Bouldertraining mit Japans Teamcoach

Bouldertraining
Bouldertraining mit Japans Teamcoach

Inhalt von

Besser bouldern mit Japans Teamtrainer: Benjamin Hartmann empfiehlt 12 Übungen fürs Bouldertraining.

Japanisches Nationalteam Trainingslager Gaswerk Wädenswil
Foto: Vladek Zumr

Wie man beim Bouldern die richtigen Bewegungen lernt

Bouldern ist in Japan noch beliebter als bei uns in Deutschland, es gibt eine große Szene und damit eine gesunde Konkurrenz. Dazu trainiert das japanische Nationalteam hauptsächlich an der Wand und weniger isoliert im Kraftraum. Beim Bewegungsgefühl und der Bewegungsqualität ist das japanische Team top. Ihre gute Beweglichkeit ist dabei sicher von Vorteil. In Japan gehört Dehnen zum Kletteralltag einfach dazu. Außerdem gibt es einen Mentalitätsunterschied: In Deutschland ringt man einen Boulder irgendwie nieder, dann ist er abgehakt. Die Japaner versuchen, einen Boulder schön und effizient zu klettern und probieren so lange, bis ihnen das gelingt. Erst dadurch lernst du, dich gut zu bewegen.

Japanisches Nationalteam Trainingslager Gaswerk Wädenswil
Vladek Zumr

Teamcoach Benny Hartmann mit Ai Mori beim Trainingslager im Gaswerk Wädenswil.

Beim Bouldern den Fokus auf den Lernprozess, nicht auf schnellen Erfolg legen

Es gibt einige Dinge, die man sich in Japan abgucken kann. Vor allem in Sachen saubere Bewegungen. Es geht nicht nur darum, einen großen Motor zu haben, man muss auch fahren können. Deshalb steht gute Technik und effizienter Kletterstil an erster Stelle. Und das lernt man in erster Linie an der Wand, an schweren Bouldern. Dabei sollte man nicht hauptsächlich den Wert auf den Durchstieg legen, sondern darauf, was man an einem Boulder gelernt hat.
Bei uns in Deutschland geht es oft darum, Erfolg zu haben und Boulder schnell hochzukommen – fast egal wie. In Japan ist das Hauptziel, besser zu werden. Entsprechend mehr wird an Schwächen gearbeitet und an Bewegungen gefeilt. Wenn es schlecht läuft, heißt es bei uns schnell: die Bedingungen, der Routenbau oder irgendwas anderes Externes hat Schuld. In Japan sucht man eher bei sich, und fragt zuerst: Wie kann ich besser werden und meine Schwächen bearbeiten? Was ist meine Lektion daraus?

Japanisches Nationalteam Trainingslager Gaswerk Wädenswil
Vladek Zumr

Miho Nonaka beim Ausdauertraining im Kletterzentrum Gaswerk Wädenswil, Schweiz.

Beweglichkeit ist beim Bouldern unabdingbar

Was in Deutschland auch gern vernachlässigt wird, ist gründliches Warmup und Beweglichkeit. Das kann man belächeln, aber es hilft erstens, den Bewegungsradius zu vergrößern und effizienter zu klettern, und zweitens ist es aktive Verletzungsprävention. Akiyo Noguchi war 15 Jahre an der Weltspitze und kein einziges Mal verletzt. Aber sie hat ein extrem gründliches Warmup durchgeführt und dadurch ihr Nervensystem auf alles vorbereitet. Denn wenn wir nicht gewöhnt sind, extreme, endgradige Gelenkpositionen zu kontrollieren, steigt die Verletzungsgefahr.

kl-bouldern-japan-akiyo-noguchi-35475015451_0ec632685c_o (jpg)
IFSC Eddie Fowke
Flüssige Bewegung und geschmeidige Beweglichkeit verhelfen den Japanern zu ihrem ansehnlichen Kletterstil.

