Reise-Basics Sylarna-Massiv
- Anreise: Von Östersund (Schweden) oder Trondheim (Norwegen) mit Zug und Bus bis zur Station Duved. Dort 0046/46647/70477 wählen, um den Bus zur Storulvån-Mountain-Station zu rufen. Von dort kommt man dann nur per Ski zur Sylarna-Bergstation: 16 km.
- Beste Zeit: März und April
- Unterkunft: Sylarna-Bergstation
Tourentipps
- Slotts Couloir, leicht: Das "Slotts Couloir" ist eine beliebte Alternative, wenn das Wetter keine schwierigeren Touren in der Gegend zulässt. Man steigt über das markante Couloir auf der Nordseite des Berges Slottet auf, auf demselben Weg wie die Abfahrt. Bei gutem Wetter kann man auf dem breiten Grat bis zum Gipfel des Slottet weitergehen, was die Abfahrt dann verlängert, Weg zum Gipfel: 600 Hm, 3 h, Entfernung: 6–9 km, je nachdem, ob man noch den Gipfel des Slottet mitnimmt. Steilheit: 30°
- Martins Run, mittel: Der Klassiker in Sylarna beginnt mit einer Wanderung ins Slotts-Tal, vorbei am 1276 Meter hohen Syltjärn. Danach in Richtung der Slotts-Zinnen und die rechte Lücke anpeilen. Für das letzte Stück des Aufstiegs sollte man die Ski auf den Rucksack schnallen, da es deutlich steiler wird. Oben in der Lücke ist die Sicht großartig. Die Abfahrt folgt der Falllinie in Richtung Temple-Tal und ist anfangs steil, wird aber nach einiger Zeit sanfter. Die effektive Falllinie beträgt 450 Meter. 550 Hm, 4 h, 8–9 km, Steilheit: 35°
- X-Files-Storsola-Gipfel, schwer: Der einfachste Weg auf den Storsola führt über den Ekorr-Grat – der trotzdem schmal und steil ist. Eine technischere Alternative geht über die Temple Pinnacles, für die man Seil, Gurt, Eispickel und Steigeisen benötigt (s. Artikel). Einmal auf dem Gipfel, ist »XFiles « die unglaubliche Linie, die nach Osten führt, direkt an der Falllinie entlang. Oben ist sie 45 Grad steil, unten etwas weniger. Der Gipfel hat manchmal eine markante Wächte, aber oft kann man seitlich einsteigen. 700 Hm, 3 h, 13 km, maximale Steilheit 45°
"Unter uns" – der Reisebericht aus dem Sylarna-Massiv
Der Wind pfeift, und wenn eine Bö Schnee aufwirbelt, können wir die Wegweiser kaum noch erkennen – obwohl sie rot sind und an hohe Holzpfähle genagelt. Zum Glück haben dienstbare Geister auf diesem Teil unserer Runde alle fünfzig 50 Meter einen der Pfosten in den Boden gehämmert. Man sieht solche Pfähle häufig in der Bergwildnis Schwedens, an manchen Tagen würde man ohne sie den Weg kaum finden. Doch heute ist es gar nicht so schlimm. Eine Weile macht uns noch Gegenwind zu schaffen, aber wir sind raue Bedingungen gewohnt. Und schließlich beruhigt sich das Wetter, die Wolken lösen sich auf. Was nach einem harten Tag in den Bergen aussah, wird zu einem traumhaften Tag auf Skitour.
Zusammen mit Henrik Westling und Johan Ranbrandt habe ich mich ins Sylarna-Massiv aufgemacht, die südlichste Bergregion Schwedens, etwa 700 Kilometer nördlich der Hauptstadt Stockholm in der Provinz Jämtland gelegen. Henrik und Johan sind gute Freunde von mir, sie kennen sich aus in der Region, und ich könnte mir Ende April nichts Besseres vorstellen, als ein paar Tage mit ihnen auf Tour zu gehen.
Nach einigen leichten Kilometern gelangen wir in ein tiefes, hufeisenförmiges Tal, das Temple-Tal. Steil fallen die Berghänge rings um uns herum ab und bilden ein mächtiges Amphitheater. Wir kommen uns unten auf dem Talboden vor wie winzige Akteure auf einer riesigen Bühne. Die nächste Straße verläuft 20 Kilometer entfernt. Nur die schabenden Geräusche unserer Ski auf dem Schnee durchbrechen die Stille. Keine Menschenseele weit und breit, wir haben das Gefühl, dieses Massiv für uns zu haben.
Man würde in Mittelschweden keine solch steilen Berge vermuten, und mögen die Alpen auch viel höher sein – auch hier gilt: Eine Zeitreserve ist immer eine Sicherheitsreserve. Wir wollen heute noch auf den höchsten Berg des Massivs, den 1728 Meter hohen Templet. Gut, dass wir früh aufgebrochen sind und die Sonne im Spätfrühling am 64. Breitengrad lange scheint. Denn der anstrengende Part kommt noch.
Sylarna-Fjällstation: Gemütliches Bollwerk gegen Kälte
Gestern erst haben wir die 16 Kilometer vom Ende der Straße in Storulvån zur Sylarna-Fjällstation hinter uns gebracht, einem gemütlichen Bollwerk gegen die Kälte und unser Quartier für die nächsten Tage. Obwohl es nur leicht bergauf ging, war der Weg dorthin eine Schinderei – oberhalb der Baumgrenze bremst selbst der kleinste Gegenwind einen stark. Fast vier Stunden brauchten wir mit den schweren Rucksäcken bis zur Fjällstation.
