben ist zwar ein Wassersportler, surft gerne, aber Paddler war er keiner. Und ich bin immer lieber in den Bergen unterwegs gewesen. Das war also sprichwörtlich ein Sprung ins kalte Wasser für uns. Aber wenn man muss, lernt man schnell dazu.

Ihr dachtet anfangs, dass ihr in den zwei Wochen, die ihr Zeit habt, bis zum Meer paddeln könnt. Wann wurde euch klar: »Das kann nichts werden«?

Hugo: Hm, eigentlich während der ersten Stunde ... an der ersten Stromschnelle. Das Floß in die drei Einzelteile zu zerlegen und außen rum zu tragen war sehr anstregend und hat ewig gedauert. Ben hat sich dabei noch den Fuß aufgeschnitten. Also ein Start nach Maß.

Wie ging es dann weiter?

Hugo: Wir sind einfach drauflos geschippert, wollten uns eine schöne Zeit machen – es gab jedoch viele Aha-Momente.

Ben: Bereits am ersten Abend hatten wir eine große Erkenntnis: Wir führten Google-Maps-Ausdrucke vom Fluss mit und wollten gucken, wie weit wir gekommen sind. Und haben erst auf Seite zwei gesucht, bis wir entdeckten, dass wir nur einen Bruchteil weit auf Seite eins gekommen waren.

Davon habt ihr euch nicht beirren lassen?

Hugo: Nein, wir haben einfach geschaut, wie weit wir kommen. Die Regel war nur: Am Tagesziel den Schlafplatz der Vornacht nicht mehr zu sehen.

Und das hat immer geklappt?

Hugo: Ja. Manchmal war es gerade so ums Eck, aber immer weit genug, dass unsere Regel weiter Bestand hatte.

Wann wurde euch klar, dass ihr zurückkommen und euer Abenteuer fortsetzen wollt?

Ben: Das kam dann über den Winter, in England. Obwohl anfangs vieles beschwerlich war, fanden wir esso reizvoll, komplett raus zu sein und runterzukommen. Das wieder erleben zu wollen, überwog die Stechmücken und den Regen – und so standen wir im Sommer darauf wieder am Vindelälven und haben das Floß aus dem Wald gezogen. Dort hatten wir es nach Jahr eins gelagert.

Wie lief das zweite Jahr?

Hugo: Definitiv eingespielter. Wir hatten gelernt, nicht gegen den Fluss zu arbeiten, das bringt nichts. Wir wurden besser im Angeln und konnten Distanzen und Herausforderungen besser einschätzen. Wir hatten dann auch besseres Equipment, Helme etwa.

Wie war euer Tagesablauf?

Ben: Mit der Mitternachtssonne konnten wir oft erst spät schlafen, haben dann oft bis elf Uhr morgens gedöst ... Dann Kaffee gemacht, manchmal etwas Yoga, das Camp zusammengepackt und sind los. Für die Mittagspause haben wir nach Möglichkeit angelegt und unser Glück mit Fischen versucht. Dann sind wir weitergeschippert, oder mussten mal kräftig paddeln – was so auf uns zukam. Manchmal bestanden ganze Halbtage darin, durch eine Stromschnelle zu navigieren. Und wenn wir nicht gut durchkamen, mussten wir die sieben Sachen einsammeln, die uns vom Floß geschwemmt wurden.

Hat es euch mal runtergespült?

Hugo: Ja, ein paar Mal schon. Ich glaube, in der ganzen Zeit jeden von uns so etwa sechs Mal. Aber zum Glück nie gleichzeitig, einer konnte sich immer auf dem Floß halten.

Wie gefährlich waren die Stromschnellen denn?

Ben: Wir hatten vor vielen ordentlich Respekt. Ich bin grundsätzlich eh etwas vorsichtiger, Hugo ist da draufgängerischer. Wenn wir vor einer Stromschnelle campiert und das Tosen die ganze Nacht gehört haben, war uns manchmal mulmig. Wir haben uns immer abgestimmt und aufs Bauchgefühl gehört. Und die Paletten waren zum Glück sehr robust, haben Stöße gegen Felsen gut weggesteckt. Die Paddel mussten wir ein paar Mal erneuern, aber da gab es genug Holz. Einen richtig bösen Crash hatten wir zum Glück nie. Einmal waren wir nach einer großen Stromschnelle abends jedoch so unterkühlt, dass wir zu einer Sauna getrampt sind.

Wie sah eure Verpflegung aus?

Hugo: Mit der Zeit gab es häufiger Fisch – weil wir dann öfter was gefangen haben. Aber tatsächlich haben uns die Menschen entlang des Flusses sehr oft versorgt, zum Essen eingeladen, uns sogar Lunchpakete ans Floß gebracht. Von dieser Gastfreundschaft waren wir echt überrascht. Und wir konnten die Vorräte in Orten aufstocken. Wenn es knapp wurde, hat uns aber immer jemand zur Fika (schwedische Kaffee- und Kuchenpause) eingeladen.

Ihr seid Jahr für Jahr aufs Neue für zwei Wochen da hoch. Hattet ihr das Endziel, die Mündung, immer im Sinn?

Hugo: Nein, erst nicht, da fiel die Entscheidung immer nur für das aktuelle Jahr ... Aber im vierten Jahr wurde es konkreter – als das Ziel näher kam. Der Weg hoch ins Nichts war dann bereits eine lieb gewonnene Tradition. Im sechsten Jahr, als wir endlich das Meer erreichten, hatten wir unsere Familien dabei. Das war sehr emotional. Dann haben wir beschlossen, auch von der Quelle bis Sorsele zu fahren. So waren wir noch zwei Jahre in Etappen unterwegs, bis wir nach acht Jahren in Sorsele ankamen und die ganzen 445 Kilometer geschafft hatten.

Stichwort Familien: Was hielten die von eurer Aktion?

Hugo: Die haben schon immer wieder gefragt, "Warum zur Hölle? Gibt es keine anderen Abenteuer, die ihr machen könnt?" Aber uns hat diese Zeit stets viel bedeutet.

Wie geht es weiter?

Ben: Zuletzt waren wir mit dem Paletten-Setup auf der Soča unterwegs. Künftig wollen wir wieder nach Skandinavien, sind da für Tipps immer offen. Denn natürliche Flussläufe sind selten geworden.