Je schwieriger die Boulder, desto kleiner sind die Bereiche, in denen man sich stabil und kraftsparend bewegen kann. Da kann Beweglichkeit in Schulter und Hüfte wahre Wunder bewirken.
Beim Bouldern lohnt sich auch, den Fokus darauf zu legen, nicht von Griff zu Griff, sondern von einer Körperposition zur nächsten zu klettern. Das erfordert ein großes Bewegungsrepertoire, Entscheidungsfreudigkeit und Gespür. Das lässt sich auf vielfältige Weise üben und trainieren. Das japanische Team macht viel ohne Hände: Laufstarts in geneigte Wände oder Plattenschleichen ohne Griffe, das schult die Koordination und Effizienz beim Klettern.

Kraft, Technik und Mentales müssen trainiert werden

Um mental besser zu werden, die Onsightkompetenz und Stressresistenz zu stärken, bieten sich Flashgames (s. letzte Übung in der Fotostrecke) an. Aber letztlich geht es natürlich darum, dass man schaut, Fahrtechnik, Steuerung und Motor (also Kraft) im Zusammenspiel zu entwickeln.

kl-bouldern-japan-miho-nonaka-34763837004_14b54df6f4_o (jpg)
IFSC Eddie Fowke
Die Boulder-Gleichung: Bewegungstalent + Kraft = Erfolg.

12 Übungen: Bouldertraining aus Japan

Reflexive Balance

Im modernen Bouldern zwingend, aber auch fürs reguläre Klettern eine wichtige Fähigkeit: Zügig und präzise eine Position zu stabilisieren, notfalls auch ohne Griff. No-Hand-Training hilft, das Gewicht optimal auf die Füße zu bringen.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung: Es muss nicht zwingend ein Laufstart sein, aber es muss zwingend ohne Hände passieren. Aufgabe: Ohne Griffe in die Wand steigen, laufen oder springen. Oder vielleicht findest du eine Plattenpassage, die sich ohne Hände bewältigen lässt. Oder eine andere knifflige Bewegungsaufgabe, die sich nur auf den Füßen an der Wand durchführen lässt.
Durchführung: Jede Klettersession mindestens 10 Minuten ohne Einsatz der Hände spielen!

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übungsvariante: Definiere Bewegungsherausforderungen, am besten gemeinsam mit anderen. Beispiel: Ein großes Volumen oder ein mittleres mit Tritten eignet sich, um eine seitliche 360-Grad-Drehung ohne Einsatz der Hände zu versuchen.

Präzision und Effizienz

Projektieren und schwere Bewegungen verbessern unsere Fähigkeiten, besonders wenn wir alles richtig machen müssen, um die Züge zu schaffen.

Japanisches Nationalteam Trainingslager Gaswerk Wädenswil
Vladek Zumr

Übung: Wähle ein oder mehrere Projekte, die dich herausfordern. Versuche sie zu klettern, und wiederhole sie dann mindestens drei mal oder bis du sie gemeistert hast. Filme dich eventuell, um die Bewegungsqualität zu überprüfen. Gib dir Zeit, ruhig über mehrere Sessions, damit der Körper Bewegungen verarbeiten kann und der Lernprozess sich verbessert. Richte den Fokus nicht hauptsächlich auf den Durchstieg, sondern darauf, was du an einem Boulder gelernt hast und wie du es noch besser machen könntest.

Propriozeption

... beschreibt Wahrnehmung und Kontrolle von Körper und Gliedmaßen im Raum sowie dem Empfinden für Spannung, Kraft und Geschwindigkeit. Ihr Training verbessert die koordinativen Fähigkeiten.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 1: Bewegung unter Spannung auf kleiner stabiler Standfläche trainiert die Propriozeption am besten. In unserem Beispiel startet man auf einer Linie stehend mit einem seitlich fixierten Gummiband unter Spannung, dieses wird dann auf Brusthöhe vom Körper weg nach vorn und zuletzt zur Seite bewegt. Je schmaler die Standfläche, desto schwieriger wird es, die nötige Körperspannung richtig zu dosieren.
Durchführung: Eine Minute pro Seite.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 2: Im Seitstütz den Daumen der oberen Hand vor dem Körper mit dem Blick fixieren. Dann Daumen zur Decke führen und mit dem Blick folgen. Wenn das zu leicht ist: das obere Bein ebenfalls Richtung Decke grätschen. Gut fürs Warmup.
Durchführung: 3 mal pro Seite.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 3: Beim Blindbouldern trainieren wir Merkfähigkeit, Bewegungsverständnis und -planung. Der Boulder sollte an einer Spraywall oder Systemwand definiert werden, wo viele „Störgriffe“ vorhanden sind. Er sollte nicht super easy, aber gut machbar (und nicht zu hoch) sein. Präge dir die Griffab­folge gut ein, bevor du die Augen schließt und den Boulder kletterst. Am besten mit Kontrolle von außen. Wird das zu leicht, definiere auch Tritte dazu.
Durchführung: 1 bis 3 Boulder.