Die erste Version der Hütte hat der Schwedische Tourismusverband schon in den 1890er Jahren errichtet – um diese Zeit wurden Alpinismus und Bergtourismus in Schweden gerade erst populär. Es handelte sich um ein kleines, primitives Gebäude. Inzwischen trifft man hier eine ausgewachsene Fjällstation mit rund 100 Betten an. Modern und frisch renoviert, lässt sie Gästen die Wahl zwischen Intimität oder Gesellschaft und bietet Unterkünfte vom Zweibettzimmer bis zum 16-Bett-Sammelschlafplatz. Und abends gibt es ein Menü mit vielen Biozutaten und beispielsweise Elch- oder Rentierfleisch, auf das ich mich jetzt schon freue. In der schneefreien Zeit schätzen auch Wanderer die Fjällstation: Sie liegt in 1035 Meter Höhe auf einem Knotenpunkt, an dem Wege von mehreren anderen Berghütten in Schweden und Norwegen zusammenlaufen.
Am Ende des Temple-Tals weist Henrik einen steilen Grat hinauf. Zu vielen Touren in Sylarna gehört ein wenig Skibergsteigen, also haben wir Steigeisen, Klettergurt, Seil und den Eispickel parat. Man hält sich hier in reichlich abgelegenem Gelände auf und sollte kein Risiko eingehen. Auch die Abfahrten haben es in sich, 35 bis 45 Grad sind hier kein Problem. Nach einer Stunde stehen wir 400 Höhenmeter über dem Talboden auf der Nordseite des Tals. Plötzlich bewegen wir uns sehr langsam in hartem Schnee und traversieren vorsichtig am steilen Berghang. »Lasst uns die Steigeisen anziehen. Wir sollten hier nicht stürzen«, sagt Henrik und zeigt auf die scharfen Felsen unter uns. Zusätzlich sichert Henrik mich am Seil. Das beruhigt mich, und ich genieße die leichte Kletterei, statt mich zu fürchten. Es geht so auch viel schneller und effizienter voran.
Bald schon stehen wir auf der rundlichen ersten Temple-Zinne in 1550 Meter Höhe. Es fühlt sich luftig und ausgesetzt an hier oben, denn vor unseren Füßen geht es hinab in ein Couloir. Die Sicht in die Ferne ist klar. Unten im Tal sehen wir die Sylarna- Fjällstation, und weit hinten die Berge um die Storulvån-Fjällstation, wo wir gestern gestartet sind. Wogende Hügel, so weit das Auge reicht, und der Grat, den wir gerade erklommen haben, sieht aus wie eine Haifischflosse. Ich muss mich kneifen: Ist das wirklich Schweden? Man kennt mein Heimatland nicht gerade als alpines Mekka, mehr als die Hälfte ist so flach wie ein Pfannkuchen. Trotzdem gehört Skifahren zu den beliebtesten Wintersportarten.
Skisport auch in Schweden sehr beliebt
Der weltweite Boom des alpinen Skirennsports in den Achtzigerjahren hat damals auch Schweden erfasst. Ingemar Stenmark ist einer der meistdekorierten Skifahrer in der Geschichte des Sports, und wenn er antrat, hielten die Büros, Schulen und eigentlich das ganze Land inne, um ihm zuzusehen. Plötzlich wollte jeder Skifahren lernen, viele Skigebiete wurden erschlossen, Skifahren wurde zu einem Volkssport.
Momentan wird Skitourengehen immer populärer, da es in den freundlich-runden schwedischen Bergen sehr gut funktioniert. Vor zehn Jahren kamen zum Beispiel nur wenige Skitourengeher nach Sylarna – kaum jemand nahm den langen Anmarsch mit der damals viel schwereren Tourenausrüstung auf sich und wagte sich in das schwer zugängliche Skigelände. Heute begrüßt die Sylarna- Bergstation jedes Winterwochenende Skitourengeher. Nach einem kleinen Snack und einem Tee seilen wir ein kurzes Stück ab, nur um dann auf einer steileren Kletterpartie zum Gipfel des Templet aufzusteigen. Wir haben kein Bier oder Champagner dabei, um den Gipfel zu feiern. Aber oben bricht Henrik eine Tafel Schokolade in drei Teile, und sie schmeckt großartig. Wir reden ber die Abfahrtsmöglichkeiten. Die norwegische Grenze verläuft nur ein paar hundert Meter entfernt, und einige der Linien, die in Frage kommen, enden tatsächlich auf der norwegischen Seite. Kaum zu glauben, dass der nächste Fjord nur 80 Kilometer entfernt bei Trondheim ins Land schneidet.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr wählen wir eine Linie, die zurück ins Temple-Tal führt. Der Wind hat den Neuschnee von gestern über den Grat auf die Nordseite transportiert, und auch wenn es nur ein paar Zentimeter sind, sieht er glatt und ansprechend aus. Henrik fährt als Erster, und ich folge ihm, als er den oberen Teil hinter sich hat. Anfangs fahre ich kürzere Schwünge, um den Schnee zu spüren, aber sobald ich Vertrauen in die Oberfläche gefasst habe, ziehe ich meine Schwünge länger, und die Geschwindigkeit kommt von selbst. Was für ein gutes Gefühl, eine lange, schöne Abfahrt auf dem Weg zurück zur Sylarna-Mountain-Station zu genießen, wo das Abendessen wartet.