Beweglichkeit in Schulter & Hüfte

Je weniger Griffe und Tritte verfügbar sind, desto wichtiger wird Mobilität, um hoch anzutreten und effiziente Positionen einnehmen zu können.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 1: Beine rechtwinklig zu verschiedenen Seiten ablegen. Beim eingedrehten Bein die Zehen, das Fußgelenk und Knie (in dieser Reihenfolge einzeln nacheinander) vom Boden abheben, Bein nach vorn (über den anderen Fuß) strecken und wieder zurücklegen. Zum Wechsel erst das eingedrehte Bein nach außen klappen, dann erst das nach außen gedrehte Bein hereinholen.
Durchführung: 2 mal pro Seite im Wechsel.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 2: Mit zur Seite geklappten Knien so nah an die Wand heranwandern wie möglich. Körper tief nach unten absenken und kurz halten, dann wieder aufstehend nach oben, ohne die Fußposition zu verlieren.
Durchführung: 3 mal die Position einnehmen und wieder auflösen.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 3: Stab oder Gummiband über den Kopf nach oben, hinten und nach unten führen. Je nach Beweglichkeit darf das Objekt breiter (= einfacher) oder schmaler (= schwieriger) gegriffen werden. Für Fortgeschritten: Arme gestreckt halten. Darauf achten, nicht zu sehr ins Hohlkreuz zu gehen und den Rumpf leicht unter Spannung zu halten.
Durchführung: 3 mal, in der Endposition einige Atemzüge halten.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 4: Bei einem leichten bis mittleren Boulder jeweils den nächsten Griff vor dem Hingreifen mit dem Fuß berühren. Ist etwas leichter bei Traversen, schwieriger im Überhang. Gutes Warm-up-Spiel.
Durchführung: 3 bis 4 Boulder bei jeder Session in verschiedene Richtungen.

Reise durch die Halle & Flashgame

Mentale Stärke sowie unter Druck sauber zu klettern, lässt sich mit diesen Übungen trainieren. Auch fürs Felsklettern ist es hilfreich, die Nervosität kontrollieren zu können und vielfältige Fähigkeiten im Repertoire zu haben.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 1: Suche dir einen Wandteil und dort einen leichten Startboulder aus. Klettere nun den nächstschweren Boulder an dieser Wand, dann wieder den nächstschweren und so weiter, bis du ein Problem nicht mehr flashen kannst. Wenn ein Flash nicht gelingt, geht es eine Stufe leichter weiter. Wird erneut geflasht, geht es wieder schwerer weiter.
Durchführung: Maximal eine Stunde spielen.

Bouldertraining mit Benny Hartmann, Trainer des japanischen Nationalteams
Christian Seitz

Übung 2 (für Fortgeschrittene oder als Wettkampftraining): Suche drei mal fünf Boulder aus, die letzten eines Fünferblocks sollten schwierig sein oder unsichere Züge aufweisen. Klettere die Boulder nacheinander im Flash. Wenn ein Flash nicht gelingt, fange innerhalb der Fünfergruppe noch einmal von vorne an.
Durchführung: Maximal eine Stunde spielen.

Der Autor: Benjamin "Benny" Hartmann (40)

Japanisches Nationalteam Trainingslager Gaswerk Wädenswil
Vladek Zumr

Benny Hartmann beim Trainingslager in der Schweiz. Er klettert seit 24 Jahren und bouldert bis 8A+. Seit 2011 produziert der in Franken lebende Schwabe mit seinem Bruder unter dem Label Wataaah Klettergriffe, seit 15 Jahren betreut er das japanische Boulder-Nationalteam. Er ist Mitglied des DAV-Bundeslehrteams. Dazu arbeitet er als Routenbauer und Coach.